Die Sprache der Anderen, 59

Die Schnur

Es war einmal ein indischer König namens Akbar.
Eines Tages spannte er eine Schnur und forderte seine Minister auf: Schneidet diese Schnur nicht ab, verknotet sie nicht, doch verkürzt sie auf eine andere Art und Weise. Die Minister dachten lange nach, kamen aber zu keinem Ergebnis. Schließlich stand einer der weisesten Männer auf und spannte eine längere Schnur daneben. Durch diese zweite, längere Schnur wurde die erste automatisch verkürzt, ohne jedoch verknotet oder abgeschnitten zu werden.

Da sagte König Akbar:
So sollten auch wir die Meinung eines anderen weder umbiegen noch beschneiden, sondern nur unsere eigene Schnur daneben spannen. Dann mögen die anderen selbst entscheiden, was länger oder kürzer – was besser oder schlechter ist.

Die Sprache der Anderen, 57

»Ich war letztens trainieren. Es war Rücken-Trizeps-Tag. Voll in meinem Element, mein Latissimus pumpt sich auf. Redbull verleiht keine Flügel, Rückentraining schon. Durch das Muskelwachstum erhöht sich auch die Testosteronproduktion. Ist für den Muskel und Bartwuchs zuständig. Nach dem Training gehe ich joggen. Ich denke an den Film Forrest Gump und renne dann schneller als ein Lamborghini.
Ich würde gerne mit meinem allerbesten Freund Tolga trainieren gehen, denn wir haben zwei Dinge gemeinsam: die Strichartigkeit und den Vogel. Strichartig ist die Definition meiner Muskeln. Sowie Tolgas Augenbrauen. Warum der Vogel? Ich habe einen Lat wie ein Adlerflügel und auch Tolga hat etwas mit dem Vogel gemeinsam: Statur und Stimme eines Wellensittichs. Herkunft? Schwanheim. Und quasselt wie ein Papagei.«

(F.G., 19 Jahre, Kreati Vübung April 2014)

Die Sprache der Anderen, 55

“Jener Trieb zur Metapherbildung, jener Fundamentaltrieb des Menschen, den man keinen Augenblick wegrechnen kann, weil man damit den Menschen selbst wegrechnen würde, ist dadurch, daß aus seinen verflüchtigten Erzeugnissen, den Begriffen, eine reguläre und starre neue Welt als eine Zwingburg für ihn gebaut wird, in Wahrheit nicht bezwungen und kaum gebändigt.”
Friedrich Nietzsche, aus: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne

Manchen rauschen die Fundamentaltriebe ja so laut in den Ohren, dass sie selbst die Metaphernbildung überhören. Aber das ist ein anderes Kapitel.
Guten Morgen!

Vergnügt, wenngleich wortkarg, Ihre
Madame TT