Die Sprache der Anderen, 77

(…) Andererseits ist die Identität im Kapitalismus ökonomisch verfasst als riesiges Feld der Vermarktung. Ganze Service-Industrien gruppieren sich um die Einzelnen und organisieren die Ausrüstungen für das vermeintlich Eigene. Es gilt ein allgemeiner konsumistischer Ich-Befehl. Der Distinktionsgewinn lauert überall. „Ich“ mache den Unterschied mit Hilfe von Mode, Kosmetik, Popkultur, Touristik etc.
Diese ganzen Selbst-Aufrüstungen hinterlassen ein zwiespältiges Bild – sie können als Training für den selbstbewussten Gang durch die komplexen und dynamischen Wirklichkeiten des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gelesen werden. Sie wirken aber auch immer schal, weil Konsum letztlich leer bleibt im Verhältnis zu anderen „realen“ Erfahrungen. (…)
Identität ist oft die Summe dessen, wie wir andere sehen oder verkennen und wie wir gesehen werden und gesehen werden wollen. Krisen und Verstörungen sind hier ebenso wichtig wie Erfahrungen der Wirksamkeit, des Einflusses aufs eigene Geschehen. Achtsamkeit, die wir nicht bekommen haben oder vermissen, kann uns darauf hinweisen, diese anderen zugute kommen zu lassen, es besser zu machen, als es uns ergangen ist.
Diese Mikropolitiken des Alltags sind wesentlich für das Ganze der Gesellschaften. (…)

>>> Thorsten Schilling im Editorial des aktuellen fluter – dem Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung

Der fluter ist für eine junge Zielgruppe jeden Alters konzipiert. Die Beiträge sind kurz, intelligent und realitätsnah, ohne je in Jugendjargon zu verfallen, kurz, das Ding ist klasse gemacht.
Man kann das Heft >>> kostenfrei online abonnieren. Hätte ich je Ambitionen gehabt, mich einem Autor:innenkollektiv anschließen zu wollen, wäre die fluter-Redaktion eine Adresse gewesen.

Die Sprache der Anderen, 76

Sebastian Rogler hat in seinem Blog >>> schneckinternational einen zärtlichen, schnurrigen und behutsamen Text über seine Familie geschrieben, zu der seit einiger Zeit auch ein junger Iraner und ein Afghane gehören. Solch handfeste politische Unmittelbarkeit hüpft mir im Netz nicht oft vors Auge, da lege ich die Sonntagszeitung beiseite und freu mich einfach nur.

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Die Sprache der Anderen, 74

“Die Pubertät ist die Lebenszeit, in der man schon denken kann, aber noch kein Geld verdienen muss, also der beste Lebensabschnitt für Intellektuelle. Fünf kurze Jahre zwischen dem 13. und dem 18. Lebensjahr – mehr Zeit lässt uns die über Lohnarbeit vergesellschaftete Zivilisation nicht, den Verstand auszuprobieren und zu entwickeln.”

Dietmar Dath

((Hatte ich’s nicht immer schon vermutet?))

Die Sprache der Anderen, 73

[…] Eine ihrer Konflikte und Leidenschaften enthobene, befriedete Weltgesellschaft, die das Ziel eigentich aller politischen Bemühungen ist, produziert jedoch zugleich eine universelle Angst: Die Menschen werden ständig daran gehindert, sich “einzubringen”, und sie entwickeln eine chronische Angst davor, ihre Bedürfnisse mit der notwenigen Aggressivität zu äußern. Diese chronische Angst richtet unvorstellbar zerstörerische Energien gegen das, was anders ist als man selbst. […]

“Einladung zur Gestalttherapie, eine Einführung mit Beispielen”, Erhard Doubrawa/Stefan Blankertz, Peter Hammer Verlag 2010