Ich war den größten Teil meines bisherigen Lebens krank, ich hatte Neurodermitis, ich war ein wandelnder Alarmzustand. Immer waren Teile von mir wund, bluteten und juckten zum wahnsinnig werden, Tag und Nacht, Woche um Woche, Jahr um Jahr. Ich schreibe das, weil ich gestern Abend mit meiner Schwester darüber sprach, was uns so geprägt hat bisher, wie wir die geworden sind, die wir sind. Ich hab’ mal eine Geschichte darüber geschrieben, wie es ist, eine fast permanent schreiende Haut zu haben: die bringt das Ding so auf den Punkt, dass ich dem auch seitdem nichts hinzuzufügen habe. Vielleicht stelle ich sie mal hier ein.
Womit wir gleich da wären, wo ich hin will: warum Selbstdarstellung? Und wo hört die auf, und der böse und peinliche Exhibitionismus beginnt? Ich könnte mich rausreden und einfach sagen, alle künstlerisch arbeitenden Menschen bauen sich Bühnen, und weblogs sind wohlfeil.
(Ich darf übrigens berichten, dass sich die geringelte Katze eben wieder zu mir gesellt hat. Sie sitzt neben mir und kaut Gras, etwas vorwurfsvoll, wie mir scheint, denn sie hätte gerne meinen Stuhl, um sich darauf zu putzen. Tja, wenn Du es schaffst, mich runter zu schubsen, kannst Du ihn haben)
Also, Bühnen.
Für mich ist keine aufregender und inspirierender als diese hier momentan. Seitdem ich dieses weblog führe, fange ich an, sichtbar zu werden; es fühlt sich an, als würde ich langsam, langsam meinen Zeppelin aufblasen.
Ich hab’ Kunst studiert und schon damals viel geschrieben. Ein anderes Studium wäre mir, glaub’ ich, mit dieser Haut gar nicht möglich gewesen; es musste eines sein, das der Persönlichkeitsentwicklung nicht nur Raum gibt, sondern sie geradezu als Bedingung einfordert. Ich hab’ Ausstellungen gemacht. Und Lesungen. Und Lesungen in meinen Ausstellungen. Aber ich hatte immer einen Horror davor, wie der nächste Tag aussehen würde. Ob ich Kleidung an mir ertragen würde. Ob mich nicht jedes Haar, das mir ins entzündete Gesicht fiele, wahnsinnig machen würde. Ich habe diesen verdammten Behälter gehasst, in dem mein Geist untergebracht ist. Tut mir leid, das ist starker Tobak. Trotzdem nur ein Fitzelchen dessen, was dazu zu sagen wäre.
Genug. Die Katze fängt jetzt Fliegen. Und das alles ist lang vorbei.
Doch der Punkt ist, der Körper erinnert sich, Zellen haben ein saugutes Gedächtnis. Er birgt. Ebenso wie die Psyche. Ich hab’ keine Ahnung, wie Leute, denen die schöpferische Ebene fehlt, mit solchen Dauerbelastungen umgehen. Die reduzieren einen aufs Überleben. Ich fühle mich gerade ziemlich unbeholfen in meinem Ausdruck. Doch es ist mir wichtig, lassen Sie mich also noch ein wenig tasten, ja?
Ich schreibe über diese Dinge (oder beginne, davon zu schreiben), weil ich mit Tainted Talents eine Form gefunden habe, in der das geht. Sie, die Sie regelmäßig hier vorbei kommen, kennen mich inzwischen ein wenig; Sie kennen meine Themen, meine Zeichnungen, ja sogar meinen Körper. Sie kennen mich als Showmasterin und wissen, wie ich mit Gästen umgehe. Sie machen sich so langsam ein Bild von mir. Manche kommen wieder, anderen ist das ganze Ding sicher zu sehr auf mich fokussiert, die bleiben dann weg.
Worauf ich hinaus will: auch ich mache mir so langsam ein Bild von mir. Was glauben sie, warum mir Schnecken so gut gefallen? Ich bin spät dran – aber ich weiß auch warum. Lange Jahre war mir alles in mir drin zu belastet, um es nach außen zu tragen. Ich hatte die große Befürchtung, andere mit mir zu überfordern. Das hat sich mit dem regelmäßigen Schreiben, vor allem aber mit dem Lehren des Schreibens sehr verändert: ich stellte fest, dass ich jungen Leuten ein wunderbares Vorbild bin. Und je offener ich mich dabei zeige, desto mehr bringe ich sie zum Leuchten. Und – das verblüfft mich immer wieder – die Jungen sind nie überfordert mit mir, egal, welche Hämmer ich ihnen vorsetze. Im Gegenteil. Liegt aber auch daran, dass ich inzwischen mein Lachen in die Welt schicke, als sei das nie anders gewesen. War’s im Grunde auch nicht. Ich hab’ immer gelacht; ich wollte nie jemanden mit meinem Scheiß belasten.
Das Ding hier ist zu keinem vernünftigen Ende zu bringen, merk’ ich schon. Egal, dann bleibt’s eben ein Anfang.
Ich schreib’ für alle Schnecken, männliche und weibliche.
Und für diejenigen, die – wie ich – so oft zu hören kriegen, wie stark und toll sie doch wären. Und die dann vielleicht denken, mag schon sein, doch das Luftschiff muss trotzdem von Hand aufgeblasen werden, also sitz’ Du nicht da und bewundere mich, sondern fang’ an zu pusten.
In meinen Workshops wird gelacht und geweint und niemand geniert sich, jedenfalls nicht lange. Und dann schreiben wir.

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Cider, sag’ ich nur. Ein fieses Stöffchen.