Tja.

Ich: „Wenn man ständig in irgendwelchen Erledigungslisten denkt, wird man banal und unglücklich.“
Meine Mutter: „Meine Güte, du hast das Leben eines Berufstätigen in einem Satz zusammengefasst.“

Wo der Hammer hängt


„Das hier ist für mich… das hier ist für mich .. das hier…“
Mein Mantra, wenn ich im Jardin des Plantes meinen Lauf begann, immer gegen den Uhrzeigersinn, immer in der Mitte des … Weges ? – nein, der alten Trasse, die rechts und links von Platanen gesäumt wird. Schnurgeradeaus. Dieser schwere Körper! Immer schwerer, als ich zu glauben bereit war, bereit sein werde, warum ist das verfickte Ding eigentlich so schwer

Des Krieges wegen steigen mir dieser Tage oft Tränen in die Augen. (Ah, dieses Bild des Steigens! Als ob wir unsere Tränen im Bauch destillierten, um sie dann durch ewig gewundene Röhren hoch in die Augen zu pumpen) 
Ebenfalls neuerdings denke ich manchmal, ich sollte mir mehr Pflege angedeihen lassen. Sollte meinem kleinen Selbst, das irgendwo in mir rumschwadroniert, sich in die Brust wirft und behauptet, es sei durchaus tough, konturiert und selbstbehauptend, sollte diesem kleinen Soldaten in mir mal eine Pause vom fake it until you make it gönnen. Ich schreibe absichtlich „Soldaten“, denn der Kleine ist nu‘ mal männlich. Schließlich war auch Leroy, mein erstes Alter Ego, ein winziger Kerl, den ich immer mit hochgezogenen Schultern zeichnete, nackt bis auf ein paar Cowboystiefel. Die erste Repräsentanz von Scham in meiner künstlerischen Arbeit.
Wenn ich in den letzten Jahren darüber nachdachte, was mein immerwährendes Thema ist, kam ich jedes Mal wieder auf dieses: 
Scham.
So ein schmuckloses Wort. Sofort bereit, auch noch die andere Wange hinzuhalten, wenn nur bitte, bitte niemand irgendwo was auseinanderzieht, reinguckt, aufklaffen lässt. Hach, lasst mich einfach so hier rumsitzen, ich bin doch nur ein Knäuel, ein Sch, ein am, ein einschlupfloses kleines Wort ohne Angriffsfläche, wenn ihr mich bitte einfach nur in Ruhe lassen könntet, bis –
Doch der Satz wird nie beendet.

Wenigstens weiß ich, wo bei mir der Hammer hängt und weiß ebenso, dass er dort schon seit langer Zeit hängt – an einem Platz obendrein, den ich nicht selbst ausgesucht habe. Ich weiß, dass ich nicht erwischt werden will, erinnere mich aber nicht bei was. Was auch immer es ist, es scheint schon so lange her, dass nur diese Scham überlebt hat, nicht aber ihr Anlass.
Wo hängt der Hammer? Vielleicht gibt es dieses Kabäuschen in meinem Inneren, so eine Art geheime Werkzeugkammer. Ich ahne, dass in diesem Kabäuschen sogar ein Wissen darum existiert, wie man Werkzeuge fertigt. Dort hängt auch mein Hammer inzwischen, auch wenn er früher einen anderen Platz hatte, einen namenlosen.

Wenn ich die Menschen im Ausnahmezustand sehe, die mir der Fernseher, das Netz dieser Tage entgegenwerfen, schäme ich mich auch.

Tief. Eine viel frischere Scham als meine aus Kindertagen, sie schwimmt in meinem Kopf und durch mein Herz, murmelt davon, ein Sofa zu haben, einen Milchkaffee, einen Text, eine Abwägung… und dass so viele andere grad im Reflexhaften gefangen sind, blindlings reagieren müssen, ungehalten Haltung zeigen und oft auch sterben müssen, weil’s für sie grad nichts anderes gibt. 


Über das Vertrauen

Gestern Abend stellte ich mir vor, jemand könne sich tatsächlich überall in mir bewegen ohne dass mir ein Ort bliebe, an dem ich unangefochten mit mir selbst zusammensein kann, an dem ich mein eigener Maßstab bin.
Gruselige Idee! Ich behalte mir vor, meine Einschätzungen und Schlussfolgerungen nicht gänzlich zur Disposition zu stellen. Mitwisser zu werden bedeutet die Last zu tragen, nie mehr nicht wissen zu können. Es bedeutet Verantwortung – und ich lehne es ab, Menschen in derartigen Zugzwang zu bringen.

Es gibt einen ganz bestimmten Ort, an dem ist man alleine mit der eigenen Unbedingtheit. Mit dem Vertrauen, das man nur ins Eigene hat und in niemanden sonst, weil man nur selbst bereit ist, die Konsequenzen dessen zu tragen, was die eigene Wahrnehmung einem als Wirklichkeit zur Verfügung stellt.
Ich finde, hundertprozentige Vertrauenswürdigkeit ist ein Anspruch, den man keinem außerhalb des eigenen Gehirns zumuten sollte. Ich will meine Stabilität und mein Lebensglück nicht davon abhängig machen, dass jemand abwägt, ob er mir zu Seite stehen kann oder nicht, weil noch andere Menschen zu berücksichtigen sind. Ich passe auf mich selbst auf – schlichtweg, weil ich der einzige Mensch bin, auf den ich keine Rücksicht nehmen muss. Das macht mich vor mir selbst real.

Fakt ist, ich werde älter. Es gibt eine Stimme in mir, die Ja zu diesem Älterwerden sagt und der ich wohlwollend Raum geben will. Dieser Wehmut. Liebevoll erspüre ich meine Konturen. Die Umrisse meiner Kraft, meiner sexuellen und intellektuellen Potenz. Die Frau, die ich geworden bin, ist erstaunlicherweise immer noch in einem Zustand multipler Optionen – doch ich nehme mir das Recht auf Ungeschminktsein und Erbarmen mit mir selbst. Solche Zustände sind Solotänze mit meinem eigenen Gehirn, mein intimer evolutionärer Prozess, in den niemand reinurteilen darf.

Ich spüre dieses Eigene in mir nur richtig, wenn ich alleine bin. So wie jetzt. Manchmal ist meine Oberfläche so zugewuchert von Fremdwahrnehmungen, Außenurteilen und profanem Wildwuchs, dass ich keine Chance habe, nach unten zu mir vorzudringen; ich müsste dann erstmal die Oberfläche von den Scheiß-Seerosenblättern freiharken. Das braucht Power und Lust und ein Selbstwertgefühl, das ich nicht immer aufbringen kann. Ich nehme mir das Recht heraus, gelegentlich ein ignorantes armes Würstchen zu sein, ohne dass mich jemand dabei beobachtet und mein Handeln oder Nichthandeln bewertet.
hugh.

Anders

Ich könnte schwören, dass gerade eben noch Jetzt war, doch etwas ist anders.
ANDERS
Je länge ich starre, desto unheimlicher wird mir das Wort.
Manchmal denke ich, mir entgleitet so viel, so schnell, ins ANDERS, dass es irgendwann nur noch Extreme für mich geben wird: explodierend vor Worten oder komplett sprachlos.

Der Unterschied zwischen Jetzt und Danach: den zu spüren. Ob es ihn gibt?
Jetzt: Eine Seite vollzuschreiben.
Danach: eine Seite zu lesen.
Was ist zwischendurch geschehen, war ich während des Denkens wirklich bei mir, oder doch jemand ANDERS?

Wie kann man überhaupt geistesgegenwärtig sein? Oder wird man von den eigenen Zuckungen gelebt, alles nur Instinkt, Reflex, Anziehung, Zurückweisung, Inklusion, Exklusion? Ich wollte immer eine Art unbestrittenen Könnens erlangen, irgendwann gewisser Dinge sicher sein. Das Einzige, was mich dabei immer wieder irritiert, ist dieses ANDERS in meinem Kopf. „Ja, aber”, flüstert es, “Du solltest es anders machen: nicht so, wie Du bist. Sondern so, wie Du sein solltest.“

Damit steht und fällt die Selbstkonzeption. Niemand von Außen kann mich aufrichten, solange dieses ANDERS mich kleinlaut macht und formatiert. Ich spüre es. In mir, in uns, es ist nie zufrieden mit dem IST, will immer woANDERShin.

Und eben läuft mir die Frage zu, wie das wohl wäre…? Ich spreche von Außenwahrnehmung,
wie es also wäre, wenn sich hinter der höflichen, rücksichtsvollen Person, die wir präsentieren, hinter unserem hübschen, tageslichttauglichen Schirm das unverputzte IST zeigte, das wir so gerne verschlossen halten. Was, wenn wir unser IST zeigen würden?

Der Fluss! Vielleicht ist der Fluss der Schlüssel. Das sich in der Gegenwart aufgehen lassen. Wir müssen uns verhalten! Gegenüber unserer Angst vor dem IST.
Wir sind keine Herde Fluchttiere, auch wenn das Krisenvokabular unserer Zeit uns genau dort haben will. In der Flucht. Der Vermeidung. Von innen aber sind wir grundsätzlich vielschichtiger als das Bild, das sich fremde Wortgeber von uns machen. Was, wenn wir geistesgegenwärtiger wären als alle, die bereits ihre Schlüsse gezogen haben?


***

Lispeln

Sonntag, 28. Juni 2020

Gestern vergaß ich doch glatt, ob wir Ende Juni haben oder bereits Ende Juli; meine Zeitwahrnehmung ist ziemlich im Arsch. Was natürlich Auswirkungen hat. Massenhaft. Angefangen damit, dass
dass –
?
… wenn also, was ich als Wirklichkeit verstehe, ein Motorblock wäre, an starken Federn aufgehängt, die die unablässige Vibration meines Denkens austarierten,
und wenn dieser Motor (meiner Kunstgriffe zur Krisenbewältigung wegen) an PS-Stärke zugenommen hätte, also mehr Zug auf den Federn lastete, als sie aus den vergangenen Jahren gewohnt waren –
dann könnte es sein, dass sein Rütteln ab- und an heftig würde und mein Denken beeinträchtigt. So viel Beanspruchung sind diese Federn einfach nicht gewohnt.

Mein Chassis ist crisp, höchstens vierfünf überflüssige Kilo Gesamtmasse, dafür erbringt der Motor krisenbedingt aber höhere PS-Leistung, womit sich’s durchaus arbeiten lässt.
Es ist die Aufhängung, die mir Sorgen macht.
So, und jetzt schnell wieder runter von der Idee, schließlich hab’ ich von Autos keine Ahnung.
Sieh’ zur Seite sagt jemand in meinem Kopf. Solch ein Trugschluss, dass vorn immer was zu holen ist. Schau nach rechts. Ins Grün.

Wo der Wind durch die Millionen Blättchen meiner alten Birke streicht, als wolle er sie liebkosen. Davon allerdings versteh’ ich was, von diesem Aufrauschen, wenn Berührung ankommt. Zwei Häuser weiter brüllt ein Säugling aus Leibeskraft, bis auch er anscheinend berührt wird und sein Geschrei fröhlich ausgurgeln lässt.
Mein Amselmädchen trinkt derweil auf dem Balkon aus der roten Keramikschale. Sie hat es nicht eilig; oft badet sie danach noch ein Weilchen in ihr.
Mist, eben kommt die Sonne raus. Muss schnell zu meiner Laufrunde aufbrechen, bevor die Luft anfängt zu drücken und ich wie the drunken Sailor durch den Park eiere. Welcher Monat war noch gleich?

Es liegt ein Lispeln in der Luft.

Kausalkettenkürzen

Es fällt zunehmend schwerer, die Idee der Gleichzeitigkeit zu schützen, sprich sich gewahr zu sein dass kein Ding alleine steht, keine Erkenntnis sich von anderen isolieren lässt,
dass niemand automatisch ins Unrecht fällt nur weil ein anderer grad’ Recht hat,
dass noch während einer glühend argumentiert so manch Schweigender bereits kühl entscheidet, dass Menschen wegen einer Idee unter die Räder kommen, während andere mit der fast der gleichen Idee Furore machen, alles gleichzeitig –
– als wüssten wir das nicht.
Doch Wissen und Spüren sind zwei komplett verschiedene Modi.
Kürzt die Kausalketten! Nicht alles was Ihr wisst muss ins Kettenhemd der Logik eingeflochten werden.
Die meisten Dinge geschehen nicht weil, sondern während.

Mit weil ist mein Blick immer nach hinten, auf die vermeintliche Ursache dessen gerichtet, was ich wahrnehme,
mit derweil verlasse ich die Kausalketten und spring’ in die Gleichzeitigkeit.
Platsch

Derweil geht mir mein alter Dichterfreund P. nicht aus dem Sinn, durch dessen rissige Zimmerdecke seit einiger Zeit ein Sturzbach niedergeht. Zu Anfang hatte sich P. davor sehr erschrocken, jedoch nichts unternommen. Inzwischen hat er sich daran gewöhnt, vor allem, weil sich der Rohrbruch auf recht traumhafte Weise in die Ohm, den Fluss seiner Kindheit verwandelt hat. Sie stürzt von des Dichters Decke, landet sanft auf dem Fußboden neben dem Perserteppich und fließt, lieblich plätschelnd, über die Türschwelle ins Zimmer seiner Frau. Was die Ohm dort drüben verrichtet hat P. nie herausgefunden, ihn interessiert nur das eigene Stück Fluss, das entgegen alle Wahrscheinlichkeit durch sein Arbeitszimmer fließt und ihm Bedeutung verleiht. Dichter, wir ahnen es, sind brutal in ihrer Gier nach Transzendenz.

Eben fällt mir C.G. Jung ein:
Wer nach außen schaut, träumt. Wer nach innen schaut, erwacht.
Während H.N., dessen Arbeitszimmer meines Wissens nicht von Flüssen besucht wird, kürzlich folgendes sagte:
Zuhause ist, wo man nicht andauernd alles erklären muss.
Die trockensten aller Bemerkungen stammen allerdings wöchentlich von Sabina, der Frau, die dankenswerterweise bei mir putzt.
Leben fragt nix, sagt Sabina oft, und:
Oben ist es auch schön.
Womit sie das Himmelreich meint, in das schon viel zu viele jener Menschen eingegangen sind, die sie in ihrem Leben geliebt hat.

Alles ist immer anders
Alles ist immer gleichzeitig
Alles ist immer neutral

Diese drei schrieb ich als Studentin in eines meiner vielen Hefte; sie klingen immer noch gleichzeitig.

Ebenso wie die neue Welt, der ANH >>> nebenan in Die Dschungel mit seinem eigenen Fleisch eine Bühne bereitet.
Auftritt der Tumorin Liligeia. Stark invasiv, lebensgefährlich, furchteinflößend, doch aus Sicht des Herrn der Dschungel auch hoch erregbar für Courage und Poesie. Weshalb ANH (ohne Frage und auch keineswegs nebenbei mein Lieblingsschriftsteller) in seinem von Liligeias Energie gestressten Körper die Kraft findet, präziser: aufwendet, auch dieser neuen Lebensform Herr zu werden, sie also in der Umarmung seiner Formulierungen in die Innigkeit des Überlebenwollens hinüberzuziehen. Und weil doch jedes Wesen so lang’ und strotzend wie möglich überleben will, überlegt ANH zu Recht, sollte eigentlich auch Liligeia am Vergehen dieses gemeinsamen Körpers kein Interesse haben.
Seh’ ich genauso. Zum Gefäß zu werden, wie es Energieformen nun mal mit einem tun, ist nicht verkehrt. Richtiger aber ist es, die Stirn zu bieten, denn von dort kommt die Imagination:
(…) „Weil es dies ist, was wir Menschen wirklich können, was kein, wahrscheinlich, Tier kann, was möglicherweise nicht einmal Göttinnen und Götter könnten, wenn es sie denn gäbe, und erst recht kein GOtt. Schöpfung durch Kunst, Erschaffung durch Kunst – dies ist das Menschliche an sich (und wahrscheinlich eben nicht die Liebe, deren Empfindung wir mit Göttern wie mit Tieren teilen, und mit, wenn’s denn stimmt, dem EInen GOtt auch).“ (…)

Da widerspräche ich gerne, doch dazu ein anderes Mal.

Herdenflat

Diese Flatrate ist der Hammer! Je mehr Herdeninfo Ihr täglich auf Euer Gehirn runterladet, desto immuner werdet Ihr gegen Corona, wusstet Ihr das? Seltsam jedenfalls, dass es plötzlich so selbstverständlich sein soll, eine Herde zu sein; ich dachte sowas finden nur Schafe normal. Wohingegen Videos nicht mehr viral gehen dürfen, weil das zwar früher was Gutes war, jetzt aber tödlich klingt.
Tja.
Umdeutungen von Bedeutungen. (Nennt es Reframing, das klingt nicht so nach Dunkelkammer)
Unser Krisenmanagement jedenfalls hätte am liebsten –
Hm ..
Den Wumms von oben vielleicht. Der das Virus allerdings nur weiter in Zaum halten kann, wenn alle Schafe, sprich heimliche Individuen in offensichtlichen Körpern, schön hinterm Gatter bleiben.

Was allerdings zunehmend zum Problem wird, denn so ziemlich alle von uns laden inzwischen ihren eigenen Wumms, sprich Frame, sprich ihre Interpretation der Wirklichkeit in so ziemlich alle denkbaren Kanäle hoch.
Als es vor ein paar Wochen so eng wurde mit dem Virus und den I n t e n s i vbetten (gruselig) sind wir ja ganz gern eine Weile in den gesellschaftlichen Schulterschluss gegangen, doch der Pulverdampf der Argumente…
w e r soll denn da noch w i e durchblicken…

– Hey! Zeit, wieder übers Gatter zu springen!!!
Hopp..
Hopphopp…

Ein Schaf nach dem anderen löst sich von der Herde. Die ersten von uns wuppen aus dem Stand über die Absperrung, andere müssen mächtig Anlauf nehmen, wieder andere wandern ganz beiläufig am Zaun entlang, um zu gucken, wo wer schon was weggerissen hat, um selbst Zeit und Ressourcen zu sparen, andere buddeln sich ’n Tunnel nach draußen…
Fest steht, wir fallen alle so schnell vom Wumms unserer Krisenmanager ab, wie wir die Hufe hochkriegen können.
Hiermit führe ich ein neues Verb ein, ich nenne es drosten. Da wir die Herdenflat haben könnt Ihr’s gerne millionenfach runterladen, kostet ja nichts extra, also, jemanden zu drosten bedeutet ab sofort, ein Individuum in die Mitte der Herde, sprich auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
Sorry, aber da muss ich dich jetzt mal drosten.
Ey, droste mich nicht voll.
Mann, hat der gestern abgedrostet.
Man kann jemanden von der Seite androsten oder auch extrem zudrosten, das Verb hat allerhand Potential und ist ab sofort freigeschaltet.
Ob es Immunität verleiht ist noch ungeklärt, aber vielleicht ja Flüüügel.

Die Melancholie der herabfallenden Becher

Die Moral hat definitiv den größten dieser Tage.
Denn niemand will Fehler machen. Niemand will Schuld sein, wenn gelitten wird oder gestorben, niemand will diskriminieren, die falschen Worte zu den richtigen Leuten sagen oder die richtigen Worte zu den falschen. Niemand will jemanden anatmen, der nicht dazugehört, aber ohne das Gefühl zu vermitteln, dass dieser Jemand nicht dazugehört.
Die Moral hat ein Lieblingskonzept, es ist so einfach wie überzeugend und heißt Nein.
In Krisenzeiten wird Ambivalenz verunglimpft wie der kleine Barde im Asterix, hey, bindet sie an einen Baum und knebelt das plärrende Biest, bis das Festessen der fundierten Standpunkte vorüber ist.

Der Zaubertrank war mir schon immer suspekt. Unangreifbarkeit, wer hält das schon lange aus? Jetzt aber riecht es nach Verlust und Abschied aus dem Kessel. Die Hüter der Moral werden noch viele Barden an Bäume binden, dabei hat der Zaubertrank des Mikrokosmos die Nase vorn, einfach weil er i s t…
während wir aus dem Topf rausklettern, uns ein bisschen breit machen und dann wieder reinfallen.
Die Kunst bestand schon immer darin, dieses Ding mit Werden und Vergehen nicht andauernd an sich rankommen zu lassen. Gegen das Verschwinden ankämpfen, ja.
Sich behaupten. Schwächere beschützen. Aber nicht, indem man andauernd nein sagt zu Wagnis und Wandel. Joseph von Eichendorff fällt mir gerade ein, aus dem Leben eines Taugenichts. Wir jedenfalls taugen nichts ohne Viren! Das hatte Eichendorff natürlich damals nicht so auf dem Schirm.

Ladybird hat eben ihren dritten Lieblingsbecher fallen gelassen. Sie war selbst überrascht von den Tränen, die ihr danach über die Wangen liefen, doch es war eben der dritte. Wenn der erste zerbricht, deklariert man einen neuen zum Favoriten.. und wenn dann der kaputt geht einen nächsten. Aber wie viele Becher kann man zerschellen sehen, ohne dass es sich wie ein Omen anfühlt? Beim dritten hat Ladybird geweint. Weil gerade so viel Kummer in der Welt ist und so wenig Liebling.