Donnerstag, 26. März 2020
(unten als Audio-Datei)
Bleib’ solo, Dein Aerosol kann womöglich töten.
Neue Phänomene: sich der eigenen Physis im Kontext anderer Körper auf eine Weise bewusst zu werden, die noch nicht eintrainiert ist. Gefahr, flüstern die neu aufgetauchten Experten, Gefahr, Gefahr, zieht euer Fleisch aus dem sozialen Körper zurück.
Wie viel Raumforderung stellt ein einzelner Mensch? Die dünneren bewegen sich eilfertig, tauchen unter Regalen, Schildern, auch unter den Alten und Schwerfälligen weg, dieses und jenes wird ratzfatz erledigt, während andere verlässlich wie Frachtschiffe ihre Bahnen ziehen. Die hab’ ich gerade besonders lieb.
Klar, den Alten helfen! Dass dazu explizit aufgefordert werden muss! Wir Jogger, das erweist sich unterdessen im Park, kriegen es einigermaßen hin, unsere schweißschleudernden Glieder auf Distanz zu halten, wir mit unseren Stretch und Beats-per-Minute- Playlists, trotzige Atmer, Auftreter, Abroller, die sich quer über’n Feldweg zunicken und denken:
yeah,
bloß nicht einknicken jetzt, gell. Weder real noch metaphorisch.
Zahlen, deren Gültigkeit schon im Moment des Aussprechens erloschen ist, schwirren durch die Kanäle. Ich seh’ Leute im TV, die vorher nur über Skype oder die Resopaltische ihrer Labore und Kantinen hinweg mit ihresgleichen gefachsimpelt haben, Leute, die neuerdings aus jenen No-Go-Areas vor die Kameras treten, für die man Tastenkombis an den Türen braucht. Infizierte Sprache: Jedes dritte Substantiv im Diskurs scheint durch Fachvokabular ersetzt. Wie schnell wir in Veränderungen katapultiert werden können, wenn nur genug Druckmittel da ist! Dabei war ich’s schon vor Corona leid, andauernd vor vermeintlichen Expertenmeinungen in die Knie zu gehen. Jetzt aber sind es gerade diese Gesichter, die es nicht gewohnt sind, in Kameras und Scheinwerfer zu schauen, auf die ich mein Augenmerk richte. Wie heilend so ein ungekünstelter Mensch wirken kann. Hatte das fast schon vergessen.