Hausmitteilung. Mittwoch, 13. April 2011

Sprechen Sie sie nicht an. Händigen Sie ihr Schriftstücke nicht persönlich aus; verwenden Sie die Hauspost. Versuchen Sie nicht, mit ihr Sichtkontakt aufzunehmen. Ignorieren Sie sämtliche hinter ihrer verrammelten Türe hervordringenden Geräusche. Betreten Sie keinesfalls die Aufzugkabine, sofern sie schon darinnen ist. Smirken Sie nicht. Hadern sie nicht. Morgen ist sie wieder wie neu.

Multilind. Dienstag, 12. April 2011

So heißt meine neue Creme. Ich wünschte, ich könnte sie auch inwendig auftragen. Lind. Tolles Wort. Sing’ meine Linde, kling’ meine Nachtigall, schrieb Astrid Lindgren. Der senegalesische Schriftseller, vorgestern in der Sonne, sagte von meiner Freundin, die hinter ihrer schwarzen Sonnenbrille daneben saß: “She’s a fighter”, und ich dachte nur, ja, toll, wenn es doch nur eine Kerze wäre, die wir von beiden Seiten abbrennen, bei vielen von uns sieht das Ding eher wie ‘ne Stange Dynamit aus. Immer kämpfen, und das dann auch noch überhöhen müssen. Lästig.
Wenn ich schon antreten soll, will ich zumindest hinterher so tun, als sei’s kein Kampf gewesen; ich will barfuß gehen. Ich liebe es, in Einigkeit zu arbeiten. Gestern schenkte mir C. ein Taschentuch aus feinstem Batist, sehr alt schon, mit Monogramm. Ich schnob hinein, dann steckte ich’s in meinen linken Ärmel, wie meine Großmutter früher. Ein Aufblitzen von Vergangenheit: ihre Seidenblusen, die schmalen Handgelenke, die Brosche.
C. lächelte: “Meine Mutter, nachdem ihre Haushälterin ihr von der Existenz von FKK-Badestränden berichtet hatte, fragte als erstes, ja, aber wo tun die ihr Taschentuch hin?”
“Im Ernst?”
“Ja.”
(Wo tat man sein Taschentuch im Krieg hin?)
(Die überleben uns locker, die Stofftaschentücher)
Simon Stephens, der Dramatiker, von dem ich gestern las; auch für ihn ist Arbeit gleich Kampf, und wehe, man schüttet nicht genug Kohlen nach. Was treibt ihn? Vielleicht das:
[…] “Ich sitze am Fuß des Turms der Dramatik und rufe hinauf: Wie einsam ist es dort oben? Und Beckett und Tschechow rufen runter: Du hast keine Ahnung. Der Schluss von Godot ist einer der Schlüsselmomente moderner Dramatik, wenn ich das sagen darf, ohne als prätentiöser Wichser zu gelten. Wladimir sagt zu Estragon: Gehen wir? Estragon sagt Ja. Und sie bewegen sich keinen Millimeter. Diesen Moment habe ich gestohlen und in ungefähr fünf Stücken verwendet. Er sagt alles über uns: Wir wissen, dass wir falsch leben. Der Kapitalismus wird uns ruinieren, aber wir tun nichts, um die Dinge zum Besseren zu wenden.” […]
Doch, tun wir! Ständig. Nur Nachlassen gilt nicht. Insofern: eben doch kämpfen. Aber möglichst so, dass genug Spiel übrig bleibt, nein, vielleicht geht sogar spielend kämpfen. Manchmal. Dann gibt’s auch Geschenke ; )

Hübsche Hoden. Sonntag, 10. April 2011.

Falls ich je sterbe und die Menschen, die mich lieben auch, darf mich der Rest der Menschheit vergessen. Ich muss keine Spuren hinterlassen, keine Nachkommen, kein Werk. („Jackpot!“)
Vor Jahren schon schloß ich die Birke vor meinem Fenster ins Herz, und eine Platane im elterlichen Garten, unter der liegt eine Handvoll Vater. Wenn die Platane ihre Bällchen produziert, mittels derer sie sich fortpflanzt, denke ich jedes Jahr: „Hübsche Hoden.“ Vater wäre entzückt. Ich fand’s schon immer zwiespältig, an Fleisch gebunden zu sein, ein unmerklich rottendes Heim. (Genießen Sie es! Bringen Sie es zum Duften!) Bäume durchlaufen den Zyklus jedes Jahr, Fleisch nur einmal. Mein Körper ist im Sommer angelangt, doch, was Bäume können, jedes Jahr neu aufwachen, kann er nicht, und mein linkes Bein? Nach dem Schneiden halb taub. Die menschliche Wirbelsäule ist kein Stamm, dennoch, jemand schnitzte mir seine Initialen in die Rinde. Beschweren geht nicht, bei wem auch, anderen geht’s so viel schlechter, nicht wahr. Wir haben den freien Willen – nein, der freie Wille hat uns: wir sind ihm aufgesessen. Wehe, wenn er doch nur ein Thekentrick ist.
Wir, als geistig, gesellschaftlich, orthopädisch Privilegierte, sollen nicht klagen, solange Freidenker und -innen Leib und Leben riskieren: woanders. Nur, das Relativieren greift auch zu kurz. „Legitimes Leid schlägt illegitimes“? Wer das Leid (oder die Freude) Anderer er-messen will, liegt oft daneben. Wir verfeuern unsere Blüten und hadern, wenn die Rauchsignale nicht gewürdigt werden, wir streben danach, anderen ein Begriff zu sein, künftigen Generationen. Bei mir kommt das an siebter Stelle, frühestens: Mein Talent findet jetzt statt, nicht im Weltkulturerbe. (Oder doch? Wird mich herzlich wenig interessieren, wenn ich Dünger für die Platane bin)
Stattdessen? Masterplan gibt’s nicht: Niemand steht am Ende Ihres Weges und kontrolliert Ihre Erledigt-Liste, bevor sie rein dürfen. Sie dürfen auf jeden Fall rein. Also? Weitermachen. Am besten, immer ein bißchen verschwenderischer, als man sich’s zutraut. „Darf ich Sie umarmen?“ rief ein Mädchen vor einigen Tagen nach dem Schreiben, „ich auch, ich auch“ schrien die anderen, die kamen dann alle gleichzeitig. Bevor sie in dem Loch verschwanden, das zur U-Bahn führt, hörte ich, wie die Frechste zu den anderen sagte: „Werdet erwachsen.“ Soll heißen: Macht euch nichts vor, Mädels, die Realität ist nicht so rosig, wie sie sich für ein paar Tage oder Wochen mit dieser Frau anfühlt.
Weitermachen. Und der Sehnsucht nach dem gemeinsamen Nenner nicht zuviel Raum geben, denn der tendiert dazu, immer so klein zu sein. Der Herdentrieb ist wirklich übel, aus dem entsteht weder Werk noch Verschwendung.

Sorry wegen des irreführenden Titels, übrigens. Alle, denen zum Sonntag ein Beitrag mit etwas mehr Sex gerade recht gekommen wäre, bitte die Zunge raus strecken. Für die Oblate ; )

Stars. Freitag, 8. April 2011

Meine girls

sind super! ; )

Und das sind nur eine Handvoll der wunderbaren Migs (ich nenn’ sie so; ich darf das), mit denen ich in den letzten Wochen und Monaten gearbeitet habe. Würde gerne noch mehr von ihnen zeigen, vergaß die übrigen aber zu fragen, ob sie einverstanden sind, veröffentlicht zu werden. Diese girls sind aus einer EIBE-Klasse (Programm zur Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt), andere Gruppen kommen aus Seiteneinsteiger-Klassen, sind noch ziemlich tapsig in Deutsch, wieder andere sind sehr, sehr begabt, Stipendiat:innen – die ganze Bandbreite eben. Hab’ ich’s schon erwähnt? Ich liebe meine Arbeit.

Transit. Donnerstag, 7. April 2011.

Morgen noch, dann ist die Frühlings-Seminarsaison erstmal abgeschlossen; zur Jahresmitte gibt’s die so genannten Sommerakademien, ab Herbst dann wieder volles Rohr. Heißt: Zeit zum Schreiben und Zeichnen die nächsten zwei Monate – einer davon in K****.
Kann’s noch nicht richtig fassen. Zudem schwirrt mir ein Vorhaben im Schädel, ein großes, ehrgeiziges, das eine Menge Vorarbeit benötigt; seit Wochen versuch’ ich’s zu verdrängen, weil damit eine Menge mehr Verantwortung einherginge, als ich zu tragen gewohnt bin, doch das Ding lässt mir keine Ruhe. Andererseits wäre ich im perfekten Alter für so ein Setting. (Neiiin, ich kann noch nicht darüber sprechen!)
Mit der Aussicht auf ungestörtere künstlerische Arbeit, immerhin, weicht die Anspannung. Man hält die ja meistens so lange durch, bis sie sich normal anfühlt. Bewährter Trick: ich schreib’ mir selbst Zettel (sehr dicker Edding) und hänge sie an Stellen, die mir täglich ins Auge fallen. (Meine momentane Lieblingsbotschaft: “NICHT EINKNICKEN, NICHT RECHTFERTIGEN!”) Ob Sie das, werte Leser:innen, glauben oder nicht, es hilft. Mir jedenfalls.
Morgen Abend reiße ich jedenfalls erstmal alle Zettel von den Wänden. Denn ab dann gibt’s für zwei Monate neben der künstlerischen nur noch die redaktionelle Arbeit für die Stiftung, die kann ich von überall machen.

Man muss aufpassen, dass man nicht trivial wird als Selbstständige. Ist so eine Nebenwirkung des Pragmatismus. Der Effizienz. Des ständigen aus allem das Beste rausholen, vor allem aber aus sich selbst: das schlaucht. Man möchte meckern, aber Meckern schwächt. Also weiter, und drüber, und drunter, und immer aus einem erfolgreich abgeschlossenen Projekt schon das nächste generieren. Man fängt an, Menschen nach ihrer Nützlichkeit zu beurteilen, obwohl man das früher an anderen immer verachtet hat – diesen Blick. Nein, so weit ist’s mit mir noch nicht gekommen, aber die Ratio hat mich phasenweise schon ganz schön fest an der Kandare, fester, als mir lieb ist. Ohne TT würde ich durchdrehen, im Ernst ; )
Mein momentanes Lohnarbeitsmodell hat, denke ich gerade, ein bißchen was von der guten alten Glühbirne: schönes Licht, aber viel in Abwärme fließende Energie. Ich bin erfahren, beliebt bei meinen Arbeitgebern, liefere zuverlässig auf sehr hohem Niveau, doch der Aufwand, den ich für mein Patchworkmodell betreibe, ist unverhältnismäßig hoch. Finde ich. Auch darüber werde ich in nächster Zeit nachdenken.

Soso. Lala. So lala. Dienstag, 5. April 2011

(Writers blog block, ff.)

14:51
Entwarnung: es g i b t gar keine Blogs von Autor:innen, zumindest nicht von “richtigen”, wie die Süddeutsche Zeitung frisch verkündet, und zwar hier. Sieht so aus, als könne TT – da unbemerkt – dementsprechend auch völlig ungestraft weiter vor sich hin blockieren! Uff.
Immerhin, der Schreiberling kann nicht umhin, Hartmut Abendschein und Christiane Zintzen lobend zu erwähnen, die mit litblogs.net Gastgeber:innen von “gut zwei Dutzend avantgardistischen, sperrigen, oft einfach grandios verstiegenen literarischen Blogs” seien.
Ich selbst bin ja zur Zeit offiziell schreibgestört, doch wer Lust auf Diskussion hat – ANH schnappt nach, Ring frei also für Freund und Gegner. Hier.

Writers Block. Sonntag, 3. April 2011

An diesem ehrlichen Sonntag ist’s nun vorbei mit den Ausreden: TT kultiviert eine Schreibblockade. Und so sehr sich die Verfasserin gewünscht hätte, der Sache Herrin zu werden, bevor sie allzu offensichtlich wird, es will ihr nicht gelingen.
Nun wird man sagen, die Weltlage mache ihr zu schaffen. Das Wetter. Die Physis. Die Kunst. Und die Seminararbeit! Wie sehr sie die in Anspruch nimmt. Dazu ein überbordendes Privatleben. Und so viele Triebe, mon dieu, dass von einem ordentlichen Gehege lang schon keine Rede mehr sein kann – von der Liebe, der einen und der anderen (die mir mehr Textfenster leer fegt, als Sie sich vorstellen können, geschätzte Leser:innen) ganz zu schweigen.
Das mögen Gründe sein, gute aber nicht, denn all diese Einflüsse sind der Verfasserin dieser Zeilen nicht neu, und im Normalfall bringen sie ihre Finger mächtig in Bewegung. An was es wohl liegen mag, dass die nun auf der Tastaturin liegen, als wollten sie dort fest wachsen? Muss sie erst ein Rätsel lösen, bevor – ? Ein Labyrinth durchqueren? Einen Drachen besiegen? Ach, K****! Noch fast vier Wochen! So lang will ich nicht textlos dahindämmern!
Falls jemand Rat weiß, eine Pille hat, oder mich per Fernhypnose wieder freischalten kann – ich zahle bar : )

17:06
Süße, um Nachsicht heischende Maus bittet um Geduld wegen akutem Schreibblock.
Nachsichtiger Schreibblock heischt putzige Maus um Geduld bitte (akut).
Passable Nachsicht hat der Schreibblock mit der Sätze fuchtelnden Maus, bitte Geduld!
Diminuierte Maus schreibt trotz akutem Schreibblock in Tabu schonender Nachsicht.
Oder so.