TTag, 16. Juli 2010. Vegetativ.

Sie sehen mich, werte Leser:innen, weil eine aus dem Topf herauswachsende Aloe über den Tisch hingebreitet, grünarmig und voller Stacheln, aber anmutig. So lange Arme wie heute hatte ich noch nie.
Ich ziehe Feuchtigkeit aus der Luft.
Ah… tut das gut.
Zusätzliches Gießen fördert meine Heilkraft.
Sie können’s ja mal ausprobieren ; )

TTag, 15. Juli 2010. First smile.

Eigentlich hatte ich mir gestern vorgenommen, auf jedes Gastgedicht ein Antwortgedicht zu schreiben, hab’ ich aber nicht geschafft… Sie sehen mir das sicher nach. Spät nachts kamen dann noch einige schwer benebelte posts und ein Limerick. Jetzt zuckts mich natürlich in den Fingern, das “Dichten kurz vorm Hitzeschlag” heute mit Limericks fortzusetzen.
Mal sehn – eigentlich ist zu viel zu tun. Andererseits hab’ ich den Verdacht, dass Reimen sich positiv auf andere Arbeitsprozesse auswirkt. Im Ernst! ; )

Mist. Heute liegt wirklich viel Arbeit an. Ich glaub’, ich leg’ mal los. Das erste Lächeln des Tages lässt noch auf sich warten.

TTag, 14. Juli 2010. Slow motion. (slow ocean wäre besser)

Guten Tag. Jetzt hab’ ich aber wirklich d e n Trick, bei diesen Temperaturen nachts schlafen zu können: Haare waschen (je mehr man hat, desto besser), nur ganz sachte das Wasser herausdrücken und dann mit ihnen, nass, wie sie sind, zu Bett gehen. So hat das Haupt die ganze Nacht durch Kühlung, und man kann beim Aufwachen ein Gehirn begrüßen anstelle eines Eierstichs. (An meine jüngeren Leser: Das ist ein merkwürdiges Gericht, bei dem man verrührtes Ei mit Gewürzen und Milch in einer Porzellantasse in einem Wasserbad stocken lässt, um es anschließend in Würfel zu schneiden. Unsere Großmütter liebten das Zeug, meine zumindest hatte geradezu einen Eierstichfetisch)
Nun denn.
Mit meinem wilden, da über Nacht in alle Richtungen getrockneten Haarschopf bin ich bereit und willens, mich den laufenden Aufgaben zu stellen. Ah! Mein Drucker ist verreckt. Also neuen kaufen. Ohne Drucker kann ich weder meine Jobs vernünftig machen (das papierfreie Büro hat sich bei mir noch nicht durchgesetzt), noch Scans von Zeichnungen, die ich hier auf TT einstellen will.

Ach ja, einer Merkwürdigkeit ist nachzuspüren: vorgestern Nacht hat jemand Kommentare hier gelöscht, und zwar weder ich, noch derjenige, der sie eingestellt hat. Der Betreffende beklagte sich -zu Recht- am nächsten Morgen per Email bei mir, er sähe keinen Grund für meine Löschungen. Ich schrieb zurück, ich sei das nicht gewesen. Er: ich auch nicht.
Hm.
Ich erzähle Ihnen das nur, weil es mich beunruhigt. Falls Sie, liebe Leser:innen, in nächster Zeit hier etwas schreiben, das dann plötzlich weg ist, bitte ich Sie, mir keine Löschlaune zu unterstellen, sondern mir über Email Bescheid zu geben! Die steht im Impressum. Ich lösche nämlich höchst selten. Die Vorstellung, dass es jemand an meiner Stelle tut (und dazu in der Lage ist), finde ich äußerst irritierend.

L. hat übrigens geschrieben. Ihr Brief brach aber just an dem Punkt ab, an dem es spannend wurde, wie ich fand. Ich hab’ also beschlossen, auf die zweite Hälfte zu warten, bevor ich ihn hier einstelle. Ihr Dr. Sago jedenfalls wird zusammenzucken, wenn er ihn liest – ich bezweifle, dass er seine Patientin auf Dauer wird so beeindrucken können, wie er das bisher gewohnt war.
Hoffen wir nur, dass Sie weiterhin Neigung verspürt, ihn und uns brieflich an ihren Erlebnissen teilhaben zu lassen. Abnabelungsprozesse sind so eine Sache, da reißt der Dialog durchaus auch mal ab. (Na, auf L.’s Mitteilungsbedürfnis ist im Grunde Verlass. Hoff’ ich)

Ich würde gerne etwas über Überforderung schreiben, vielleicht sogar als Teil eines Texts über das Lügen, den ich angefangen habe. Da ich momentan hitz’bedingt aber nur über zwei Drittel meiner Denkleistung verfüge, kann das noch dauern. Hab’ ich schon erwähnt, dass ich diesen Sommer großartig finde? Und mit zwei Dritteln kommt man doch auch voran. Wenn auch in slow ocean.
In K übrigens ist von eins bis fünf Uhr nachmittags Arbeitspause. Die machen’s richtig. Seufz.

16:07
Auf jetzt! Nicht einknicken! Dichten!

TTag, 12. Juli 2010. Kellerassel müsste man sein.

Genau so hatte ich’s mir vorgestellt: seitdem ich zurück bin, ist kein freier Strich und keine außerjobmäßige Textzeile entstanden. Von den wenigen hier auf TT abgesehen. Na gut. Eine Woche ist noch kein Drama. Liebend und lachend war mein Ankommen, mein Gefährte erfand Dutzende neuer Geräusche, die Freunde hatten allesamt dieses Strahlen im Gesicht, das mir immer von neuem sagt, ja, das ist meine Stadt, hier leben fast alle, die mir nah und wichtig sind. Wahlfamilie. Wäre meine Schwester noch hier, es wäre perfekt.
Dennoch, ich vermisse K****. Meine Parallelwelt. Die Freizügigkeit, die mein Denken und Empfinden dort hatte.
Hab’ noch nichts zu berichten heute. Muss und werde mich in ein neues Projekt einarbeiten, das die Stiftung fördert, schon jetzt kleben die Unterarme am Schreibtisch. Egal, das Gehirn surrt einigermaßen zuverlässig. Sehr intensive, bildreiche Träume schickt es mir, als wolle es mich wenigstens nachts in die Regionen entführen, die mir dort auch tagsüber zur Verfügung standen.
Wenn es mir gelingt, mich die nächsten Stunden gut zu konzentrieren, kann ich heute Abend ins Atelier… drücken Sie mir die Daumen, liebe Leser:innen.

11:28
Übrigens – drüben bei Eugene Faust gibt’s Eisberge! : )

15:26

TTag, 9. Juli 2010. Von der Kargheit.

Wortkarg.

23:08
Ich hatte es heute morgen gespürt: das wird so ein Tag, an dem mir jedes Wort schwer fällt. In K**** hab’ ich an solchen einfach geschwiegen. Ging heute nicht, gestern nicht, eigentlich gar nicht, seitdem ich zurück bin. Ich weiß schon, warum ich mir das Schreiben als Metier ausgesucht habe: man muss nicht sprechen dabei. Ich gehöre zu den Leuten, die mitten in einem Zusammensein mit anderen plötzlich denken, sie wären vielleicht, doch, ganz sicher jetzt gerne allein.
Schon merkwürdig, das sieht mir keiner an. Wie gerne ich für mich bin. Ich wirke wie jemand, der Gesellschaft genießt. Tu ich auch; doch nach zwei, drei Stunden Reden kommt eigentlich immer dieser Impuls, mich zurück zu ziehen, zu lesen, die ganzen Worte sich setzen zu lassen. Am liebsten mag ich Zweiergespräche. Oder indirekte, schwebende, so wie hier. Gruppen strengen mich an. Stimmlagen. Meine nahen Freunde haben alle gute Stimmen, das ist kein Zufall.
Den gestrigen Abend verbrachte ich mit einem, dessen Stimme allein mich an so etwas wie verschont werden glauben lässt. Ich las ihm aus den L.-Briefen vor. Gut, sagte er, die Figur, die Sprache, das ist intelligent gemacht und stilistisch aus einem Guss. Weiter machen. Wie viele hast Du.
Zwölf, sage ich. Zwölf Briefe bisher. Doch ich brauche spezielle Bedingungen, um an so einem Text zu schreiben. Hier fällt es mir schwer, mich zu konzentrieren und einzulassen auf so eine längere Arbeit.

Bin müde.
Verbringe die Nacht heute auf dem Land. Überall ums Haus quakts und zirpts; ein Dutzend kleiner Flugsauger haben schon an mir zu Abend gegessen. Jetzt sind die abgezogen, hoffe ich, zum Verdauen. Nur die grüne Schmeisse kreist noch hektisch hier rum, setzt sich, putzt sich die Flügel und saust wieder los. Die pennt aber ein, sobald ich das Licht ausmache; ich kenn’ das schon.

Schlafen Sie gut, Leser:innen.
Ich empfehle Leinenbettlaken für die Nachtruhe – bekam vorhin eins übergeworfen. Es riecht nach Schrank. Muss mal Lavendelöl hierher mitbringen.

TTag, 8. Juli 2010. Sich instand setzen.

Erstmal erledigen, was dringend an Auftragstext zu tun ist.
Zitronenmelisse auf die Hände sprühen.
Nackte Fußsohlen auf den Boden.
Die Wirbelsäule spüren.
Hals in den Himmel.
Gehirn begrüßen.
Kaffee.
Los!

Das mit dem Hals in den Himmel klappt nicht immer…

13:10
Selbst das Netz ist heute wie Gallert: nichts tut sich. Was’n los? Alle in Schockstarre wegen des verpassten Finale?

17:32
Ja, es gibt noch ein paar Punks im Stadtteil. Sie sitzen da vor dem rewe in der Sonne und sind blutjung und sehr höflich. Ich weiß weder, warum sie (äußerlich) Punks sind, noch, warum sie glauben, das sein zu müssen. Sollte ich das wissen wollen? Keine Ahnung. Ich geb’ ihnen meistens was. Schon allein als Ausgleich für die wirklich entsetzlich dummen Kommentare, mit denen sie von vielen Passanten bedacht werden.
Sind wir jetzt schon zu arm, ein paar Punks mit durchzukriegen, oder was? Wer partout nicht arbeiten will, sollte nicht arbeiten müssen, wer bettelt, sollte nicht auf irgendeinem Instrument rumklimpern müssen. Blödes Getue immer, dass man nur den Bettelnden etwas gibt, die etwas “dafür tun”. Oder nur, wenn sie keinen Alkohol kaufen. So ein Quatsch.

TTag, 7. Juli 2010. Antiaskese.

Ich möchte, nein muss etwas über Freundschaft schreiben. Genauer gesagt, über Freundinnen.
Leider wird das nicht gehen. Nicht, solange ich keine Form gefunden habe, sie zu schützen. Diese eine. Sie ist nämlich ein Biest! Ein tolles, liebevolles, cholerisches Biest, das im Ernst glaubt …
aber wie gesagt, es geht nicht.
Mir fällt aber bestimmt etwas ein später. Bis dahin empfehle ich in Sachen Freundschaft die Gleisbauarbeiten.
So kann man das machen, weil die Autorin die Freundin, die sie da beschreibt, ganz wundervoll findet – nur an ihrem eigenen Verhalten findet sie einiges auszusetzen. Solche selbstkritischen Betrachtungen brauchen weder Formalisierung noch Fiktonalisierung; man schreibt sie einfach hin und decouvriert dabei allenfalls sich selbst.
Wenn die Kritik aber mal (ausnahmsweise, die wir ja alle Meister:innen darin sind, die “Schuld” immer bei uns selbst zu suchen), wenn also die Kritik wirklich mal beim Gegenüber landet, ist Diskretion angesagt.
Ich meine nicht, keine realen Namen zu nennen: das ist Pillepalle! Eh klar.
Nein, es geht um Form. Um Übersetzungen von Übersetzungen, bis eine private Aussage (oder eben auch Kritik) ihren Tagebuchcharakter und damit das persönlich verletzende verliert.
Nun interessiert mich aber das Private.
Ich arbeite so, ich bin keine sonderlich abstrahierende Person, ich bin üppig.
Insofern kommt es mir darauf an, mir nicht aus Gründen der Diskretion oder Etikette Ausdrucksmöglichkeiten zu beschneiden und Tabu-Bereiche einzurichten. Ich will hier schreiben wie mir der Schnabel. Die Idee von Verzicht ist mir zutiefst fremd.
Asketen aller Länder, h i e r bin ich!!!

Anyway, viele Worte, keine Lösung.
Noch nicht.

14:09
Ich könnte schwören, die Uhr in K**** hat anders getickt. Bin schon wieder in Hektik.

23:28
Der Plural von “Lapsus” (ich schlug’s eben nach) ist ebenfalls “Lapsus”, mit langem “u”.
(Diese Recherche ist nun keineswegs auf den Ausgang des heutigen Spiels zu beziehen)