TTag, 6. September 2010. Yelp.

Hab’ Computerstress. Das Ding, ausgerechnet, da mir eine höchst arbeitsintensive Woche bevorsteht, lässt mich nicht ins Netz: kann den Server nicht finden, behauptet es. Dabei hab’ ich nichts, wirklich gar nichts an irgendwelchen Einstellungen verändert. Jetzt hab’ ich mir diesen Web-Stick besorgt, dessen Datenübertragung aber viel zu langsam ist.
Anyway, liebe Leser:innen, ich hab’ keine Zeit, mich darum zu kümmern, muss mit diesem Provisorium zurande kommen. Melde mich später zurück, wenn die dringlichste Terminarbeit erledigt ist –

14:42
Manchmal steht man eben einfach wie der

vorm Berg.

(den Berg zu zeichnen, fehlt mir grad’ die Zeit : )

TTag, 1. September 2010. Back to basics.

Guten Morgen!
Hab’ mal wieder einen Werbejob “auf” meinem Lieblingskunden. (Man sagt “auf” einem Kunden texten, was mich schon immer amüsiert hat.) Kommt mir sehr gelegen, ist aber wie immer dringlich, also los. Bis später : )

19:08
So, fertig und abgeschickt. Derweil plagt mich aber ein solcher Allergieschub, dass ich kaum noch aus den Äugelchen gucken kann. Sehen Sie’s mir nach, dass ich dieser Tage so knapp bei Wort bin; es beutelt mich gerade. Ist nicht das erste Mal, aber immer wieder beeindruckend, was der Körper so aus dem (der?) Lameng an Allergiesymptomen hochfahren kann. Nein, ich mosere nicht, kein Stück, niemals, vielleicht ein bißchen… ; )
Das Wort “verdrossen” wäre in diesem Zusammenhang sicher nicht unangebracht.
Und hier verschwimmelchen die Buchstabelchen.
Also Schluss!

TTag, 28. August 2010. Versuch über die Dringlichkeit.

Ereignisse sind neutral, Ereignisse schaffen ist es nicht. Manche züchten die Taube mit gekringelten Federn, andere den Aidsvirus, irgendwo wird geboren, woanders mühsam oder schnell gestorben. Einer erholt sich. Hochwasser spült Leute und ihr Habe über die Straßen, dort hinten lässt jemand seine Yacht auslaufen. Wo ist der Wert der Ereignisse? In welchem Moment findet er statt? Und kann im nächsten verschwunden sein, während ein anderes gewinnt. Der Wert strategischen Handelns wird überschätzt. Alles sehr verwirrend. Fragen Sie mich bloß nicht nach einer klaren Aussage: würde mich komplett überfordern.
In einer Dokumentation über das Leben von Mutter Theresa, die ich vor Tagen sah, kamen Menschen zu Wort, die mit ihr gearbeitet haben in den Häusern. Else Buschheuer war auch dort, später. Die heilige Mutter sei ein Hardliner gewesen. Es gab diese Regeln. Kein warmes Wasser, kaum Schmerzmedikation, nichts war steril. Geld war längst genug vorhanden, nichts änderte sich. Moderne Geräte nicht willkommen. Alle steckten sich mit allem an. Schmerz bringt Dich näher zu Christus. Steh nicht vom Bett auf.
(Wie neutral ist das? Nicht sehr)
Ich stecke mein Haar hoch, während vor einem Pflegeheim in Kalkutta ein LKW mit Reis verschwindet.
„Ich könnte die gleiche Arbeit auch zuhause machen, da gibt es genug zu tun“, sagt die junge Italienerin.
Sehen Sie bitte in die Kamera.
Sie schiebt sich das Stirnband über die Locken. „Und effektiver“, sagt sie.
„Werden Sie zurück kommen?“
„Nein. Man ändert hier nichts.“
Sie reisen an, um zu helfen, immer noch. Jeden Tag. Sie sprechen die Sprache der Kranken nicht, wie auch. Sie ermächtigen sich, Hilfe zu leisten, Blicke, Mullbinden, Essnäpfe im Einsatz, auch Skalpelle.
„Manche der Freiwilligen nehmen Eingriffe vor.“
Sie beherrschen es nicht, doch sie ermächtigen sich. So, scheint mir, ist das. Anders, glaube ich, passiert nicht viel. Es handeln nicht nur jene, die wissen, was zu tun ist: es handeln alle, die von Dringlichkeit getrieben werden, welcher auch immer. Dringlichkeit ist eine Droge, an deren Anbau uns niemand hindert. Also los. Lassen Sie uns schaffen.
(Wer dringend will, bleibt im Schatten liegen. Wer weiß, wozu es gut ist.)

TTag, 27. August 2010. Unwirsch.

12:10
Ich stelle gerade für mein nächstes Seminar Kreatives Schreiben eine Liste toller URL’s zusammen. Teilnehmer:innen sind Stipendiaten zwischen siebzehn und zweiundzwanzig, Herkunft cross-culture.

Suche nach websites, die für junge Schreibende interessant sein können – vielleicht haben Sie ja zufällig einen Tipp?
Oder kennen Sie sites, die experimentelle Sprache anbieten? Nur eben nicht z u abgehoben.
(Und vielleicht wissen Sie zufällig von einer site, die anbieterunabhängig leicht verständlich erklärt, wie man sich ein weblog bastelt…?)

Grüße von Schreibtisch zu Schreibtisch ; )

19:30
Jenen, die hier und per mail zu meiner Liste beigetragen haben: danke!
Jemand, übrigens, sollte sich auch ums Wetter kümmern, bevor’s zu spät ist. Bitte abstellen. Das gesamte Wetter.

22:30
Eben fällt mir auf, ich hab’ die letzten Tage tendenziell ziemlich grantige Stimmungen hier vorgegeben, doch niemand von Ihnen scheint sich angesteckt zu haben.
Ich erkläre dies zur guten Nachricht des Tages.
Viele hatte er nicht zu bieten.
Stop, Phyllis, Du meckerst schon wieder. Streng’ Dich lieber mehr an.
Bei was?
Bei allem.
Nein.
Wie, nein.
Einfach nein.
Trotzkopf.
Mir egal.

Keine Angst, ich schließe, obwohl ich so babbelnd noch einen Meter weiter machen könnte. Die Marbach-Leute werfen mich sonst aus dem Archiv.

TTag, 25. August 2010. Touch me.

“Mir geht’s gut, ich brauch’ ihn nicht mehr. Willst Du meine übrigen Termine bei ihm haben?”
“Ich hab’ meine Spezialisten gerne in Reichweite, achzig Kilometer, ich weiß nicht…”
“Probier’ ihn einfach mal aus. Was er macht, ist ziemlich beeindruckend.”
“Du willst ja nur, dass ich danach zu Dir zum Kaffee komme.”

Guten Morgen.
Eigentlich steht heute zu viel Arbeit an, doch der Mann soll Wunderhände haben.
Hmmm.
Ich schwing mich mal in den Sattel.
Autsch.
Bis später : )

16:48
Der wohltuende Effekt jeder manuellen Therapie erlischt, wenn man auf dem Hin- und Rückweg zu ihr im Stau steht. Arrgh.

18:56
Tag fast ohne Worte. Die haben andere heute. Und wie.

TTag, 23. August 2010. “Heul doch.”

Das schrieb ein alter, lang schon verstummter Freund gestern auf facebook unter den link zu meiner Schlingensief-Zeichnung.
Der Sauhund, dachte ich. Und löschte, wütend, link und Kommentar.
“Dieses kollektive Trauergeschluse auf FB ist schlicht widerlich und nervt” kam noch als email hinterher.
“Stimmt”, schrieb ich zurück. “Trotzdem. Ich bin keine Tussi.”
Heul doch. Das ist ein Kindersatz. Bis gestern hatte ich ihn ganz vergessen. Passt.

Guten Morgen.

15:11
Meine Seminar-Flipcharts sind völlig hinüber. Male gerade neue, die Herbstsaison startet bald. Warum ich so gerne mit jungen Leuten arbeite? Sie sind noch nicht gewieft.

Das Tainted Talents Wort zum Sonntag, 39. Ein Plädoyer für das Irgendwie.

Lang ist’s her, dass die Erwachsenen im Hause Kiehl ihrer pubertierenden Tochter bei Androhung – nein, gelogen – also bei Nichtandrohung von Strafe verboten, das Wort “irgendwie” häufiger als zwanzigmal täglich in den Mund zu nehmen. Was mir damals krass schwer fiel, denn es gibt keinen Ersatz.

Teenagern will und muss man vieles nachsehen. Doch ich hab’ schon die ersten grauen Haare, (die natürlich weggefärbt werden), stelle aber fest, das irgendwie hat sich wieder eingeschlichen. (Ebenso wie das “krass”, auf dessen wieder vermehrtes Auftreten in meinem Sprachgebrauch mich kürzlich jemand aufmerksam machte, doch dazu später)
Bin auch nicht die Einzige, übrigens, mit dem irgendwie. Melusine wollte es gestern gar wieder unter Strafe stellen, doch ich glaub’, das ist Herumhantieren am Symptom; es erfüllt ja einen Zweck. Und es gibt eine Wurzel für das Übel. Der kommt man nicht bei, indem man die Symptome unterdrückt. Wissen wir ja.

Sie merken, geschätzte Leser:innen, ich stochere mal wieder. Bin noch nicht ganz wach. Der Brombeerschaumweinschnaps von gestern hängt mir tief in den Zellen, vor allem den grauen. Um ehrlich zu sein, für ein ernstzunehmendes Plädoyer fehlt mir momentan noch die Kraft.
Ich kann also nur verkünden, es sollte eines her! Denn das irgendwie ist gar nicht mal so übel. Es verdeutlicht, der Sprechende befindet sich noch in der Findungsphase seiner Überlegungen. Der Gedanke ist noch nicht ausgegoren, doch er möchte trotzdem gerne beitragen, zu welcher Diskussion auch immer. Nur hab’ ich die Erfahrung gemacht, wenn ich warte, bis meine Erkenntnisse hieb- und stichfest sind, gehen viele Gespräche dahin, ohne dass ich ein einziges Gedankchen beigetragen hätte.
Ich bin sehr oft unschlüssig.
Und wenn ich mir sicher bin, gelegentlich mal, bin ich mir so extrem sicher, dass ich die Notwendigkeit des Diskutierens nicht mehr ganz einsehe.
Alles zwischen diesen Polen von Unschlüssigkeit und Überzeugung lässt sich mittels des “irgendwie” noch wunderbar in der Schwebe halten. Was zum Gelingen eines Gesprächs durchaus beitragen kann.

Ach, gerade überlege ich’s mir anders. Ich bin plötzlich doch dafür, das irgendwie unter Strafe zu stellen, meine Argumentation hat mich nicht überzeugt.