TTag, Montag, 25. Oktober 2010. Eilend.

Tja, das wars dann wohl mit der ruhigen Phase. Stelle fest, hab’ doch einiges verbaselt in meiner Abwesenheit (wo kommt der Ausdruck eigentlich her, keine Zeit, das zu recherchieren gerade), die Liste der zu erledigenden Dinge labbert über die Schreibtischkante fast bis runter auf den Teppich.
Grrr.
Ach, L., ich beneide Dich!

11:00

Ungefähr so fühlt sich’s, ja:

(Das ist das Motiv auf meinem aktuellen Geschirrhandtuch, thanx to semioticghosts : )

11:35
Mein Roman Fat Mountain im literarischen Salon der Artissima in Turin!
(Aber warum gibt’s bei amazon nur “used copies”???? Beim Verlag nachhaken)

I am writing in regards to the curatorial programme of the Artissima, the international art fair in Torino.
I am in charge of producing a literary salon curated by Vincenzo Latronico, which will also include a “book show” by Maria Fusco: she would like to show Fat Mountain scenes by Kiehl.
I wonder whether I could buy two copies directly from you, as I only found used copies on amazon, from different countries.
Thank you for letting me know if we can proceed in this much more convenient way.

Best regards,
F. B.

17:08, Selbstgespräch
Bin so schlaff
so schlaff
ach so
schlaf

TTag, Samstag, 23. Oktober 2010. Antizyklisch.

Ein wenig irritiert mich, dass mein unmittelbarer Nachbar, der noch im Juni fünfmal täglich mit Inbrunst die Stimme zum Gebet erhob, diesmal so gar keinen Mucks von sich gibt. Anwesend ist er, aber eben stumm.
Morgen reise ich ab, doch der nächste Aufenthalt schwebt schon fest.
Viel zu tun noch heute, da liegen drei unfertige Zeichnungen. Geputzt muss auch werden. (von Hand, falls Sie fragen wollten, Frau Sowieso: die Wombats fliegen nicht gern)
Also los.

Bis später.

12:02
Der Regen ist ein Punk
er fällt so hart heute
als wolle er jeden Tropfen einzeln in die Dächer nieten.

19:25
So. Geputzt und gewaschen ist, zwei Paar Schuhe (jaja) hab’ ich noch gekauft, ein Schwätzchen mit dem Boutiquendame gehalten (“Ich liiiebe Ihre Zeichnungen”, sagt sie, “besonders die mit dem abgeschnittenen Kopf!”), eine geheimnisvolle Soße in einer Flasche gekauft (die so sündhaft teuer war, dass ich sie wohl nur tröpfchenweise einsetzen werde), das Telefon beim Saugen vom Tischchen gefegt, festgestellt, es ist kaputt, in die Stadt gerast, um ein neues zu kaufen (erfolglos, die Geschäfte haben schon geschlossen), gelüftet, dann die ganze Bude mit Papier d’Armenie ausgeräuchert (die absolut besten Duftblättchen der Welt, da können Sie jedes Räucherstäbchen wegwerfen, ich hab’ immer ein Heftchen davon einstecken, wenn ich reise),
was noch,
meiner wundervollen abwesenden Gastgeberin einen welcome back Brief geschrieben, die Lampen alle wieder dahin geräumt, wo sie ursprünglich standen, bevor ich hier meinen Arbeitsplatz einrichtete, nackt rumgelaufen und in alle Spiegel geguckt, ob noch alles dran ist (oder nicht doch ein bißchen mehr als nötig), gebadet, gymnastiert, einen absolut undefinierbar schmeckenden Brei gegessen, diskret gefurzt und
Schluss jetzt

TTag, Freitag, 22. Oktober 2010. Moderne Tabus.

“Alles wäre leichter, wenn wir einfach zugeben dürften, dass es nie aufhört, schwer zu sein.”

11:40
Sprachs, und

15:02
Parfümöl erworben. Sie werden sicher verstehen, warum:

18:24
Das Parfüm, Himmel hilf, macht alle Flugsauger verrückt, sie kommen von nah und fern.
In mir keimt der Verdacht, “Do it!” bezieht sich nicht auf das, woran ich zuerst dachte, sondern auf das, woran ich jetzt denke. Um’s mal präzise zu sagen.

00:10
Zweitletzte Nacht in K****. Nein, sagen Sie jetzt nichts.

TTag, Donnerstag, 21. Oktober 2010. Count-no!-down

Warum lassen Sie mich eigentlich immer diese falschen Datumsangaben machen, liebe Leser:innen, haben Sie denn g a r kein Verantwortungsbewustsein? Eben erst hab ich das Datum des gestrigen Eintrags korrigiert, er hinkte um einen Tag der Realzeit hinterher. Ich vermute fast, Sie machen das mit Absicht. Soll se doch, scheinen Sie zu denken, was komm’ts für die da in K**** schon drauf an, was für eine Zahl über ihren Texten steht. Nix da! Diese Dinge sind nicht egal. Fragen Sie On Kawara.

Drei Tage bis zum Abflug. Ich schreibe das, um es sofort wieder zu vergessen; ich hasse Countdowns. Zeichnen will ich, der nächste L.-Brief reckt schon die Fingerspitzen aus dem Monitor (wohlmanikürte, im Gegensatz zu meinen) und eigentlich soll auch … doch nein, darüber besser nicht sprechen. Ah, dieses Ziehen –

(Wie finden Sie eigentlich mein fröhliches Opfer?)

Bis später, allerseits. Weitermachen.

12:42
Der Flaum der Tage.
Für einen kurzen Moment: verliebt.
Ins da sein.

22:24
So schwach die Verbindung ins Netz heute Abend, ein winziges Strichelchen, bin gehandicapt. Sehen Sie es mir nach, liebe Leser:innen – schnell im Reagieren werd’ ich heute Abend nicht sein, das Ding verlischt ständig. Ah, ich liebe Zeichenstifte, das analoge an ihnen ; )

TTag, Mittwoch, 20. Oktober 2010. Opfern.

[…] Es ist uns so wenig verständlich geworden, daß es Opfer kosten sollte, wenn man etwas Bestimmtes will… will, Leserin, Leser, will – und dafür einsteht, selbst wenn es das Leben kostet. Wir möchten es, alle, ach so bequem. Bekommen’s, und nichts ist mehr wert. Das Bewußtsein, daß etwas Risiko sei, wird ersetzt durch das Wissen, daß es was kostet. Das Bewußtsein, daß etwas Anstrengung sei, Kraftaufwand, Energie, wird ersetzt durch die Sicherheit, daß es was kostet: Geld, nicht etwa Seele; Geld, nicht etwa körperliche Einbuße; Geld, nicht etwa Wagnis. […]

Auch wenn es ein Mann ist, der das Wort in den Mund nimmt, und männliche Beispiele anführt als jene, die Opfer bringen, gebracht haben, um Wert zu schaffen: ich denke unwillkürlich, alle Frauen wissen, von was er da spricht, auch wenn sie’s, wenn sie auch nur ein bißchen Lebensglück haben, nie Opfer nennen würden, vielleicht sich selbst, doch nie ihren Kindern und nicht der Welt gegenüber.
(Ich lass’ den Bauch mal beiseite – zum Empfangen und Gebären hat Melusine bedenkenswerteres zu sagen und Sie alle, werte Leser:innen, die Mütter sind)
Wir kaufen uns also unsere Lebnisse, statt sie zu er-leben, sie im Schweiße unseres Angesichts dem Gehirn, dem Körper zu entreißen, und wo dieses Wagnis nicht enthalten ist, entsteht kein Wert. Wo Behaglichkeit ist, entsteht kein Wert. Wo etwas leicht zu haben ist, ebensowenig. Wo für das Ersehnte kein Schaden an Leib und Seele “in Kauf” genommen wird, entsteht kein Wert.
Beispiele dafür gibt’s zu Tausenden. Und doch würd’ ich lieber ersticken, als das Wort in den Mund zu nehmen: Opfer. Sie sind unausweichlich, doch warum darüber sprechen? Gesprochen wird immer nur zum Zwecke der Manipulation. Wer will, soll sie erbringen, für den Everest, das Meisterwerk, den Weltruhm. Die Idee, etwas zu schaffen, das die eigene Lebensspanne überdauert. Unbedingt! Wir wären schrecklich dran ohne die Unbedingten. Als Waffe eingesetzt find’ ich’s allerdings problematisch – immer geraten da jene ins Hintertreffen, die den Weg geringeren Widerstands gehen wollen (oder nicht anders können): die sind für Opferbringer:innen die reinste Provokation. Denn mit dem Opfer geht gerne einher ein fieser Kandidat: Das Recht.
“Ich hab bitter bezahlt. Die Ware steht mir zu.” Doch was ist die Ware – und wer handelt mit ihr? Und wird sie nicht ebenso gerne als Statussymbol vor dem Publikum geparkt wie der Lamborghini des Neureichen vor dem Café?

Es ist im Sprachgebrauch eh nur noch die Hälfte vom Opfer übrig, und jene andere, die immer unsichtbarer wird, lässt mehr in mir anklingen:
Gabe.
Darbringen.

Fließen, nicht reißen.
Geht das?

13:34
Drüben in die Dschungel hat eine gewisse Edith88 unter ANH’s heutigem Reiseeintrag eine Attacke gegen mich geritten.
Interessant – was haut die Frau nach mir, ohne dass ich sie provoziert hätte (?) (Edith? Wo sind Sie? Kommen Sie zu uns! : )
Ich musste einfach antworten, die Sache hat mich irritiert amüsiert.
Immerhin – Frau 88 hat einen Impuls ausgelöst, der mich nur selten überkommt – mir einen neuen Nick zuzulegen:
Dr. Lola Stein.
(Marguerite Duras Leser:innen werden ahnen, wo er herkommt : )

22:34
Ich möchte … ach …

TTag, Dienstag, 19. Oktober 2010. Die Dame aus dem Sarong.

Jedes Mal, wenn ich in K**** bin, kaufe ich mir ein Kleid. Verlasse ich das Haus und wende mich nach rechts, ist da diese Boutique (man nennt sie hier anders, doch das spielt keine Rolle, es i s t eine Boutique), und in ihr steht eine winzige Dame. Ja, eine wirkliche Dame, es ist ihr Geschäft, und es heißt Sarong. (Lachen Sie nicht, so heißt es eben. Wie ein Wortschmetterling, der sich hierher verirrt hat. Wo sie es wohl aufgetrieben hat, dieses Wort für ihren Laden, die Dame?)
Im Sarong gibt es viele Kleider, alle aus dem gleichen, fließend eleganten Material. Die Kleider knittern nicht, dazu ist der Stoff zu schwer und zu glatt; sie fallen wie ein Seufzer über die Schultern und am Körper herab, man tritt vor den Spiegel: eine andere Frau. Wie schön, sagt die Dame andächtig. Sie hebt nie die Hand, um eine Falte zurecht zu zupfen: sie ist keine Verkäuferin.

Guten Morgen.
Auch von der Katze…

… die sich einen Dreck darum schert, ob ich je wieder eine Zeile schreibe.

… doch wer wills ihr verübeln.

TTag, Montag, 18. Oktober 2010. Moskitos?

Irgendwelches Fluggetier
kackt offensichtlich nächtens
auf meinen Monitor & das
finde ich nicht rechtens.

Ist ein Irrwisch in der Nähe? Bitte zum Putzen antreten.

Übermüdung macht jegliche Ernsthaftigkeit zunichte ; )

19:57
Ich lese seit vier Tagen. Lasse, bis auf kleine Streifzüge, Geräusche und Düfte nur durch die offenen Fenster an mich heran. Gut, dass ich alleine bin: Niemand erwartet von mir, meine Zeit anders zu verbringen.
Hab’ den neuen Brief, Sie sehen’s, eingestellt. Eine Weile zögerte ich – Sie werden verstehen warum. Aber dieses Manuskript, so scheint es, schreibt sich seine Figuren selbst.
Nein: K**** schreibt sie.

TTag, Sonntag, 17. Oktober 2010. Yippiiee!

Ich hab’s tatsächlich geschafft! Bin wieder online mit dem verdammten Scheißding. Tschuldigung. So abgeschnitten zu sein hier in K**** hat mir den verdammten letzten Nerv geraubt, so unbeschlagen, wie ich in diesen Konfigurationsscheißdingen bin. Und ohne beschissenes Handbuch. Und seit drei Tagen denke ich, Phy, du kannst das, streng dich verflixtnochmal an, die Maschine hat ein logisch nachvollziehbares Innenleben, dann vollzieh’ es, zum Henker, logisch nach, warum sie nicht online gehen will. Weiweiwei die ist nicht schlauer als Du, die ist überhaupt gar nicht schlau, nur irgendwie durcheinander. Gib ihr neue Befehle. Aber welche?? Und in welchem verfluchten Fenster sind welche einzugeben?

Nu fragen Sie mich, wie ich’s gemacht hab’! Fragen Sie schon! : ) Grinns. Keine Ahnung! Rumprobiert. Nachgedacht. Bißchen was hier gedaddelt, bißchen was da, das meiste wahrscheinlich kontraproduktiv. Bis ich darauf kam, alle bisherigen Konfiguationen zu deaktivieren und eine ganz neue anzulegen. Neuer Name, neue Zahlen, neues Glück. Und siehe da: da bin ich wieder. Zuhause. Im Netz. Jauuul! : )

TTag, zweiter in K****, ansonsten auch Samstag, 16. Oktober 2010 (glaub ich°°) (huestel) Feinstaub.

Moin allerseits da hinten.
Sie haben sich ja heute Nacht noch somnabulisch ganz schoen verlustiert hier auf TT, unter Zuhilfenahme diverser wie ich befuerchte horizonterweiternder (wenn auch nicht erhellender?!) Substanzen, auf die ich hier in K**** wahrlich nicht weiter eingehen kann, ohne meine (ohnehin eingeschraenkte) Freiheit zu gefaehrden.
Ah, Sie ahnen es, ich bin immer noch ohne Netzzugang im Haus und darob auf dieses bedrueckend stickige Internetcafé angewiesen, um mich an die Welt, nein, an Sie, nein, an ach wen weiss denn ich zu wenden ; )

Nun ueberlege ich, wie ich den Text freigeben kann, den ich heute Morgen geschrieben habe – eigentlich gehoert er zu L. und Dr. Sago, andererseits ist es eine voellig neue Stimme und die ist so krass, dass ich noch gar nicht weiss, wie in den naechsten Tagen mit ihr umzugehen sein wird.
Also beschliesse ich hiermit, den Text noch nicht einzustellen und erstmal abzuwarten, ob das heute Morgen ein Kollaps war oder ein Neubeginn oder beides.
Immerhin, ich sitze noch hier.

Heute Nacht ist etwas seltsames passiert, uebrigens: ich bekam um 03:55 Uhr eine sms, vermeintlich von jemandem, den ich sehr sehr gut kenne… sie lautete: “dieses handy wurde im feinstaub verloren und kann dort abgeholt werden bitte dem besitzer bescheid sagen”
Heute Morgen fiel mir bei klarem Kopf zwar ein, Feinstaub koennte eine Bar sein, und die Geschichte schlicht die eines liegengelassenen Handys, aber heute Nacht um 03:55 baute sich die Botschaft von Verlust und Feinstaub so seltsam in meine spaeteren Traeume ein, dass ich sogar jetzt noch leicht verwirrt bin.

Bleiben Sie mir gewogen, liebe Leser:innen. Ich muss hier raus, erstmal, der Markt wartet : )