Allen, die sich vielleicht eines heimlichen Neids nicht erwehren konnten, während Madame in Paris weilte: Nach sechs Wochen Abwesenheit schlägt der Alltag umso brutaler zu. Auch wenn – und das bekommt wohl niemand von uns gerade aus dem Kopf – ein Schreibtisch immer noch verdammt beruhigend ist, solange man nicht mit zweidrei Plastiktüten davorstehen muss, um sich als Flüchtiger registrieren zu lassen.
Und jetzt kommt auch noch der Herbst. Also stark und warm bleiben und über die eigenen vermeintlichen Grenzen hinauswachsen.
Archiv des Autors: phyllis
Ruhet sanft
Readymade
Open mind
Geschätzte Leser:innen,
wir tun es wahrscheinlich alle, bereuen es und tun es wieder: So ein kleiner grippaler Infekt, den kann man doch übergehen. Oder? Madame jedenfalls did it again und muss das nun büßen.
Ich meine, nichts gegen open mind. Mit Grippe allerdings fühlt sich das open so an, als würde ständig unten was wegkippen.
Also Geduld und Tee und die schweren Anliegen noch ein paar Tage schieben. Auf die Gefahr hin, dass sie das krumm nehmen. So ein Anliegen liegt ja nicht gern allein.
TT’s Toolbox
un moment, s’il vous plaît –
(Madame muss isch erstmal wieder konsolidieren : )
Au revoir, Paris
Strapse und Drill
Farah Days Tagebuch, 36
Samstag, 29. August 2015
Wael
– Enlève tes lunettes de soleil.
– Lieber nicht, sage ich.
Biete einen gemalten Mund, Mähne, ein paar High-Heels dazu – je höher, desto besser, erfahrungsgemäß. Dazu das Kleid. Trage ein bestimmtes und nur die eine Sonnenbrille, auch bei Regen. An Tagen wie heute hilft dir nur Ikonisieren. Es geht um das Schaukeln, die Wiege in deinem Schritt:
Klackklack
Du musst dich ein paar Meter einschwingen, bevor du dir den Köder auch selbst glaubst, aber bist du mal drin in der Suggestion deines Geschlechts, brauchst du die Ratten nur noch aus der Stadt zu führen.
Ach, scheiß drauf:
Zieh’ die Sonnenbrille vom Gesicht und sieh’ dir den Mann an. Wie oft blinzelt ein Mensch in einer Minute?
Bleib ruhig.
Dein Doc nennt dich Bella wenn du gehst, wie ein Abschiedsgeschenk. Vielleicht ist er erleichtert, dass du die Praxis verlässt; ich glaube, du machst ihn nervös. Während du ihm gegenüber sitzt, greift er sich andauernd in sein weißes, üppiges Haar.
Alle geben dir Namen. Die drei wichtigsten haben dir den gleichen gegeben, als ob der wirklich zu dir gehörte. Tut er aber nicht. Du nennst dich anders, wenn du alleine bist.
– Tu as des yieux orientaux, konstatiert Wael zufrieden.
– Ce n’est pas la premiere fois qu’on me le dit, erwidere ich.
Deine Stimme, im Gegensatz zu den Dingern, die dich bisweilen aus dem Spiegel anblicken, lässt dich nie im Stich.
Er hat gepflegte Hände, Wael. Eine davon legt er dir auf den Unterarm. Spürst du das?
– Es gibt tausend junge, geneigte Frauen in Paris für einen Mann wie Sie. Was wollen Sie von mir? Ich hab’ einen komplizierten Tag.
– Ich erkenne Qualität, wenn ich sie sehe.
– Gratuliere, sage ich.
Er nickt.
– Darf ich – ?
– Selbstverständlich.
Zieh’ jetzt die Sonnenbrille wieder auf.
Der Mann hat Vergnügen an seinen Zähnen: alles andere als diskret, sein Gebiss. Er zeigt es dir.
Vorhin hat er dir Kuchen bringen lassen, vielmehr das Mädchen mit dem Silbertablett geschickt. Sie läuft alle paar Minuten hochhackig durch die Assemblage der Tische, seinen Wünschen immer einen Schritt voraus. (Er macht das hier nicht zum ersten Mal. Klar.)
– Danke. Keinen Zucker.
– Nehmen Sie Erdbeeren stattdessen, rät Wael. – Und setzen Sie sich neben mich.
Das Kuchenmädchen schiebt deine über dem Schälchen schwebende Hand weg.
– Ich bringe sie ihnen, sagt sie.
Formfehler: Greif’ nicht nach etwas, das auf einem Tablett angeboten wird, merk’ dir das.
– Was möchtest du dazu trinken? fragt er, nachdem das Kuchenmädchen die frisch frisierten Erdbeeren vor mir abgestellt hat.
– Einen Chardonnais.
– Und du? fragt er nach rechts.
Die Fremde lacht: – Champagner, bitte.
Erst jetzt bemerkst du, dass eine weitere Kandidatin an den Tisch gekommen ist. Das ist sehr gut. Das Spielfeld ist eröffnet.
Wael lehnt sich zurück.
between the lines
“Deine Zugriffszahlen sind im Keller.”
“Ist mir auch aufgefallen” sage ich, “zwischendurch gehen die immer wieder mal wieder so runter.”
“Vielleicht mögen es deine Leser, wenn du mehr schreibst. Nicht immer nur Zeichnungen.”
“Oder sie sind am Meer.”
“Oder du bist nicht lustig genug.”
“Nu’ hör’ aber auf!”
“Kann doch sein…”
“Ich tu’, was ich tu’. Wenn ich auf Mainstream aus wäre, würd’ ich zu youtube gehen und die Backen aufblasen.”
“Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt!”
“Bin ich doch gar nicht. Ich leg’ jetzt auf, d’accord?”
“Okay.”