Archiv des Monats: Februar 2011
Lesen ist Gold. Sonntag, 20. Januar 2011.
Guten Morgen, geschätzte Leser:innen,
was für ein bezaubernder Wintertag. Da möchte man doch sämtliche Fenster aufreißen, die Wäsche draußen aufhängen, Madeleines backen, die Zeitung um sich herum im Gras ausbreiten, hüpfen, Freunde necken, die Fußnägel anpinseln und mit den Zehen wackeln, gurren, fiepen und diverse andere Geräusche in die Welt setzen, Kabeljau essen, Minutengedichte schreiben, ein Widderkaninchen besuchen, durch die Schrankwand in eine Parallelwelt rutschen und was dergleichen sonntägliche Freuden mehr sind.
Leider werde ich (bis auf’s Zeitung lesen, grrr) heute nichts dergleichen tun, bin krank und darob recht übellaunig. Wenn Sie sich also streiten wollen unter dem “Gewebeprobe” – Text, bitteschön, aber ich habe nicht die geringste Lust, da vermittelnd einzugreifen. Also hänge ich nur ein Schild an die Tür, “Beware of insults!” und verzisch’ mich mit meiner Lektüre auf’s Sofa.
Schönen Sonntag allerseits!
12:17, Nachtrag:
Ich schaff’s nicht: mich rauszuhalten, meine ich. Da wurde unter einem Originaltext und einem – wie ich fand – erholsam ruhigen und konstruktiven Kommentarbaum heute Vormittag auf einmal wieder Gift gespritzt – verzeihen Sie, aber das ist mir einfach nicht gleichgültig. Ich hab’ das entsorgt.
Ach, zum Henker, Leser:innen, ich würd’s versteh’n, wenn Sie langsam die Geduld verlören mit mir, die ich noch keinen intelligenteren Weg gefunden habe, mit solchen Ausbrüchen umzugehen.
Und jetzt zurück aufs Lager.
15:47
Danke an alle Schlichter:innen!
Worum ging’s noch gleich, bevor sich hier wieder die Gemüter erhitzten? Ich hatte ein paar Kommentare gelöscht, die mir in ihrer Polemik gegen den Strich gingen. Nun kuriert man schlechte Manieren nicht mit ebenso schlechten – deswegen bedaure ich das. Asche auf mein Haupt.
Die Kommentarfunktion vorübergehend zu deaktivieren ist eine Alternative, wenn’s hart auf hart kommt. Auch, sich darüber Gedanken zu machen, dass linkbare Kommentator:innen für die Klangqualität eines Weblogs erstrebenswerter sind als Anonyme. (Beides gab Walhalladada zu bedenken)
Andererseits … wenn ich mich daran erinnere, wie heftig es manchmal im Atelier zuging, als noch zehn von uns in einem Raum arbeiteten – holla. Da flogen die Fetzen. Damals waren wir jünger, klar. Und praktisch jeder warf jedem Parteilichkeit vor, irgendwann. Die leicht Reizbaren schnappten nach ihren Reizworten, die Supereloquenten machten sowieso immer alle anderen platt, und immer kamen jene zu kurz, die den Mund nicht aufkriegten, oder zu langsam waren.
Und das soll jetzt alles ganz anders sein, nachdem wir erwachsen sind?
Ja.
Klappt aber nicht immer.
p.s. Prise Humor schadet nicht, gell.
00:40
Kleiner Nachtrag, weil ich morgen wieder in die Manuskriptarbeit mit meiner Freundin abtauchen werde: vorhin haben einige Gäste ihre heutigen Beiträge von sich aus offline genommen. Vielleicht sind dabei auch einige Ihrer – die Sie gerade hier lesen – Kommentare verschwunden? Ich möchte nur sagen, ich war das nicht.
So. Vom Thema Löschen habe ich (Sie sicher auch) nun erstmal genug. Ich habe morgen keine Zeit, hier aufzupassen – deswegen werde ich über den morgigen Tag mal die Kommentarfunktion auf jene einschränken, die bei Twoday registriert sind.
‘Nacht, allerseits.
Der literarische Garten. Freitag, 18. Februar 2011.
Gewebeprobe: Die Erste
Sie produziert nicht. Sie hasst sich dafür, steht aber zu den Konsequenzen: wer keine Substanz schafft, muss von der eigenen lassen, so ist das eben.
Drüben in der Wellblechbaracke, gesund wie ein Stier unter seinen drei vor Dreck steifen Mänteln, wohnt Herr T. Er ist resistent gegenüber jeder Art von Komfort. Lacht sich erstmal kaputt morgens, das reicht ihm als Decke. Der erfolgreichste Clown war immer jener, der hinter seiner Nase in Traurigkeit ersoff. Genau dem hat sie die Hütte überlassen.
Jeden Morgen vor dem ersten Kaffee geht sie rüber. Dann nimmt er das Gehirn entgegen, das sie ihm hinhält und schneidet wieder eine dünne Scheibe ab. Wer bist Du, Fleisch.
Das Präparat ist sehr aktiv. Er untersucht es lange; sein riesiges Auge glotzt ihr von oben aufs Glas. Dann drückt er mit dem Daumen die Kanten zurecht: Du gehörst nicht mehr dazu, befindet er.
Es ist angenehm zwischen den Glasscheibchen.
Lassen Sie mich bloß nicht fallen, Herr Präparator.
Oh. Es hat keine Stimme, um ihn zu warnen. Vielleicht ein interessantes Luftbläschen produzieren, um zu zeigen, wie toll sie aktiv ist? Vielleicht über den Rand tropfen.
Mehr kann sie nicht tun. Ein gutes Präparat kämpft nicht.
Literarische Weblogs. Donnerstag, 17. Februar 2011.
“Die Kriterien für ein literarisches Weblog? Möglichst sollte jeder Beitrag versuchen, das höchste Maß an Form zu finden.”
(Ein Leser in einer email-Korrespondenz)
Und was ist mit Spiel? Ablenkung? Zerstreuung? Seitenwegen? Mit Durchlässigkeit? Die nur erreicht wird, wenn undefinierte Räume zur Verfügung stehen?
Muss darüber nachdenken.
Aber in Eile jetzt.
Bis später.
20:48
Sie haben recht: die Frage ist wirklich obsolet. Zumindest dieser Form. Dennoch hat mein eiliger Beitrag seinen Zweck erfüllt – diente er doch dazu, mir das “höchste Maß” aus dem Gefieder zu schütteln, bevor ich abflog heute Morgen.
Indem ich es Ihnen, geschätzte Leser:innen, zum Zerreißen vorwarf. ; )
Im Gehäuse. Mittwoch, 16. Februar 2011
Manuskriptarbeit mit meiner Freundin, werde wohl zu nicht viel anderem kommen heute. Zu der Pseudonym-Geschichte von gestern hab’ ich noch ein paar Anmerkungen, unter anderem, weil mir jemand schrieb, solche Spiele seien nichts für ein Litblog, doch die müssen warten…
20:42
Freia Abend
Der Einmalnick. Dienstag, 15. Februar 2011.
Man könnte welche sammeln, oder erfinden: Namen. Falls man schnell mal einen braucht für ein Streitgespräch oder einen Zusammenhang, in dem man nicht unter dem angestammten Pseudonym auftreten will.
Ich bin oft überrascht, wie seltsam bescheiden viele Nicks klingen, die mir im Web begegnen. Beiläufig. Oder einfach neutral. Als wären Namen nicht so wichtig. Dabei sind sie das Wichtigste überhaupt: sie machen die erste Ansage. Erstmal sich selbst, dann den Anderen gegenüber.
Der Nick (falls man keine eigene Website hat) ist die einzige Zusatzinformation, die man Leser:innen zum eigenen Kommentar mitliefert.
Ein Einmalnick würde natürlich auch erleichtern, mal zeitweilig in eine andere Rolle zu schlüpfen.
Warum also nicht mal ein paar klingende Pseudonyme auf Vorrat anlegen? Eine Schatzkiste voller Namen.
Ich leg’ mal vier Stück rein, die mir (fragen Sie mich nicht, warum) eben auf die Schnelle einfallen.
Vielleicht Sie ja auch einen oder zwei?
Miss Take
Fuchslicht
Spielfiep
Diamantis
16:46
Nachdem ich eben von meiner neuen Schülergruppe zurückkomme, muss ich gleich deren (als Ausruf fast unbegrenzt einsetzbares) Lieblingswort verkünden:
STABIL!
Auch ‘n schöner Nick.
Dunkel. Montag, 14. Februar 2011.
Ich freue mich auf die Manuskriptarbeit mit ihr. Obwohl sie nicht leicht werden wird. Ihre Sprache ist die einer Orientalin, doch ihre Geschichte ist kein Märchen, keine Fiktion. Leider. Ab September kann man ihr Buch kaufen, wir haben also nicht viel Zeit. Sie ist Iranerin. Und sie wird mir Texte vorlegen, wie oft in den letzten Jahren, an denen ich harmonieliebender Mensch mir die Zähne ausbeißen muss. Sie wird die ganze Zeit neben mir sitzen, bis wir unser Tagessoll durch haben. Wenn mir Passagen unklar sind, wird sie mich mit Bildern füttern, bis ich verstehe. Zwei Frauen an einem Schreibtisch. Sowas nenne ich Arbeit.
Die mich im übrigen davon abhalten wird, mich auf TT zu konzentrieren. Halten Sie es also bitte nicht für Zaghaftigkeit, wenn ich heute tagsüber nicht in Erscheinung trete, um Waffen zu konfiszieren; ich hab’ schlichtweg keine Zeit.
20:05
So, das wäre für heute geschafft. Morgen erstmal wieder ein Schreibworkshop: biographisches Schreiben für junge Leute mit Migrationsgeschichte. Und übermorgen gehen wir vier Betonschultern dann die nächsten beiden Kapitel an.
Friedlich war’s hier heute; die Ereignisse der letzten Tage wirken aber nach. Fühlt sich an, als habe mir ein Hai ein Stück aus dem BooTT meines Selbstverständnisses gebissen.
Da sitz’ ich jetzt und starre auf die gezackte Öffnung in der Bootswand und sag’ mir, Phyllis, Du willst ganz schön viel, wenn Du von Dir verlangst, Auseinandersetzungen hier immer richtig und fair und im Sinne aller zu moderieren, sowas ist schlicht unmöglich und führt in die geistige Zerrüttung. Mach’ lieber ein paar Fehler. Sei lieber ehrlich parteiisch als pseudoneutral. Und achte darauf, dass Spielregeln für alle gelten.
So (wenig) weit bin ich momentan, ich lass’ es Sie wissen, wenn die paar Knochen etwas mehr Fleisch bekommen haben ; )
Doch schon während ich das schreibe, seh’ ich, wie das Loch in der Bootswand zuwächst, die gezackten Ränder schieben sich zusammen, ein paar Tage noch, und der Kahn ist wieder wie neu.
RuheTTag. Sonntag, 13. Februar 2011.
Die Sprache der Anderen, 22
Von virtuellen Häusern. Und Menschen.
“Räume bauen, in die das Licht nicht mit Eimern getragen werden muß. Mit Fenstern zum Hinein- und Hinausschauen, mit Türen, die man in beide Richtungen benutzen kann. In diesen Räumen wird kommuniziert, manche geben etwas zum besten, andere schweigen lieber, doch das wechselt natürlich, je nach Thema. So könnte man das Wesen eines Blogs ohne Inanspruchnahme von Theorie umschreiben, denke ich. So weit so gut. Dennoch stehen mindestens zwei wichtige Fragen im Raum: wollen diejenigen, die sich im Raum befinden, unter sich bleiben, eine mehr oder weniger homogene Interessensgruppe bilden, oder wollen sie Interessierten den Zugang von außen gewähren? Gemeinhin gilt sicher letzteres, doch dann taucht die Frage auf nach den Regeln, an die sich alle zu halten haben. So weit, so schlicht. (…) Ein Blog kann sicher ein Wir-Gefühl erzeugen, doch dann sollte dieses Wir auch aus einzelnen Ichs bestehen. Denke ich.”
Norbert W. Schlinkert in einem Kommentar vom 26. Januar 2011
“Durch die Virtualität der Beteiligten erlischt nicht die Verpflichtung, sie als ganze, dreidimensionale Wesen zu erkennen. (…)
Ich hatte eher jenes Erkennen im Sinn, welches man als “sich bewußt machen als …” interpretieren kann. So dass man sich der Vielschichtigkeit und Komplexität des (virtuellen) Gegenübers bewusst wird, ohne dazu dessen persönliche Besonderheiten kennen zu müssen.
Vielleicht am ehesten zu vergleichen mit dem Erkennen z.B. eines Hauses. Man weiß, auch ohne das Haus betreten zu haben und seine Besonderheiten zu kennen, dass es ein Haus ist, vermutlich Zimmer und Türen besitzt, eine Heizung, vielleicht einen Keller etc. … Sie wissen was ich meine.”
Schreiben wie Atmen in einem Kommentar vom 11. Februar 2011

