See the turtle of enormous girth,
on his shell he holds the earth.
His thought is slow, but he is kind.
He holds us all within his mind.
(falls sich jemand fragt, was “girth” heisst: Leibesumfang 🙂
See the turtle of enormous girth,
on his shell he holds the earth.
His thought is slow, but he is kind.
He holds us all within his mind.
(falls sich jemand fragt, was “girth” heisst: Leibesumfang 🙂
Auf der Großbaustelle unter meinem Fenster hängt das Gewölk so dick, dass die dunklen Anzüge der Bauarbeiter darin verschwinden; nur ihre gelben Helme leuchten obenauf wie Plastikschiffchen.
Ich hab’ so einen Herbstinstinkt, mir Fettreserven für den Winterschlaf anzufressen, der mir inzwischen ganz vertraut geworden ist. Nun bin ich kein Bär im eigentlichen Sinne. Doch irgendeine uralte Verschaltung in meinem Gehirn sagt mir, ich soll das machen. Widerstand zwecklos: Der Befehl kommt aus dem ältesten Hirnareal, ganz hinten, wo die Unmittelbarkeit sitzt. Wer bin ich junges zivilisiertes Bewusstsein, dem zu widerstehen?
Mit den Jahren hab’ ich mich darauf eingestellt, in den kalten Monaten diese Speckpackungen mit mir rumzutragen. Ich merke es am Hals, wenn ich den Kopf senke, das Kissen unterm Kinn ist bedeutend weicher als im Sommer. Von den anderen Kissen gar nicht zu reden. Aber stört das einen großen Geist? Nee. Im Vergleich zum Bären stehen mir ausgewählte Speisen zur Verfügung, mich zu mästen, und meine Höhle ist warm. Offizielle Verlautbarung: In den nächsten Monaten kann entspannt bei mir Futter gefasst werden. Ich koche immer mindestens für vier. Mitbären meldet euch, bevor ihr vom Fleisch fallt; der Winter wird lang.
Noch ein Nachtrag zu Marc Aurel. Nach der Bettlektüre erspann mein Unterbewusstsein heute Nacht folgendes: Eine Art telepathische Wespe erkor mich als Zielobjekt. Erst saß sie mir immer auf dem Arm. Da war ich noch schlichtweg neugierig und achtete darauf, sie nicht versehentlich abzustreifen. Später, als sie mein Nasenloch zum Aufenthaltsort erwählte (sie kroch mit dem Kopf zuerst hinein) wurde der Alltag etwas schwierig. Denn die Wespe, das wusste ich, wachte über die moralische Substanz meiner Handlungen. Wäre sie nicht einverstanden mit etwas, das ich tat, würde sie mich stechen. Heute Morgen erinnere ich mich deutlich an das merkwürdige Gefühl in meinem Nasenloch.
Eine telepathische Wespe als moralische Instanz!
Überlegt euch gut, was ihr lest vor dem einschlafen.
Marc Aurel sagte dazu folgendes:
“Du hast es in der Hand, dir über das und jenes kein Urteil zu bilden und deiner Seele dadurch eine Belästigung zu ersparen. Denn den Dingen selbst ist nicht die Kraft gegeben, unsere Beurteilung zu erzwingen.”
Super, oder? Das sollte man mal üben. Nicht die Urteilsverweigerung (das ist leicht) sondern Aurels Implikation, dass den Dingen (ich glaube, er meint damit Ereignisse) gar keine Bedeutung innewohnt: Wir sind es, die sie beurteilen und ihnen Eigenschaften zuschreiben. Die positive oder negative Energie, die ein Ereignis entwickelt, bezieht es allein durch unsere Interpretation.
Aber das wisst ihr natürlich 😉
Dieses Blog besteht nur aus Text.
Vermisst Ihr eigentlich Bilder?
formulierte jemand vor ein paar Tagen in einer Mail und ich stutzte, langte dann doch hin und zog mir die Frage über wie einen lange verschwundenen Handschuh, der schon ein bisschen stockfleckig geworden ist:
Was darf ich wollen?
Da klingt ja bereits die Vorstellung mit, dass so ein persönliches Wollen, ginge es zu weit hinaus, Gefahr liefe, behindert zu werden.
Die unmittelbare Reaktion wäre natürlich zu sagen, man darf alles wollen; wer sollte einen denn davon abhalten? (Das Wollen zu formulieren allein ruft doch auch selten Widerstand hervor. Nur wenn es dann Gestalt annimmt, präzise wird, landet man mehr oder weniger unsanft auf markiertem Gelände und muss um jeden Zentimeter Revier kämpfen)
Aber so einfach ist es nicht: Man verbietet sich oft ja schon das Wollen selbst; man fällt in den eigenen Brunnen. Und damit meine ich nicht jenen Brunnen, in den Haruki Murakamis Romanfiguren runtersteigen, wenn sie nicht mehr weiter wissen: Denen zumindest dämmert dort unten im klaustrophobischen Schwarz immer irgendwann die Erkenntnis, wie dünn die Wände sind, die sie von parallelen Wirklichkeiten trennen. Wenn sie dann wieder hochsteigen hat sich etwas verändert.
Ich hingegen (zuzüglich jener, die mir zustimmen würden) kenne das Gefühl, mir schon das Wollen abzusprechen, bevor irgendwer auch nur den Hauch einer Chance gesehen hätte, mir bei dessen Verwirklichung Steine in den Weg zu legen.
Interessant.
Ich will meistens etwas genau so sehr, wie ich es nicht will.
Tatsache.
Fühlt sich an, als sei ich doppelt, und die beiden Anteile, der zustimmende und der verweigernde, seien genau gleich stark. Ich weiß natürlich, wie das Ding heißt: Es nennt sich Ambivalenz. Nur, die Benennung allein, ach, sie bringt keine Veränderung. Es gibt hunderte von Seiten Kiehl’sches Privatjournal, auf denen Benennung stattfindet, in immer wieder neuen, inspirierten Auffächerungen, doch Veränderung hat sich in meinem Leben immer nur durch Handeln vollzogen, nie durch Analyse. Je feinsinniger die Analyse, desto gewisser führte sie zur Verlangsamung.
Doch zurück zum Wollen Dürfen: In meinem Fall geht die Frage eher dahin, wie mir überhaupt ein schönes, präzises (und möglichst noch gesellschaftlich relevantes) Wollen zustande kommen könnte.
Aber gut: Ich bin ja schon eine Weile dabei. Ein paar Spielzüge hab ich inzwischen doch aufgetan, die auch für andere ambivalente Gemüter interessant sein könnten.
Zunächst das Wollen entmystifizieren. Es ist nicht weiter schwierig, etwas zu wollen, wenn man sich größtmögliche Unverfrorenheit verordnet. Was nicht so trivial ist, wie es sich zunächst anhört.
Dann zur Tat schreiten. Das dialogische Selbst ist eine feine Sache, doch zwei innere Stimmen sind definitiv zu wenig, besonders, wenn sie sich gegenseitig neutralisieren. Also?
Noch mehr davon abspalten, mit Namen und Merkmalen versehen. Pseudonyme sind für Anfänger. Ich spreche von ausgewachsenen multiplen Persönlichkeiten. Je nach Tag und selbst gestellter Aufgabe lässt man morgens immer diejenige die Führung übernehmen, die der geplanten Tat am besten gewachsen ist.
Mit der Zeit kann man Routinen entwickeln. Die Territorien der einzelnen Persönlichkeiten mit Bildern ausstatten, je üppiger, desto besser. Positive Erinnerungen dort verorten. Wege dorthin markieren.
Eine Handvoll Persönlichkeiten, gut aufeinander eingespielt, bringt einen ganz gut durch, würde ich meinen. Drei haben wir ja im Prinzip fast alle im täglichen Einsatz: Die private, die berufliche und die soziale. Soll mir keiner erzählen, die würden sich nicht unterscheiden. Also was spricht dagegen, noch ein-, zwei weitere zu erfinden, um des Wollens willen? Diplomaten, Forscher, Lehrer. Einen unerschrockenen Kämpfer natürlich. Eine Diva. Einen Chronisten. Was auch immer.
Das ist alles sehr konstruiert, sagt X, der mitgelesen hat, so machst du es dir doch nicht leichter.
Wie meinen? frage ich, leicht pikiert.
Denk lieber mal über Wut nach, sagt er. Zorn und Wut: Daraus entsteht Wollen. Trainiere eher, Wut aufzubauen, das ist pure Energie und viel effektiver, was die Willensbildung angeht.
Hm.
Klingt tatsächlich wie eine Abkürzung.
Also was denn jetzt?
Komisch, wie viele Leute möglichst schnell ins vertrauliche Du gelangen wollen: Als ob erst dann handfestes Miteinander entstünde, wenn die Barriere der höflichen Distanz überwunden ist. Wenige scheinen zu begreifen, dass wir Deutschen (vielleicht in Nachahmung amerikanischer und britischer Sitten, ohne deren Sprachgeschichte zu haben) dabei sind, uns auch noch der letzten Umgangformen zu entledigen, die Nuancierung und Spiel ermöglichen.
Wir haben für erste Begegnungen das formelle Sie, das, sobald gegenseitige Sympathie erkennbar wird, ratzfatz ins Du umgewandelt wird. Manchmal geht das innerhalb von Minuten. (Im Internet gibt es schon gar kein „Sie“ mehr)
Anders bei den Franzosen: Dort (aber vor allem im Orient, wie ich höre), gibt es Situationen, in denen sogar die Eltern gesiezt werden. Auch die Kombination von Vorname und „Sie“ ist noch geläufig – die ich übrigens sehr mag; es ist die Form, in der am besten geflirtet werden kann, finde ich. Man kann jemanden auch einfach Monsieur oder Madame nennen, ohne Nennung des Namens. Das geht hierzulande gar nicht: Würde ich jemanden einfach nur mit „Herr“ ansprechen? Diese Anrede ist bei uns dem christlichen Gott vorbehalten. Oder mit „Dame“? Im französischen ist das Alltag: „Bonjour Madame, pouvez vous me dire..“
Warum, um Himmels willen, könnte man fragen, sollten wir es uns so kompliziert machen mit all diesen Varianten?
Weil sie Spielräume eröffnen! Dynamik. Hoffnung. Gratwanderungen. Koketterie. Behutsamkeit. Kritik. Alles! Im „Sie“ kann man sich als komplexer Mensch wunderbar bewegen, verbale Wagnisse eingehen, sich elegant zurückziehen, Unmut ausdrücken, die eigene Würde bewahren, Diskretion walten lassen. Auch die Sprache bietet mehr Möglichkeiten. Ein schlechter Tag, eine schwierige Laune: Wie schwer lässt sich das im Reich des „Du“ in Worte fassen, ohne gleich sehr persönlich zu werden. Eine mutwillige Laune? Um wie viel flirrender sind die Möglichkeiten, diese mit ihrem großen Potential an Verspieltheit im „Sie“ unterzubringen.
(Natürlich spreche ich hier nicht über den Umgang mit Freunden, Vertrauten, über die „entmilitarisierte Zone“, wie ich die Wohnung meiner Freundin P. früher nannte: Dort sollen die Barrieren fallen, klar. Aber dort ist auch Diskretion vereinbart. Ich liebe Diskretion. Ich praktiziere sie mit aller Inbrunst. Der Grund, warum ich mich nur so selten besaufe ist der, dass ich in den Tagen danach immer völlig zwanghaft überlege, ob mir im Zustand der Entgrenztheit ein Satz entschlüpft sein könnte, der besser unausgesprochen geblieben wäre.)
Wie dem auch sei: Enge Freunde sind, natürlich, Teilhaber am eigenen Leben und als solche befreit von allen Formalismen. (allerdings nicht von Achtsamkeit) Auch meine Eltern hätte ich nicht siezen wollen, auch wenn mir das als Teenager bestimmt manchmal sehr gelegen gekommen wäre…
Nein, ich spreche von der Art und Weise, wie man sich im Alltag mit dem noch unwägbaren Außen in Verbindung setzt. Sein gesellschaftliches Sein errichtet, benennt und abgrenzt. Da täte etwas mehr Form manchmal ganz gut, finde ich. (In meinen Dreißigern hatten fast alle meine Texte einen Appellcharakter, sie richteten sich direkt an ein Publikum, das ich immer siezte.)
Es gilt, etwas zu bauen. Die Persönlichkeit braucht ein Haus, ebenso wie der Körper. Man muss wissen, wo man es hinstellt und die anderen sollten wissen, wo es zu finden ist. Doch nicht jeder sollte die gleiche Tür nehmen.
Sichtbar gemacht, wäre mein Haus fürchterlich anzuschauen! Gut, dass sein Abbild mein Geheimnis bleibt. Es ist ein verkantetes, wucherndes Ding, anarchisch, klassich, altmodisch gleichzeitig, hier ein Fluchtweg, dort Sackgasse, Boudoirs, verrammelte Keller, Spielwiesen, verrauchte Salons, Beichtkammern, Verschneckungsräume, Kanzeln, Hörsäle. Seine Substanz mal weich, mal hart, mal transparent, mal opak; durch manche Wände könnte man sich notfalls Öffnungen schneiden, andere bleiben ganz undurchdringlich. Sichtbar gemacht wäre es ein Unding, das Haus meiner Persönlichkeit, doch vor meinem inneren Auge tritt es genau so in Erscheinung. Und es verändert sich von Tag zu Tag ein bisschen. Ich kann es ganz gut leiden und baue gerne daran herum.
Gestatte ich nun einer „Du“-Person freien Eintritt in alle Räume? Gewiss nicht. Mit ihrem vertraulichen Du im Rucksack könnte sie hemmungslos überall ihr Lager aufschlagen, picknicken wo es ihr gefiele und ich hätte keine Handhabe außer der direkten Vertreibung, um sie wieder loszuwerden. Anders eine „Sie“-Person: Ich kann sie fast bedenkenlos herumführen. Die Art, wie sie reagieren, sich äußern wird, kann der Substanz des Hauses nicht wirklich gefährlich werden. Warum? Weil sie sich in Acht nehmen wird! Weil die „Sie“-Person Hoffnung hat, irgendwann einmal Einlass zu den inneren Gemächern des „Du“ zu bekommen. Solange das nicht so ist, folgen wir einer – im besten Fall vergnügten und spielerischen – Choreografie des Verhaltens, der Sprache, des Andeutens und Weglassens. Wir führen uns durch unsere Häuser, lassen da ein Zimmer aus, biegen dort kurz vor einem Korridor ab, in letzter Sekunde. Vor Peinlichkeit, sich-verpflichtet fühlen oder allzu riskanter Enthüllung schützt uns der Gang zu einem Fenster: Das nach draußen schauen, verallgemeinern, abstrahieren.
Ich bin der „Sie“-Person sehr zugetan. Wenn sie klug ist, wirbt sie nicht darum, möglichst schnell größere Vertrautheit zu errichten, sondern orientiert sich erst einmal ausgiebig in meinem Haus, bietet den Gegenbesuch an, lässt hier und da ein paar Andeutungen fallen, lockt mit Nähe, verwirft sie in einem kleinen Nebensatz wieder. Lässt mich bei sich umherstreifen, um beim nächsten Mal so zu tun, als hätte es diesen Korridor, jene interessante Kammer nie gegeben. So kommen Herausforderungen zustande. Auf diese Weise lernt man, wie Aufladung funktioniert! Rituale des Umgangs miteinander: Wir sollten mehr davon haben. Wir sollten ein bisschen mehr Magie entwickeln in dieser Sache, sonst kriecht Langeweile in unsere Außenbeziehungen.
Denn das so genehme „Du“ ist oft ein Trampel. Einmal angeboten, kann es nicht mehr zurückgenommen werden.
da kränklich. Gestern Abend mit F. champagnertrinkend und sorglos (na ja, fast) bei einem Empfang. Am Türende der Bar. Draußen war’s kalt. Es zog ein wenig. Mehr braucht’s bei mir nicht.
Und das mir, die ich alle Jane Austen Romane gelesen habe! Zugluft ist das Schlimmste für eine Dame.
(All die Stellen, in denen in Austens Büchern die Damen besorgt aus der Zugluft geführt werden: Es müssen Dutzende sein)
Bald mehr. Hirn taugt nix heute.
ptschi. llis
ist, laut Grimmschen Wörterbuch (das nicht mehr ganz so häufig zur Hand genommen wird, vermute ich) ein “alberner, läppischer, ungeschickter Mensch”.
Nur, dass Ihr’s wisst.
Mein kleiner Dildap!
Wär’ das nicht mal ein schöner Kosename?
Seit Jahren predige ich in höflich ungläubige Gesichter, dass Stephen King ein ernst zu nehmender Autor ist. Doch gestern! Ich dachte, ich spinne: In seiner Büchersendung “Druckfrisch” spricht Denis Scheck mit Martin Walser. Der empfiehlt ihm ein Buch von Burkhard Müller – über – ja, über wen? Stephen King! Im Ernst.
Walser sagte, auf jenes Buch hin habe er einige Bücher von King gelesen und daraufhin seine Meinung über ihn komplett revidiert. Die beiden gewichtigen Herren waren sich einig: King sei gute Lektüre. Basta. Ein großer Autor, sagte Scheck wörtlich. Halt nur schlecht übersetzt.
Oje. Wo kommen wir denn da hin, wenn die mächtigen Herren jetzt auch noch die letzten Territorien vermeintlicher Trivialliteratur für sich entdecken?
King jedenfalls ist fein raus. Falls es doch Leute geben sollte, die Schecks viel zu spät ausgestrahlte Büchersendung anschauen (die fies sein will, selbstgefällig pointiert ist, aber dieser typisch Scheck’schen Zugespitztheit und Leidenschaft wegen dann doch interessant), also, falls jemand zugesehen hat, gehen die Verkaufszahlen für den Meister der Horrorgeschichte jetzt noch mal rauf.
Nicht, dass er es nötig hätte – er ist der Mensch, der die meisten Bücher verkauft, weltweit – aber ich hab’ mal gelesen, dass er sich doch grämt, dass sein Werk als Schmutz und Schund abgetan wird. (Der Ausdruck, den meine Mutter verwendete, wenn sie mich früher mit unstandesgemäßen Büchern erwischte)