was darf ich wollen?

formulierte jemand vor ein paar Tagen in einer Mail und ich stutzte, langte dann doch hin und zog mir die Frage über wie einen lange verschwundenen Handschuh, der schon ein bisschen stockfleckig geworden ist:
Was darf ich wollen?
Da klingt ja bereits die Vorstellung mit, dass so ein persönliches Wollen, ginge es zu weit hinaus, Gefahr liefe, behindert zu werden.
Die unmittelbare Reaktion wäre natürlich zu sagen, man darf alles wollen; wer sollte einen denn davon abhalten? (Das Wollen zu formulieren allein ruft doch auch selten Widerstand hervor. Nur wenn es dann Gestalt annimmt, präzise wird, landet man mehr oder weniger unsanft auf markiertem Gelände und muss um jeden Zentimeter Revier kämpfen)

Aber so einfach ist es nicht: Man verbietet sich oft ja schon das Wollen selbst; man fällt in den eigenen Brunnen. Und damit meine ich nicht jenen Brunnen, in den Haruki Murakamis Romanfiguren runtersteigen, wenn sie nicht mehr weiter wissen: Denen zumindest dämmert dort unten im klaustrophobischen Schwarz immer irgendwann die Erkenntnis, wie dünn die Wände sind, die sie von parallelen Wirklichkeiten trennen. Wenn sie dann wieder hochsteigen hat sich etwas verändert.

Ich hingegen (zuzüglich jener, die mir zustimmen würden) kenne das Gefühl, mir schon das Wollen abzusprechen, bevor irgendwer auch nur den Hauch einer Chance gesehen hätte, mir bei dessen Verwirklichung Steine in den Weg zu legen.
Interessant.
Ich will meistens etwas genau so sehr, wie ich es nicht will.
Tatsache.
Fühlt sich an, als sei ich doppelt, und die beiden Anteile, der zustimmende und der verweigernde, seien genau gleich stark. Ich weiß natürlich, wie das Ding heißt: Es nennt sich Ambivalenz. Nur, die Benennung allein, ach, sie bringt keine Veränderung. Es gibt hunderte von Seiten Kiehl’sches Privatjournal, auf denen Benennung stattfindet, in immer wieder neuen, inspirierten Auffächerungen, doch Veränderung hat sich in meinem Leben immer nur durch Handeln vollzogen, nie durch Analyse. Je feinsinniger die Analyse, desto gewisser führte sie zur Verlangsamung.

Doch zurück zum Wollen Dürfen: In meinem Fall geht die Frage eher dahin, wie mir überhaupt ein schönes, präzises (und möglichst noch gesellschaftlich relevantes) Wollen zustande kommen könnte.
Aber gut: Ich bin ja schon eine Weile dabei. Ein paar Spielzüge hab ich inzwischen doch aufgetan, die auch für andere ambivalente Gemüter interessant sein könnten.

Zunächst das Wollen entmystifizieren. Es ist nicht weiter schwierig, etwas zu wollen, wenn man sich größtmögliche Unverfrorenheit verordnet. Was nicht so trivial ist, wie es sich zunächst anhört.

Dann zur Tat schreiten. Das dialogische Selbst ist eine feine Sache, doch zwei innere Stimmen sind definitiv zu wenig, besonders, wenn sie sich gegenseitig neutralisieren. Also?
Noch mehr davon abspalten, mit Namen und Merkmalen versehen. Pseudonyme sind für Anfänger. Ich spreche von ausgewachsenen multiplen Persönlichkeiten. Je nach Tag und selbst gestellter Aufgabe lässt man morgens immer diejenige die Führung übernehmen, die der geplanten Tat am besten gewachsen ist.
Mit der Zeit kann man Routinen entwickeln. Die Territorien der einzelnen Persönlichkeiten mit Bildern ausstatten, je üppiger, desto besser. Positive Erinnerungen dort verorten. Wege dorthin markieren.

Eine Handvoll Persönlichkeiten, gut aufeinander eingespielt, bringt einen ganz gut durch, würde ich meinen. Drei haben wir ja im Prinzip fast alle im täglichen Einsatz: Die private, die berufliche und die soziale. Soll mir keiner erzählen, die würden sich nicht unterscheiden. Also was spricht dagegen, noch ein-, zwei weitere zu erfinden, um des Wollens willen? Diplomaten, Forscher, Lehrer. Einen unerschrockenen Kämpfer natürlich. Eine Diva. Einen Chronisten. Was auch immer.

Das ist alles sehr konstruiert, sagt X, der mitgelesen hat, so machst du es dir doch nicht leichter.
Wie meinen? frage ich, leicht pikiert.
Denk lieber mal über Wut nach, sagt er. Zorn und Wut: Daraus entsteht Wollen. Trainiere eher, Wut aufzubauen, das ist pure Energie und viel effektiver, was die Willensbildung angeht.
Hm.
Klingt tatsächlich wie eine Abkürzung.

Also was denn jetzt?

Ein Gedanke zu „was darf ich wollen?

  1. Mindestes drei multiple Funktionaere habe ich auch…aber Wut als Enrgiequelle liegt mir nicht. Mitr Wut kann ich nmiocht genug anfange, sie legt mich bloss lahm. Wenn X das kann, dann ist das in Ordnung, aber fuer mich bring die Wut ueberhaupt nichts.

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