Melancholia

Gestern blickte ich durch den Drahtring und sah Ihren Stern heranrasen, saß auf dem Hügel und erwartete das Ende der Welt. Später, längst verglüht im Feuersturm, verschlang ich Unmengen Currywurst und Griesbrei mit Zimt, ein gieriges Kinderessen gegen Ihren Abgesang. Sie Fiesling, Sie wollen, dass wir Ihr Seelendunkel teilen, nicht wahr? Abkacken sollen wir, grandios zwar, aber dennoch. Ich aber mach’ bei Ihrem Anti-Zeugs nicht mit! Nee, von Trier. Ich pfeif’ auf das halbleere Glas, ich trinke aus der Flasche, Mann. Meine Verbündeten machen sich nicht mit Schaum vor dem Mund vom Hof, wenn ich sie am nötigsten brauche, und ich ficke auch nicht den nächstbesten Mistkerl, nur weil mein Bräutigam zu nett ist. Frau Dunst, wer hätte gedacht, dass die so spielen kann? Doch mit einer, die nichts zu verlieren hat, würde ich das Ende der Welt ums Verrecken nicht erwarten wollen. Oder doch? Wir verdienen es also, ausgelöscht zu werden? Für diesen Zweifel könnte ich Ihnen eine knallen, im Ernst.
Reden wir darüber. Ich erwarte Sie am > Tree of Life. Aber wundern Sie sich nicht, wenn er bei Ihrem Anblick die Wurzeln aus dem Boden zieht und davonstapft.

Please hold the line

Geschätzte Leser:innen,

selbst starke Gemüter (zu denen ich meines gar nicht mitunter zähle) hätten Schwierigkeiten, nach der gestrigen Sprech- und Sauftour am nächsten Morgen die Tasten zu erkennen. Es gibt aber durchaus ein-, zwei Dinge, von denen ich gerne berichten will. Please stay tuned. Irgendwann heute im Laufe des Tages wird’s vielleicht bestimmt noch was.

Meine Güte…

16:08
World wide web und world wild life sind manchmal einfach nicht unter einen Hut zu kriegen. Miss TT kapituliert, zieht die Riesensonnenbrille auf und wankt zum nächsten Fest.

Uchmesse

(Und, nein, ich werde nicht vom Schauplatz berichten. Sondern meinen Lieblingsvollbart besuchen. Und den Mann mit dem schönsten Mund bei Arno Schmidt. Die Verbrecher. Und die Kulturmaschinen natürlich. Na, dann mal los.)

Fleisch:schliche

Letzthin überkam sie mehrfach der Impuls, in den Aufgusseimer zu pissen. Information als Instrument der Durchdringung ist langsam; bis das Procedere von Geist zu Geist physisch Wirkung zeigt, vergehen oft Jahre. Pisse hingegen könnte eingeatmet und wieder ausgeschwitzt werden: kurze Wege. Wie angenehm die Vorstellung von Partikeln, die mühelos durch Zellsysteme wandern. Sie würde Teil eines jeden Körpers werden, der sich in der Schwitzkammer befände, den ein- oder anderen gar kurz mit der Zungenspitze berühren, bevor er sie verließe.
Man mag ihre Regung als exzentrische Note abtun. Der Ekel aber, er richtet viel Unheil an; seine Wirkung wird unterschätzt. Sie wüßte gerne mehr von den Mixturen, die er verhindert, mehr von der Bildung des Fleisches. Was, wenn da Welt wäre hinter dem Ekel, was höbe sich auf, was käme schleichend hinzu.

Gegenwind

“Es ist völlig in Ordnung, dass du Vorsorge triffst vor dem nächsten Schub” sagt sie.
Ich seh’ sie vor mir. Sie ist wie einer der Bäume auf der Insel, auf der sie lebt: die dem Wind trotzen und dabei eindrückliche Formen annehmen. (Die Male in meinem Leben, die ich mit ihr gesprochen habe, kann ich an einer Hand abzählen. Schade eigentlich. Ich mag resolute Familienmitglieder)
“Ich hab’ immer diese Stimme im Kopf” erwidere ich.
“Sagt die zufällig ‘Stell’ dich nicht so an?'”
“Ja.”
Sie lacht: “Bingo, das ist unsere Familienstimme. Hör’ nicht auf sie.”
“Haben wir denn wirklich so viele Fälle?”
Sie beginnt, Namen aufzuzählen. Manche sind mir vertraut, andere höre ich zum ersten Mal. Wie wenig ich weiß von unserem Clan. Wenig auch davon, welches Erbe ich trage.
“Es ist nie abhängig von der Situation, in der ich mich befinde” sage ich. “Es kommt ohne Vorwarnung.”
“Und legt dich lahm.”
“Ja.”
“Du hast es geerbt, du kannst nichts dafür. Bei mir ist es nur die mütterliche Linie, bei dir kommt die väterliche noch dazu, du hast es doppelt. Denk an…”
Sie zählt weitere Namen auf. Ich bin verblüfft. Und merkwürdig erleichtert. So viele?
“Ich denke jedes Mal, ich komm’ da alleine wieder raus” sage ich.
“Tust du ja auch. Aber es kostet viel Kraft. Die du aufwendest, ohne darüber zu sprechen, oder?”
“Gerade tu ich’s.”
“Nimmst du Medikamente?”
“Nein, nicht mehr.”
“Schon mal Johanniskraut probiert?”
“Nee.”
Wir reden noch eine Weile. Sie ist keine, die sich in ihren Symptomen suhlt, ich ebensowenig. Trotzdem wirkt ein Aberglaube in mir, dass dieses Erbe aus meinem Sprechen darüber Nahrung beziehen könnte. Doch besser schweigen? Gewinnt man durch Benennung Kraft, oder verliert man welche? Mal so, mal so, vermute ich. Im Grunde schreib’ ich diesen Beitrag gegen meinen Wind.
Voilà.
Soll er doch selbst sehen, wie er zurechtkommt!