Ihnen allen

entspannte Festtage!
Atmen Sie durch. Es gibt keine heile Welt. Aber heilende Momente.
Lassen Sie uns damit großzügig sein! Sie sind lebendiger, als je ein Geschenk sein könnte.

Nebenan spielt meine sechzehnjährige französische Cousine gerade Gitarre. Ganz leise.
Für mich ist das ein solcher Moment.

Alles Gute Ihnen! Schön, dass es Sie gibt.

Phyllis

Endspurt

Noch zwei Projekte abschließen vor Weihnachten – heute die Präsentation eines Schreib/Rundfunkprojekts mit sechsundzwanzig Dreizehnjährigen einer integrierten Gesamtschule und nächste Woche noch eine große Lesung im Historischen Museum mit einer Intea-Klasse.
Bin wohlauf, aber ruhebedürftig.
Sehr langsam zieht eben etwas Licht in den Morgen. Um halbneun geht’s los; die Schule ist um die Ecke. Zeit genug also für einen zweiten Milchkaffee, Zeit genug auch, noch den Zaunkönig zu begrüßen, der neuerdings bei mir im Hinterhof Quartier bezogen hat. Kluger Vogel. Bei mir gibt’s die besten Kerne im Häuschen – muss sich wohl herumgesprochen haben.

Ich wünsche Ihnen allen einen guten Tag. Halten Sie durch! Wir haben es bald geschafft!

Ganz herzlich
TT

In Anbetracht

Ich habe das Schreiben ganz offensichtlich verlernt und brauche ein neues Einsatzgebiet. Von den Dingen, die ich noch nicht ausprobiert habe, bleiben eigentlich nur noch Sticken und Politik übrig.
In Anbetracht der Weltlage neige ich momentan zum Sticken.

Schnipsel erzählen

Aus welchen Gründen auch immer: Mein Schreibvermögen hatte sich in letzter Zeit mal wieder davongeschlichen und lag gemütlich zusammengerollt irgendwo in der Ecke eines Schweigezimmers.
Es gibt diverse Schweigezimmer in mir. Dort wird viel gedacht, das sich von anderen nicht anfassen, begreifen lassen will. In ihnen herrscht pure Gegenwart. Nichts wird ausformuliert, geschweige denn bewahrt oder mit anderen geteilt. In meinen Schweigezimmern ist die Welt nicht größer als ich, sondern ich bin größer als die Welt. Und verdammt viel stiller.
Das ist weder gut noch schlecht. Es ist einfach so.
Dann, nach einer Weile, entrollen sich die Vermögen wieder, verlassen ihre Refugien und gesellen sich zurück zu der Gruppe von Eigenschaften, die mich ausmachen: zumindest in den Augen der Anderen.

Die Frau, die vor ein paar Tagen bei mir zum Textcoaching war. Einzelstunde. Sehr sympathische Erscheinung, kam mit sechs von Hand vollgeschriebenen Büchern, setzte sich und ihre Bücher an meinen mit Tuscheflecken übersäten Tisch. Warum so viele?, dachte ich anfangs, ein einzelnes Exemplar hätte als Ausgangspunkt für unser Gespräch durchaus genügt. Die Frau wollte aber zeigen, was sie hat, was da ist, womit wir arbeiten können. Sie wollte unseren Ausgangspunkt be-greifbar machen.
Ich verstand das bereits im Verlauf der ersten halben Stunde. Wir sprachen dann noch lange. Bevor sie ging, sagte sie: »Ich bin jetzt erschöpft. Aber auch sehr zufrieden, dass ich mich so vertrauensvoll erlebt habe. Ich habe das vorher noch nie gemacht, so privat über mein Schreiben gesprochen.«
Die Freude, solches bewirken und begleiten zu können, hat in all den Jahren nichts an Intensität verloren. Mein Vermögen, anderen Kraft zu geben, hängt nicht von meiner Tagesform ab: Es aktiviert sich, sobald es gebraucht wird.

Dazu ein Eindruck, den ich im Gespräch mir einem Arzt gewann, mit dem mich eine zarte Freundschaft verbindet: seit meinem ersten Termin bei ihm, nach dem wir uns zu unserem ersten Glas Wein verabredeten.
Der Arzt, vor ein paar Tagen, erzählte mir von seinem Unvermögen, sich alleine unter Menschen zu begeben: er brauche immer eine Begleiterin. Das war kein Flirtversuch, sondern Fakt. »Vor einiger Zeit ging ich aus dem Haus«, erzählte er, »mit der festen Absicht, eine Vernissage zu besuchen. Ich kam bis zur Eingangstür der Galerie. Dann kehrte ich wieder um.«
»Du bist ja schlimmer als ich«, lachte ich. »Kein Wunder, dass du unsere Verabredungen so oft in letzter Minute absagst.«
Er ist ein verdammt guter Therapeut. Ein Heiler. Auf sich selbst kann er diese Künste aber nur bedingt anwenden; das verbindet uns auf seltsame Weise. Er muss sich nie entschuldigen, wenn er mir ein Treffen absagt, muss keine Ausrede erfinden.

Fragmente erzählen: damit will ich mir mein Schreiben zurückerobern. Mal sehen, wohin das führt.