Das Tainted Talents Wort zum Sonntag, 8:

“Quentchen”

Ein Quentchen, nach neuer deutscher Rechtschreibung Quäntchen, ist der Diminutiv von Quent/Quint, einem alten deutschen Handelsgewicht.
Ich bin dem Wort zugetan, weil mein Vater es gebrauchte. Meist beim Essen. Auf die Frage hin, ob er noch etwas wolle, sagte er gerne: “Na, ein Quentchen würde ich vielleicht noch nehmen…”
Ich mag das Quentchen außerdem, weil es als Maß so angenehm unspezifisch ist. Das Quentchen ist bescheiden. In seiner altmodischen Drolligkeit eignet es sich auch gut dazu, für frischen Wind in einem erlahmenden Arbeitsgespräch zu sorgen, wie etwa: “Bemühen Sie doch mal ein Quentchen Ihrer Phantasie” oder frech: “Wenn ich Sie jetzt noch einmal um ein Quentchen Ihrer Aufmerksamkeit bitten dürfte…”
Man kann das Q auch im literarischen Kontext mal benutzen: Ein Herr David Ensikat schrieb im Abspann eines bösen Artikels im Tagesspiegel zum Ingeborg Bachmann Wettbewerb 2005: “Wirklich interessant dieser Wettbewerb. Literaten deutscher Sprache! Schaut ihn euch an, und, so ihr ein Quäntchen Selbstachtung habt, meidet ihn! Die Juroren sind einfach zu gut.”

Das Tainted Talents Wort zum Sonntag, 6:

“Lupfen”

auch “lüpfen”. Eine schnelle Bewegung von unten nach oben. Herkunft unklar. Wohl zusammenhängend mit “Luft”, aus dessen Klang die Lautgebärde *lup entstanden sein mag. Will meinen, man bringt Luft zwischen den Gegenstand und den Untergrund, auf dem er aufliegt.
Ein Klavier wird man nur mit Mühe anlupfen, den Hut zum Gruße “lüpfen” wäre da leichter, ebenso wie das Hosenbein “lupfen”, um sein Strumpfband zu richten.
Da weder Hüte noch Strumpfbänder in meiner Umgebung üblich sind, überlege ich noch, wie das Wort heutzutage in angemessener Weise einzusetzen wäre:
Man “lupft” einen Ball über den Torwart ins Tor? Ist in Gebrauch, aber langweilig.
Den Hintern lupfen, um einem Furz Gelegenheit zum Entweichen zu geben? Schon besser.
Man kann ein Huhn lupfen, um ihm die Eier zu klauen; auch eine Brust könnte, unter gewissen Umständen, dreist angelupft werden, Jean Gabin hat das mal mit Simone Signorets Brust gemacht in einem alten Film. (“Hast schwer zu tragen, Kleine”, sagte er damals)
So hübsch das Wort, so schwierig seine Verwendung heutzutage. Ich sag’s jetzt mal im Freistil: Ich hoffe, ich habe Ihre Laune etwas angelupft, liebe Leser.
Lupfe meinen Hintern jetzt vom Stuhl und begebe mich in den Park, um ihn daselbst wieder abzusenken.

(Für Dudel, dessen gestrigen Wort-zum-Sonntag-Vorschlag “verkackeiern” ich leider nicht aufgreifen konnte, weil das Wort noch heftig in Gebrauch ist. Im Ruhrpott. Mich interessieren die veralteten Wörter)

Das Tainted Talents Wort zum Sonntag, 5:

“schwanen”

“Da schwante mir etwas” soll folgenden Ursprung haben: Wie die Lübecker Stadtzeitung (deren Existenz mir bei der heutigen Recherche zum ersten Mal bewusst wurde) berichtet, konnten sich nach dem Glauben der Alt-Lübecker Vorfahren die Jungfrauen der Stadt in Schwäne verwandelt und in dieser Gestalt die Zukunft voraussagen. Weil dabei meist nichts Gutes herauskam, nahm das Wort “schwanen” eine pessimistische Bedeutung an.
Behauptet besagte Lübecker Stadtzeitung.
Ich war mit diesem Bedeutungszusammenhang unzufrieden; immer werden die armen Jungfrauen für alles hergenommen, das irgendwie böse endet. Also konsultierte ich flugs mein etymologisches Wörterbuch, den “Kluge”, und siehe da, “schwanen” entspringt keineswegs den Orakelsprüchen depressiver Jungfrauen.
Liebe Leser, folgendes zur Erhellung: Es gibt das Wort “Olor”, das heißt “Schwan” auf lateinisch.
Und es gibt das Wort “olere”, das “riechen”, oder auch “wittern” oder “vorausahnen” heißt, ebenfalls lateinisch.
So dass die Redewendung “mir schwant etwas” als Scherz der Lateinkundigen anzusehen ist.
Du lieber Schwan! Darauf muss man erst mal kommen. Der Ausruf kommt übrigens aus dem Lohengrin, dessen berühmteste Arie so beginnt.

Eben fällt mir ein, es gibt noch einen anderen Vogel, der in dieser Weise orakelnd eingesetzt wird: “Nachtigall, ick hör dir trapsen” wurde in meiner Familie gebraucht, wenn man glaubte, den anderen eines Begehrens überführen zu können, das jener noch gar nicht geäußert hatte.
(Der Ausdruck stammt übrigens aus dem Lied „Frau Nachtigall“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ und parodiert im Berliner Volksmund die Anfangszeilen der ersten und zweiten Strophe: „Nachtigall, ich seh dich laufen“)

So, genug.
Bleiben Sie mir gewogen, liebe Leser &: Einen schönen Sonntag allerseits.

Das Tainted Talents Wort zum Sonntag 4:

“salbadern”

Seit dem 17. Jahrhundert heißt das, langweilig, frömmelnd und seicht vor sich hin zu schwätzen, ohne den anderen zu Wort kommen zu lassen. Die Gesellschaft eines “Salbaders” ist äußerst ermüdend. Nicht wenige davon laufen noch frei herum, obwohl der Begriff längst ausgestorben ist. “Salbadern”, lese ich, hat sich aus “salbungsvoll” entwickelt. Hab allerdings heute keine Zeit, das nachzuprüfen. Oder über diesen paar Sätzchen hier zu brüten, bis sie lustig werden.
Denn das lustige, liebe Leser, kommt “nicht von ungefähr” (auch ein schöner Ausdruck), man muss sich ein wenig Zeit dafür nehmen. Die ich heute nicht habe. Weil Frau Mama mit Spargeln wartet. Und bevor ich nun weiter herumsalbadere: Abmarsch.

Das Tainted Talents Wort zum Sonntag, 3:

“glimpflich”

meint “ohne größeren Schaden”.
Heute selten noch als “glimpflich davonkommen” verwendet. Ich mag die Redewendung, weil sie so bündig die Erleichterung zum Ausdruck bringt, die man empfindet, wenn man den Hals noch mal gerade so aus der Schlinge gezogen hat (noch ein Ausdruck, der es nicht mehr lange machen wird)
Versuchen Sie mal, liebe Leser, “glimpflich” durch ein modernes Wort zu ersetzen – keine Umschreibungen, sondern ein einzelnes Wort. Gibt’s da eins?
Tja.
Die Wurzeln dieses wunderbaren Adjektivs, GLIMPF für angemessenes Benehmen und UNGLIMPF als Beleidigung, sind verschwunden, womit natürlich auch ihre Ableitungen “glimpflich” und “verunglimpfen” auf der Abschussliste stehen.

Im Adelung, dem grammatisch-kritischen Wörterbuch der deutschen Mundart von 1793, meiner heutigen Wortquelle, bezeichnet GLIMPF die “Mäßigung in dem Betragen gegen andere, besonders die Bemühung, ihnen bey einer nothwendigen unangenehmen Behandlung alle unangenehme Empfindungen so viel möglich zu ersparen.”
Also ich finde, das ist erstrebenswertes Benehmen, insofern sollten GLIMPF und glimpflich dringend wieder in den Sprachgebrauch eingeführt werden. Denn was passiert, wenn man NICHT glimpflich davonkommt, wissen wir alle:

In diesem Sinne, liebe Freunde von Tainted Talents. Bewahren Sie Glimpf.

Das Tainted Talents Wort zum Sonntag:

Der “Haberecht”

Veralteter Ausdruck für einen Menschen, der immer Recht haben will. (Das war einfach, zugegeben)
Gehört in die gleiche Wortfamilie wie “Wagehals”, “Taugenichts” und “Habenichts.”
Meine Quelle erläutert zum “Haberecht” und seinen Wortcousins- und Cousinen:
“Diese Mannsnamen haben etwas gemeines an sich, daher sie Bauern, Räubern und plumpen Riesen beigelegt wurden.”
Meine Quelle behauptet nun, jene Bezeichnungen seien mit dem Untergang der veränderten soziologischen Verhältnisse aus der Sprache der Gegenwart verschwunden.

Was für veränderte soziologische Verhältnisse???
An Bauern und Räubern mangelt es nicht bei uns. Nur die Riesen scheinen weitgehend ausgestorben. Schade. Würde ich einem begegnen, käme es mir allerdings nicht in den Sinn, ihn anders als mit “Herr Riese” anzusprechen. Selbst wenn er noch so plump wäre.

Wortquelle: Nabil Osman “Kleines Lexikon untergegangener Wörter” Verlag C.H. Beck 1971

Tainted Talents Wort zum Sonntag, 2:

“Federleser”.

Wetten, Sie wissen nicht, woher das kommt. Dem will ich gleich mal abhelfen.
Seit dem 15. Jahrhundert wurde es als kriecherische Schmeichelei aufgefasst, einem Höhergestellten die Federchen von der Kleidung zu klauben. Wer es dennoch tat, wurde verächtlich als “Federleser” bezeichnet.
Muss man sich bildlich vorstellen.
Also, fünfzehntes Jahrhundert, zu Ross in der engen Gasse, schnatterndes Federvieh zwischen den Stiefeln. Man ist ermattet und schmutzig vom Tage, will schnellstens hoch auf die Burg, in den Waschzuber. Die Hühner indes raufen, so ist es nun mal, so wird es immer bleiben und die Daunen, die sie sich kreischend aushacken, heften sich flugs an die schmutzigen Gewänder. So kann man sich zuhause nicht blicken lassen. Was tun?
Haltung bewahren. Denn ewig wie das Raufen der Hühner ist auch das Erscheinen des Federlesers; schon nähert sich ein Männlein mit unterwürfigen Gebärden:
“….”
“…”

Den Dialog, verehrte Leser, überlasse ich Ihnen.

Wortquelle: Nabil Osman “Kleines Lexikon untergegangener Wörter” Verlag C.H. Beck 1971

Das Tainted Talents Wort zum Sonntag, 1

Läffeln.

Einer anderen Person anderen Geschlechts seine Liebe zeigen und in engerer Bedeutung, unverschämt bei dem anderen Geschlechte seyn, seine Liebe oder vielmehr Lüsternheit durch unanständige Bezeigungen und besonders durch dreistes Küssen an den Tag legen.
Auch “abläffeln” oder “läffelhaft” waren in Gebrauch.
Kommt von “löffeln” – an der Liebe gleichsam naschen –
Nachdem die Bedeutung von “Löffel” im Sinne von “Liebesnarr” untergegangen war, verschwand natürlich mit der Zeit auch das dazu gehörende “läffeln”.
Schade eigentlich.

Es gibt noch “pussieren”. (Aber wahrscheinlich auch nicht mehr lange. Wenn wir es nicht retten)

Quelle: Nabil Osman “Kleines Lexikon untergegangener Wörter” Verlag C.H. Beck 1971