TTag, Freitag, 19. November 2010. Last exit Leipzig.

So. Letztes Seminar für dieses Jahr; Anfang Dezember noch ein dreitägiger workshop, das war’s dann. Atelierzeit. Manuskriptzeit. Semioticghosts fliegt bald von der zugigen britischen Insel rüber, also auch Schwesternzeit. Und schon (grrr) kommen die Ersten und fragen, was man denn an Sylvester … ?
Regen.
Bis zum Seminarbeginn heut’ Abend in Leipzig muss das Gesicht entschwollen sein, momentan sieht’s nicht danach aus, bin der Bühnen ein wenig müde gerade, wird Zeit für anderes. Der Verlag will für die Publikation von “Fettberg” auch Zeichnungen. Und ich will mindestens drei Dinge tun demnächst, die mich selbst überraschen, denn wenn man was wagt, kommen die Bunnies! Dieser hier zu meiner Lesung in Paris im Hotel de l’Opera… : )

TTag, Donnerstag, 18. November 2010. Auf jetzt!

Bin schwer im Soll mit der Lohnarbeit, wie konnte das passieren, nu reißen Sie sich mal zusammen, Frau Kiehl, jetzt wird nicht gezimpert, der Berg ruft & alles andere später.

17:10
Abend wird’s am Wörtersee. So langsam machen alle Lohnschiffe am Ufer fest.

00:01
Hey, Nachtcrew, macht nicht mehr so lang’ heute. Und keine Endlosselbstsalbadertunes, die sonst niemand versteht, CAPITO?
Thanx : )
Muss ins Bett.

TTag, Montag, 15. November 2010. Eraserhead.

Eben fünfzehn, fast zwanzig Minuten mit Löschungen entgrenzter Kommentare verbracht. Danke! Tausend Dank den Akteuren! Ich wüsste sonst gar nicht, wie ich meinen Tag beginnen sollte, gell.
Bis später allerseits, muss erstmal das Mus aus meinem Schädel kriegen.

14:13
Bin dabei, die deutsche Version meines Romanmanuskripts “Fettberg” durchzugehen – hab’ eine Verlagszusage! Freu’ mich sehr – endlich werden jene, die kein Englisch mögen, mein Buch auch lesen können.
Dideldidu…

16:53
(“Hab’ wirklich ich das geschrieben?”)

19:13
Fettberg.
Der Anfang:
“Das Areal liegt im Dunkeln. Hier am Rand, wo sich der Baumbestand lichtet und die Außenanlage der Weiko-Sud Fastenklinik beginnt, sind auch die Geräusche des Waldes fast verstummt. Nichts regt sich.
Nichts?
Eben, als der Mond hinter einer Wolke verschwindet, schlüpft eine kleine, elegante Jägerin aus dem Unterholz und betritt den sauber geschorenen Rasen. Sie weiß sehr wohl, dass sie sich dem Nachtblick größerer Beutemacher aussetzt, doch sie ist erst wenige Monate alt; ihre Vorsicht entspringt dem Instinkt, nicht der Erfahrung. Das könnte sie heute Nacht das hübsche Fellchen kosten.
[…]

TTag, Samstag, 13. November 2010. Schwellend.

Guten Morgen, geschätzte Leser:innen. Erstmal mein Gesicht beruhigen, und die Augen, die mir wie heiße, trockene Murmeln im Schädel liegen, ich seh’ fast nichts. Allergisch reagieren gehört zu meinen top skills, ich kann das dermaßen gut.
Bis nachher. Kümmere mich erstmal um mein randalierendes Immunabwehrsystem. grrr.

(Lieber Lobster, ich hab’ die Triebe der letzten Nacht gelöscht, wie Sie selbst vorschlugen… schade, nachdem ich den ersten gelöscht hatte, waren alle weg, auch die zwei, drei poetischen, die ich stehen lassen wollte)

12:07
Wussten Sie eigentlich, wie man direkt unter den Kommentar antwortet, auf den man sich beziehen will? Wie, Sie wussten es alle schon? Jenen, die genauso dappich sind wie ich: ich hab’s tatsächlich eben erst kapiert, man darf nicht direkt im Kommentarbaum zu dem Beitrag gehen, auf den man reagieren will, sondern muss hier links in der “Aktuelle Beiträge” Spalte den betreffenden anklicken, und im zweiten Schritt erst auf “antworten”. Blöd natürlich, dass da nur 9 Kommentare gelistet sind, ich geh gleich mal nachsehen, wo sich die Anzahl erhöhen lässt.
(Im Ernst, bin ich die Einzige, die das nicht wusste?)

16:00
Früher (naja gut, ganz früher) buk man sich Haschischplätzchen zu besonderen Anlässen. (Was, Sie nicht?) Die waren höllisch, die Dinger, weil man nie wusste, wann die Wirkung einsetzt, und wo man dann gerade mit wem sein würde. Konnte fürchterlich schief gehen. Ich hab’ das natürlich nie gemacht, klar.
Aber heute, wenn mir da jemand Antihistaminplätzchen büke, ich würde nicht nein sagen. Nö. Ein Pfund oder zwei würd’ ich mir davon servieren lassen, locker.

20:00
Schlafblog: das Antihistamin haut mich, auch ohne Plätzchen, stracks auf die Matte, schon seit Stunden. Öffentlich den Tag verpennen: TT’s neue Lieblingsbeschäftigung ; )

TTag, Freitag, 12. November 2010. Blogroll?

“Warum hast Du eigentlich die Freunde gelöscht auf TT?”
“Hm?”
“Die Liste links.”
“Ach, irgendwann hab’ ich einen Rappel gekriegt und dachte, die Dinger bringen doch niemandem was.”
“Widerspricht aber doch irgendwie der Idee eines Blogs, findest Du nicht? So, wie es jetzt ist, ist TT ein Solitär.”
“Was stört dich daran?”
“Denk’ einfach mal drüber nach.”
“Mach’ ich.”

TTag, Donnerstag, 11. November 2010. Pumping iron.

Erstmal an die Hanteln… bis späteln.

12:38
NEU: TT bei litblogs : )

ALT: TT an den Hanteln…

(Courtesy of Gabi Schirrmacher, Fotoarbeit, Serie “Bitches & Badges” 1995)

19:14
Eigentlich gehört zu diesem alten Bild noch der Text unten… vor fünfzehn Jahren… trainierte ich in einer runtergeranzten Muckibude, kaum Frauen, kaum Geräte, dafür haufenweise unterkomplexe Kerls mit Frottee- T-Shirts und bunten Hosen. Ich mochte es. Meine Selbstwahrnehmung hat sich grundlegend geändert seitdem, aber manchmal – eben, als ich diesen Text ausgrub – springt mich die Erinnerung an.

“Im Traum schlafe ich mit dem Hawaianer, der bei mir im Studio trainiert, er ist groß und finished, und der kleine Pino, der seit dreißig Jahren Eisen stemmt, erzählt mir an der Theke vertraulich, wie er den Typen beim Duschen beobachtet hat, und daß der ein Mann sei, der einer Frau gefallen könnte…
Im Traum verpasst er mir Aids. An den Sex kann ich mich heute morgen nicht erinnern, aber an die Panik.
Ich trainiere also wieder. Die einzige Frau, die sich da im Territorium der Athleten breitmacht, aber sie kennen mich, viele kennen mich und kommen nach und nach, mich nach der monatelangen Pause willkommen zu heißen. Ich reiße schwere Gewichte hoch, vor dem Spiegel, narzistisch wie alle anderen.
“Was hast Du denn jetzt für eine Arbeit?”, fragt einer, “bist Du Türsteher?”
Ein anderer tritt an die Maschine, an der ich gerade fertig geworden bin. Ein überraschter Gesichtsausdruck breitet sich auf seinem Gesicht aus, als er nach der ersten Bewegung die Hände wieder von den Griffen nimmt.
“Du bist gut!”, sagt er zu mir, und an seinen Freund gewandt, “Sie ist gut!!”
“Das weißt Du doch”, sage ich, ich kenne ihn nur flüchtig, ein Pole.
Meine alte Kraft ist noch nicht wieder zurück, doch die Überraschung in den Augen der Jungs ist Erinnerung an das, was wieder sein wird. Ich brauche die wortkarge Atmosphäre, die Sprüche. Alles ist einfach hier. Alle quälen sich. Manche haben bessere Chancen, weil geeigneteren Körperbau, unter anderem ich. Mein Körper verspricht immensen Kräftezuwachs, rapides Muskelwachstum. Endlich sind die kräftigen Beine mal kein Makel – wenn ich Kniebeugen mache, merke ich, wie die Halle still wird.
Sie betrachten mich als seltsames Extrawesen, keine Frau, die man anmachen würde, sondern eine, der sie sich ohne die gewohnten Machismen nähern. Sie sind interessiert. Sie fragen mich nach meinem Training und nach meinem Beruf, diese Türken und Jugoslawen, die sofort auf straff umschalten, sobald eines der geschnürten Aerobic-Mädels um die Ecke tänzelt.
Ich schüttle allen die Hand und rede mit ihnen. Die Neuen sind unsicher und wissen nicht, was sie mit dieser untypischen Frau anfangen sollen, die so trainiert, als sei sie ein Mann, sie ist ihnen unheimlich, doch sie kommen trotzdem, um ein paar Worte zu wechseln, Neugier auf die Abartige siegt immer. Ich mag diesen Platz, an dem ich keine Künstlerin, sondern ein geformtes Stück Muskel bin. Ich mag die Konzentration in den Gesichtern, die bei den ernstzunehmenden Athleten Grimassen der Häßlichkeit auslöst und bei den Halbherzigen nur Verzerrungen, so wie kurz vor einem halbguten Orgasmus. Ich tauche in diesen kunstfreien Raum mit seinen Lauten und Gerüchen und verschwitzten Trikots. Ich bin hier hervorragend aufgehoben. Hier macht sich jeder selbst zum Kunstwerk, eine reduzierte und nachvollziehbare Ambition.
Ich trinke mein Eiweiß an der Theke, schultere meine Tasche und gehe.”
(Aus den Tagebüchern. Phyllis 1995)

TTag, Mittwoch, 10. November 2010. Litblogs.

Heute, endlich, will ich die Materialien zusammenstellen, die litblogs noch fehlen, um TT dort aufnehmen zu können; die Anfrage kam vor ein paar Wochen. Hat mich gefreut. Besonders, weil ich TT ja bewusst als Ateliertagebuch, nicht als literarisches Weblog bezeichne – um mir und Ihnen die innere Jury vom Hals zu halten. Und um krude Gebrauchsgedichte schreiben zu dürfen ; )
Erstmal loslegen jetzt. Bis später!

12:14
Leidig: die Textprobe. Zehn Zeilen für litblogs – aber welche??? Welche waren meine besten zehn Zeilen ever? (schnauf)

19:36
Alles erledigt. Jetzt meine Freundin Parastou verabschieden, die übermorgen in den Iran fliegt. Wird heikel, ihr Aufenthalt in Teheran, diesmal noch mehr als letztes Jahr, und auch da war’s schon knapp.

TTag, Montag, 8. November 2010. Kugelfischalarm.

Freundlich winkend allen, die sich gestern von der Kloppe abgegrenzt haben, die hier aufm Hof ausgetragen wurde, während ich abgelenkt war: ich ahnte nicht, dass mein Text vom Samstag die Gemüter derart erhitzen würde. Meine Güte. Wo war denn die Gefahr an Leib und Leben, dass so dick aufgepumpt werden musste – war das Leidenschaft, ging’s um Gefühle? Gar welche für die gescholtene Kreatur? Ach was, glaub’ ich nicht. Zeit für Tacheles:

Sie wissen, dass mir nichts egal ist, nicht wahr? Dass tainted talents nicht deshalb existiert, weil ich meine Finger nicht im Zaum halten kann? Klar wissen Sie das.
Wir werden hier langsam viele, macht nichts, der Ort wächst ja mit. Manchmal krieg’ ich inhaltlich und formal etwas zu fassen, das meinen Gästen den Tag auflädt, oder die Nacht, manchmal ist es umgekehrt, dann lehne ich mich genüßlich zurück. Immer aber geht es um Form: ohne die verpufft jedes Anliegen in die Redundanz, wird aus Aufladung Eskalation. Und für die gibt es Höfe.

Ich bin nicht schnell.
Allein an diesen paar Zeilen sitze ich jetzt schon über eine Stunde – könnte ich mir als Selbstständige meine Zeit nicht frei einteilen, ich wäre verloren. Womit ich nur sagen will: wenn hier morgens etwas steht, wenn Gäste vorbei kommen, ein Text, ein Bild, eine Zeichnung, sind mir die nicht aus den Fingern gerieselt. Meistens zumindet. Umso mehr weiß ich jene zu schätzen, die TT nicht mit einem dieser Höfe verwechseln.
Ich bin wahnsinnig neugierig.
Deswegen lasse ich vieles zu, an mich ran, bei dem andere vielleicht schon schneller mal den Löschfinger zücken würden. Dennoch: weckte man mich mitten in der Nacht, könnte ich aus dem Stand sagen, welche Gäste für mich real sind und welche nicht. Mit real meine ich inhaltlich, emotional und formal greifbar. Mit real meine ich Personen, die es nicht nötig haben, andere in die Pfanne zu hauen, um ihrer Präsenz Gewicht zu verleihen.
Ich bin keine Chefin.
Das Spielchen, wie weit man hier gehen kann, bevor man von mir in die Schranken gewiesen wird, interessiert mich nicht. Ich brauche auch keine Fans, die mein Revier mit endlosen Gedankenfetzen und gelegentlichen compliments okkupieren und dabei noch glauben, mir schmeichelte das. Natürlich schmeichelt’s mir, sind aber Kicks, die schnell schal werden.
Ich bin doch Chefin.
Und war’s schon immer. Ich war noch nie irgendwo angestellt, ich erkenne Handlungsbedarf, stelle mich vor: wenn’s gut läuft, werde ich mit jenem Handeln beauftragt. Ich hab’ keine Lust auf parasitäre Strukturen, praktiziere sie selbst nicht, warum sollte ich sie hier dulden? Sie, die Form praktizieren, werden sonst bald keine Lust mehr haben, hier vorbei zu kommen, geschweige denn, uns etwas von sich zu zeigen. Das wäre ungeheuer schade. Vielleicht war ich zu lax hier auf TT. Kein Problem, ich kann auch anders.

14:04
Moment… ; )
Nein, hab’s mir eben anders überlegt, muss erstmal hier zu Potte kommen mit meinem Tagespensum.

18:36
Flaumiges Vöglein, silbernes Fischchen, schnupperndes Häschen, ich rufe Euch!

TTag, Sonntag, 7. November 2010. Entspürt, nein Endspurt.

Erstma
Semina
fettichmachen.

Nur eines noch zu meinem gestrigen Beitrag: wer da herausliest, ich hätte mich erhoben – über Affen oder sonst eine Kreatur – hat das so lesen w o l l e n. Das steht da nicht. Im Gegenteil. Von Sehnsucht ist die Rede, die eigenen intellektuellen Grenzen überwinden zu können. Ich seh’ nur die Schatten an der Wand. Eher schlicht, die Aussage, als provokativ.
Und daß, wie mir berichtet wurde, auch andere Geschöpfe auf anderen Bewusstseinsstufen diese Sehnsucht empfinden. Schrieb ich. Dass mir die Traurigkeit in den Augen dieser Geschöpfe vertraut sei. Manchmal löst ein Spiegel auch Aggression aus, nicht wahr. Ich beschimpfte die Affen an meiner statt. Davon ist aber gestern keiner vom Baum gefallen.

17:47
Ich habe den gestrigen Beitrag offline gestellt. Ging mir zu weit. Tainted Talents ist ein Ateliertagebuch, kein Kampfplatz.