TTag, Freitag, 3. Dezember 2010. IQ-Booster.

In Eile heute, Tusker eröffnet heut Abend bei Rehbein in Köln, vorher Bürokram. Anrufen, ob eher smart, sexy oder klassisch angesagt. Erinnert mich an meinen Vater, der früher bei meinen Vernissagen immer wie ein Sammler auftrat, extrem distinguiert und nicht allzu herzlich. Allzu herzlich ist eh schlecht, rumkumpeln bei Vernissagen — brrr.
Ich hab’ ne Brille, die mir zwanzig IQ-Punkte zusätzlich ins Gesicht schreibt, vielleicht nehme ich die dazu. Manchmal setz’ ich sie auch auf Seminaren ein, doch dann muss ich das von Anfang an tun – wenn die jungen Leute mich schon eine Weile kennen, kaufen sie mir die gekaufte Arroganz nicht mehr ab. Na, Köln ist unvertrautes Gelände, da steh’n mir noch alle Möglichkeiten offen, sogar der tief gehängte Haarknoten im Nacken zur IQ-Brille, das ist dann wirklich advanced. Fehlt nur noch ein Paar Perlenohrringe, wer welche übrig hat, bitte melden!
So, an die Arbeit. Nächste Woche noch mein wirklich allerletztes Seminar für dieses Jahr, dann pack’ ich mein Lehr-Selbst für ein paar Wochen in Kur. Und entgleise. Wenn ich’s noch kann.

TTag, Mittwoch, 1. Dezember 2010. Im Namen des Herrn Rilke:

„ …und ich möchte Sie, so gut ich es kann bitten, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst lieb zu haben, wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.“

Mmmmmh.
Hm?
Hach.
Ach so.

TTag, Montag, 29. November 2010. Yelp!

Ruhige Tage, wo seid ihr?
Wo sind Kutsche und Muff?
Puderzucker?
Das Hündchen?
Die verdammte Hausmusik?
Ach, Leser:innen!

19:00
Geriet vorhin arglos in eine Schneeballschlacht mutwilliger Teens. Dies hier ist d e f i n i t i v kein Muffplanet mehr.

21:02
Maulheldin goes maulfaul: beschließe ab sofort demnächst zwei feste Ateliertage pro Woche, ohne Handy, ohne laptop und webstick. Der Anrufbeantworter bleibt auch im Einsatz, entgegen aller Proteste : )
Ich frag’ mich ernstlich, wie asozial ich werden darf, um meine künstlerische Ebene im Fluss zu halten.

TTag, Freitag, 26. November 2010. Nachtwache.

Als der Schnee um die gelbe Laterne flog, gegen halbfünf heute Morgen, konnte ich den Glimmer noch zählen, jetzt nicht mehr. Welcher Baum streut da Flugsamen mitten in der Nacht, dachte ich schläfrig. Wie weich. Welcher Baum.
Doch jetzt ist Tag, und November, und das ist keine Saat da draußen.

18:09
Was für ein Wurm heute drin ist, ich will gar nicht anfangen, ihn zu beschreiben, so dick und entsetzlich träge ist das Ding.
Immerhin, vorhin Belohnungssession (für was eigentlich, die Belohnung (?) mit Jeep (“Wie das Auto”), die mir anderthalb Stunden lang den Leib geradezog und bog, unter Zuhilfenahme sämtlicher Fußsohlen, Fingerspitzen, Fäuste und Ellenbogen. Die Frau ist winzig, aber stark wie Harry. Duftet nach Eukalyptus. Ein Träumchen. Ein Schneeköniginchen.
Mein Kopf dröhnt. Haben Sie einen schönen Abend, geschätzte Leser:innen; ich kriech’ auf’s Sofa.

TTag, Dienstag, 23. November 2010. Freundschaften & andere Katastrophen.

– Gib mir mehr, sagt Sanssourir, du musst wissen, was ich dir wert bin.
– Nichts, sage ich, doch das ist gelogen.
Sie sinkt, aber langsam, damit ich zusehen kann.
– Erpress’ mich nicht, sage ich.
– Aber, schreit sie, ich falle!
– Du hältst mich von jenen fern, die ich liebe, sage ich, unverzeihlich ist das.
– Was kann ich dafür, ich brauch’ dich mehr als die, jammert sie.
– Du weißt genau, wie schwer ich widerstehen kann, sage ich, ich gebe dir alles. Während meine Vertrauten verdursten, weil ich nichts mehr für sie übrig habe, ich bin ganz trocken, vor lauter…
– Lauter was? ruft sie. (Ich hasse diesen Eifer in ihrer Stimme)
– Vor lauter Rücksicht auf dich. Du erntest alles ab. Du wirst immer schöner und dicker, und das Schlimmste, du behauptest inzwischen, Du seist die Wichtigere von uns beiden.
– Und? Ist es nicht so?
– Nein. Du bist mein Alter Ego, das ist was anderes; ich habe dich gemacht. Die Anderen, meine Freunde, sind wirklich. Sie verdienen was Besseres als das dünne Rinnsal, das von mir übrig ist, nachdem ich dich gestopft habe. Du bist eine ignorante Kuh, um ehrlich zu sein, ich glaub’, ich muss dich einschmelzen.
– Du wirst schon sehen, was du davon hast!
– Ja, werde ich, sage ich. Du bist einfach zu breit geworden. Du pflanzt dich vor das Lächeln meiner Freunde, und ihre Nöte verdeckst du auch.
– Ich werde abnehmen! Versprochen! Außerdem haben die dich eh längst aufgegeben.
– Dann hole ich sie zurück. Halt’s Maul jetzt.

18:53
(Oje, ich hab’ doch nicht gesagt, das S i e den Mund halten sollen! ; )
Ganz schön still heute auf TT, keine Endloskommentare. Das hat mich schon gewurmt: zu denken, ich müsste mich zukünftig zur Löschfahrzeug-Kommandeuse aufschwingen – da fällt mir immer einer meiner früheren Geliebten ein, der ins Schwärmen kam, wenn ich streng wurde. (“I like it when you’re bossy!”)
Hat sich nicht lange gehalten, der Mann: nicht alles, was ich kann, will ich auch praktizieren, schon gar nicht im Privatleben.
Die Einzige, die heute richtig gearbeitet hat hier, ist die Dame, die bei mir putzt: ich selbst regeneriere. Denke aus intimen und daher unaussprechlichen Gründen über Freundschaft nach. Es ist wahnsinnig ruhig da, wo ich wohne, eben gerade. Passt mir gut. Keine Stimmen.

TTag, Montag, 22. November 2010. Adieu, Seminarsaison.

Flip: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Roll’ Dich schön auf und stell’ Dich in die Ecke,
und ja, vor allem, lass die Eddings los.

Sag’ Deinen letzten Satz und mach ihn fein;
gieb ihm noch eine ehrlichere Frage
dränge sie zur Vollendung hin und jage
den letzten Inhalt in das schwere Sein.

Wer jetzt kein Wort hat, traut sich keines mehr
wer jetzt noch karg ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, zweifeln, lange Briefe meiden
und in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die andern schreiben.

(Mit einer Entschuldigung an, Sie wissen schon)

16:49
Angesichts der Kommentarfolge kommt’s mir mal wieder so vor, als zöge sich über den ganzen TT-Hof ein riesiges HimmelundHölle Spiel, in dem aber nur zwei große Jungs miteinander hüpfen… bin allerdings heute so müde, dass mir die eigene Kreide aus den Händen zu gleiten droht.
(Eben, zeitgleich zu meinem Beitrag, der Kommentar von Schreiben wie Atmen. Merci für diese Außenperspektive! Hab’ ich nicht höchst konstruktiv darauf hingewiesen, dass es andere (bessere!!!) Möglichkeiten für Jungsgeplapper gibt? Hm?)

Ihr Spiel, lieber A23H, lieber Lobster, ist nur mäßig interessant für andere, um’s mal milde auszudrücken. Wenn Sie so weitermachen, zück’ ich den Schlauch und spritz’ den Hof ab.

18:27
Bange Frage.
Womit schicke ich mein armes Hirn auf die Reise, wenn ich alle “Lost”-Staffeln durchhabe?

Nachtrag, Dienstag, 23. November
Meine Toleranzgrenze, das Kommentarverhalten einiger Gäste betreffend, wurde gestern deutlich überschritten. So geht das nicht.
An jene, die’s betrifft: ich will heute nichts von Ihnen hören. Im Ernst. Keinen Piep.

TTag, Sonntag, 21. November 2010. Leipzig-Frankfurt.

Seminarbeginn..

09:30
Teilnehmer gut drauf.

das bockt (Tracy)
das fetzt (Mascha & Natalja)
hammer (Donn)
voll mies (Linda) (“voll mies heißt, es war richtig gut?” “Ja!”)
üüüübelst geil (Asti)
oah krass (Dona)
nicito (Kristina)
licki licki like it! (Sinan)
na loool .. (Asti)

“Und wie sagt man, wenn jemand etwas richtig gut hinbekommen hat?”
“Du Stock!”
“Und wenn jemand anders es n oc h besser macht?”
“Du Hauptstock!”

18:31
Ich muss da noch was klar stellen: meine wunderbare Gruppe hat mir zuliebe heute ein bißchen Schülerslang bereitgestellt für TT. Das heißt aber nicht, ich wiederhole n i c h t, dass sie auch so schreiben! : )
Nö.
Sie haben sich selbst übertroffen, und wenn ich nicht so diskret wäre, würde ich das ein- oder andere auch hier einstellen – einfach, um zu zeigen, was Neunzehnjährige sprachlich auf der Pfanne haben, wenn man sie ankickt und dann in Ruhe machen lässt.
Überlege ernstlich, im kommenden Jahr ein Seminarblog einzurichten.
Auch dieses Mal kam wieder eine junge Frau in den Seminarraum geschneit, die vor zwei Jahren dabei war (Hallo Albina! ; ), so wie beim letzten Mal Meltem (Hi, Meltem! : ), einfach nur, um zu sehen, wie es uns “Neuen” geht beim Schreiben. Solche Besuche von “alten Hasen” sind immer sehr willkommen, besonders, wenn sie erzählen, dass mein Kurs ein Auslöser war, und dass sie dabei geblieben sind mit dem Schreiben. Albina erzählte heute, sie möchte ein Buch herausgeben mit unseren gesammelten Texten der letzten Jahre. (Mach das!!!! Die Stiftung wird Unterstützung anbieten, hoffe ich. Und ich sowieso.)

Bin ziemlich groggy. das ganze Wochenende hab’ ich der Versuchung widerstanden und kein einziges Schokoladenplätzchen gegessen (na ja, fast keines), dafür bei Ankunft am Bahnhof zwei Stück Kuchen gekauft und verschlungen, noch bevor ich im Taxi saß. Ein sicheres Zeichen für Überanstrengung, ich esse fast n i e Kuchen – Miss Talents braucht ‘ne Pause.
So long, Dingeldong : )

TTag, Samstag, 20. November 2010. “Verkaufen Sie Ihrem Nachbarn einen Zurbel.”

Wie, Sie wissen nicht, was das ist?
Meine Schüler wissen’s.
Obwohl sie’s vorher nicht wussten, dass sie’s wissen.

Bis später : )

12:06
Gestrige Bühnenmüdigkeit wie weggeblasen stop wir können’s stop Himmel heute riesiger gasgefüllter Ballon stop wo ist nur der Faden Fragezeichen Ende

18:55
… und ab.
Hunger!
(Falls Sie sich übrigens fragen sollten, ob wie den ganzen Tag nur gezurbelt haben: nein. Natürlich nicht. Den Rest des Tages haben wir den Faden gesucht – Sie wissen schon ; )

Sonntag, 21. November, Nachtrag:
Der Zurbel stammt aus einem Text von Dasa Szekely, Coach und geschätzte Trainer-Kollegin, der unter dem Titel “Mit Kreativität die Welt retten” in Sushi Nr. 11 erschienen ist.