Die figurbewusste Französin…

hängt sich ihren Croissant morgens lieber ans Ohr.

(Foto: petitplat.fr)

Sorry wegen der Funkstille gestern. Sie werden sicher verstehen, dass dieser Frühlingstag mit 29 Grad Celsius nicht dazu angetan war, ihn vor einem Laptop zu verbringen.

Fröhlich winkend, Ihre:
Madame TT

(die sich jetzt auf die Suche nach einem Croissant macht, einem echten)

p.s. Mein neues Büchlein “Gewebeproben”, erfuhr ich eben, ist im Druck. Wollen Sie’s vorbestellen?
Gibt’s >>> hier bei Amazon.
Bei d e m Minipreis müssen allerdings ganz schön viele Vorbestellungen eingehen, damit ich noch eine Woche länger in Paris bleiben kann ; )

Das Clochardkaninchen

schien unter dem Papp-Dach wohlgenährt, der Clochard selbst freundlich und strategisch waren die beiden ausgesprochen gut plaziert vor den Toren der Cité des Arts: welcher Künstler, der etwas auf sich hält, geht schließlich an einem Kaninchen vorbei, ohne eine Kleinigkeit in dessen Hut zu werfen?

Ob der Fels noch da ist, wenn die Brandung zurückkommt

Farah Days Tagebuch, 23
Donnerstag, 14.5.2014

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unheil, denn Du bist bei mir; Dein Stecken und Stab trösten mich. Doch welcher Trost? Der Stecken, mit dem Du schlägst, der Stab, mit dem Du führst, welcher Trost, welches Ankommen?

: als verbrächte eine andere meine Zeit, ich selbst ein Wirbel in ihrem Zimmer, durch das der Wind fährt. Ich fühle zu viel.
Ich fühle zu wenig.
Beides fühlt sich exakt gleich an.
Ich habe keine Gesellschaft.
Ich habe zu viel Gesellschaft.

Immer reißt die Verbindung, Verwundung, Versuchung, spüre ich etwas anstelle von. Wenn Wind aufkommt, gleite ich. Durch die Löcher in meiner Hülle laufen die Hohlräume voll; wie gerne löste ich den Pakt mit meinem Element, verließe das Wasser.

Verwende mich, sag’ ich.
Bring’ mich auf Grund, damit ich aufsteigen kann.
Dà.
So ein einfaches Prinzip. Wie oft wird es wirken und gültig sein? Es verbraucht keinen Brennstoff, sondern die Zelle selbst.
In Spannung älter werden. Magnetisch alt werden. (Wenn das mal gut geht.
)

Ich bin voller Feen, die den alten Geist zum Lachen bringen, nachts. Frei.
“- Frei?”
Kaum in Frage gestellt, lüftet die Diva ihren Hut und zieht weiter. Undankbares Gesocks wie mich hält sie schlichtweg nicht aus, die Freiheit: andere, schließlich, lassen ihr Leben für sie.
(Bist Du noch da?
Deine Liebe hält mich hier. Deine. Sonst wär ich langschon verpufft.)

Nachfolgend drei Weisheiten über

1. Kartoffelbowiste:

2. Schönheit:

3. Nichtwissenwollen:

(Bitte selbst eintragen)

Wie alt ich werden will, hab’ ich mich nie gefragt: einfach ebenso alt wie Du. Das Begehren als Wurzel der Liebe, Erde, Eiweiß und Morast, Schlamm und Schleim, brackig, Metalle, Karamell, bleibt alles zurück, wenn Liebe erwachsen wird, doch an Gerüche erinnert man sich am längsten. Du wirst immer wissen, wie ich rieche.

– Ich habe einen Überwurf gesehen, der mir gefällt. A-förmig aus schwarzem, weichem Leinen. Innen rostrot.
– A bodyhide… sagt sie.
– Ja, sage ich. Die verwegenen Teile trage ich vielleicht fünfmal im Jahr, diesen Mantel aber wollte ich sofort. An allen Tagen minus fünf werde ich mich in ihm aufgehoben fühlen.
Sie neigt den Kopf, lächelt mich an.

(Wann ist aus unserem selbst wir ein auch wir geworden?)

Ob der Fels noch da ist, wenn die Brandung zurück kommt?
Manchmal muss man durch tiefe Wasser, um so einen Satz zu finden.

Mein Glauben ist inzwischen so löchrig, ich kann an mehreren Stellen den Himmel durchsehen.

Außer sich

Wie der Morgen grad’ aufflammt! (Bei Glück denk’ ich an Pieseln: auf dem Land, früher, wenn mir ein Welpe entgegenrannte: so außer sich, mich zu sehen, dass hinter ihm alles nasswar. Ob der Welpe weiß, dass er glücklich ist? Muss er wissen, dass er glücklich ist, um es zu sein?)

Es ist grotesk schwierig, wirklich zu spüren, wie man sich fühlt. Im Ernst.
Solange man keine Worte dafür hat, kann eigentlich nur der Impuls einen irgendwohin treiben, in eine Ecke oder auf einen Gipfel, je nach Psychostruktur unters Bett oder auf die Bühne, nach Paris oder wohin auch immer. Doch würden wir dort nicht lange bleiben, im Schrank, auf dem Gipfel, in Paris: es gäbe ja keinen Grund. Oder? In einem Zustand, der unserem Ermessen nach keinen rationalen Auslöser hat, verweilen wir nicht gerne; neurotisch nennen wir solches Verhalten, hysterisch oder im besten Fall: erleuchtet. (Für letzteres empfiehlt es sich, fortgeschrittenen Alters zu sein.)
Ist ja auch beunruhigend: Kein Grund klingt nach bodenlos. Bodenlos ist schlecht, ist, wo früher Zwangsjacken warteten, um einen wieder in die Haut zurück zu bringen, aus der man gefahren war. Grenzen sind immer künstlich. Manchmal kunstfertig.

Als ich hier ankam, entdeckte ich, dass jemand ein Bild aufgehängt hatte. Nur ein einziges außer diesem hängt hier: Die Wände sind schon recht anfällig, der Putz instabil, jeder unschuldige Hammerschlag kann leicht zum Startschuss größerer Instandsetzungsarbeiten werden. Dennoch hing das Bild, als ich eintrat: eines von mir. Nie hätte ich gewagt, selbst hier eine solche Spur zu setzen, doch dass jemand anderes es tat! Mit dieser kleinen Geste hat der Ort ein Stückchen von mir in seine Erzählung aufgenommen: Er spricht jetzt auch von mir, nicht nur ich von ihm.

Eines der Hauptphänomene (hiermit sei der Begriff des „Problems“ aus meinem Wortschatz gestrichen) meines Lebens erkenne ich darin, wie sehr ich für mein Wohlbefinden auf Freiwilligkeit angewiesen bin: in eigener Sache wie von Seiten der anderen. Die Idee der Gabe. Hab’ ich etwas fremdbestimmt und unfreiwillig getan (kommt verdammt selten vor), erzeugt es keinen bleibenden Wert für mich, unabhängig davon, wie nützlich das Ergebnis sein mag. Und habe ich andere dazu gebracht, etwas für mich zu tun, ohne eigenen Impuls und Antrieb (kommt ebenfalls verdammt selten vor), wird mein Unwohlsein immer größer sein als die Zufriedenheit, etwas „beim anderen erreicht“ zu haben.
(Fritz Perls sprach in den 70ern von „organismisch“: muss noch einmal nachsehen, ob das in diesem Zusammenhang war.)

Erfahrungswerte:
Vier Tage dauert es, bis ich nach einem Ortswechsel volle Rezeptionsfähigkeit erlangt habe: Vorher mache ich erst einmal alles, was ich mir zuhause verbiete. Ich verbiete mir ja nicht viel, doch wahnhaftes Fressen gehört definitiv dazu, also gab’s Baguettes, Käse und Süßigkeiten bis zum Niedersinken. Heute ist Tag vier: Zeit, der Obsession Einhalt zu gebieten, sonst passe ich nicht mehr in meine Reisegarderobe.

Gestern hab’ ich eine Zeichnung verkauft. Ich hatte sie weder ausgestellt noch angepriesen: es war einfach so, dass sich eine Frau, die mit einer Reihe meiner Arbeiten im Zuge einer neuen Publikation in Berührung gekommen war, in eine bestimmte verliebt hatte. Kann ich die kaufen, schrieb sie. Und als ich zögerte, kam eine neue Mail, in der sie mir beschrieb, warum sie gerade diese eine Zeichnung so liebt, in Ehren halten wird, beschrieb den Platz, an dem die Zeichnung hängen soll – ich war verblüfft. Genau so soll, wünsche ich mir, Kunst wirken – ob nun ein kleines Blatt oder eine große Skulptur.

„Burst out laughing“: So heißt das letzte Buch von Barry Stevens. Ich habe es bereits vor Wochen bestellt, um es hierher mitzunehmen, doch es kam nicht rechtzeitig an. Ich überlege, das als Zeichen zu verstehen: Ich schreibe Burst out laughing einfach selbst. Hier. Ich schreibe es für mich und Barry (die das sicher lustig fände) und für alle, die wissen, dass Lachen einen immer bersten lässt: aus einem festen in einen flüssigen Zustand.

Anknüpfen: Letztes Jahr um diese Zeit las ich: „Don’t push the river“. Kaum ein Buch hat mir so aus dem Herzen gesprochen, je. Dazu fällt mir eben ein, wie einer meiner Auftraggeber vor einigen Monaten das Wort „Festbeissen“ gebrauchte, um eine Arbeitsmoral zu charakterisieren, die ihm zusagt. Ich selbst habe diesen Ausdruck vermutlich noch nie verwendet: Ich bevorzuge lockere Schlingen, die fast absichtslos Wahrnehmungs- und Lernprozesse miteinander in Bezug setzen.

Bonjour Mesdames Messieurs,

Madame est au lit en écrivant. C’est possible qu’elle ne va pas sortir du lit toute la journée. Sie ‘at beauftragt mich zu richten aus, sie sich melden wird sobald le Text est complet.

In der ‘offnung vous ètes bei guter Gesundheit et en bonne forme
Madame verbleibt avec ses meuilleurs Gruße, die ‘iermit ich weiterleite.

i.A.
La concierge

(Kauder und Welsch: schöner Name für eine neue Rubrik, oder? Anm. d. Red.)

J’arrive, Paris!

Geschätzte Leser:innen,

ich mache mich auf den Weg. Tusker wird während meiner Abwesenheit die Wohnung hüten, die Futtervorräte dezimieren und bei Bedarf auf dem Balkon das leere Netz durch ein neues Bällchen für meine beiden Meisen ersetzen: Einen pro Woche picken die locker weg. Die Blattläuse auf der Zitronenmelisse haben überhand genommen, weder die Marienkäfer noch ich kamen da in letzter Zeit mit dem Melken nach: auch darum wird er sich kümmern müssen. Der Arme. So viel Verantwortung für einen einzelnen Künstler.
Ich selbst steig’ derweil in den Zug. Und wie!

À bientôt aus Paris!
Herzlich Ihre
Mme TT