Wie der Morgen grad’ aufflammt! (Bei Glück denk’ ich an Pieseln: auf dem Land, früher, wenn mir ein Welpe entgegenrannte: so außer sich, mich zu sehen, dass hinter ihm alles nasswar. Ob der Welpe weiß, dass er glücklich ist? Muss er wissen, dass er glücklich ist, um es zu sein?)
Es ist grotesk schwierig, wirklich zu spüren, wie man sich fühlt. Im Ernst.
Solange man keine Worte dafür hat, kann eigentlich nur der Impuls einen irgendwohin treiben, in eine Ecke oder auf einen Gipfel, je nach Psychostruktur unters Bett oder auf die Bühne, nach Paris oder wohin auch immer. Doch würden wir dort nicht lange bleiben, im Schrank, auf dem Gipfel, in Paris: es gäbe ja keinen Grund. Oder? In einem Zustand, der unserem Ermessen nach keinen rationalen Auslöser hat, verweilen wir nicht gerne; neurotisch nennen wir solches Verhalten, hysterisch oder im besten Fall: erleuchtet. (Für letzteres empfiehlt es sich, fortgeschrittenen Alters zu sein.)
Ist ja auch beunruhigend: Kein Grund klingt nach bodenlos. Bodenlos ist schlecht, ist, wo früher Zwangsjacken warteten, um einen wieder in die Haut zurück zu bringen, aus der man gefahren war. Grenzen sind immer künstlich. Manchmal kunstfertig.
Als ich hier ankam, entdeckte ich, dass jemand ein Bild aufgehängt hatte. Nur ein einziges außer diesem hängt hier: Die Wände sind schon recht anfällig, der Putz instabil, jeder unschuldige Hammerschlag kann leicht zum Startschuss größerer Instandsetzungsarbeiten werden. Dennoch hing das Bild, als ich eintrat: eines von mir. Nie hätte ich gewagt, selbst hier eine solche Spur zu setzen, doch dass jemand anderes es tat! Mit dieser kleinen Geste hat der Ort ein Stückchen von mir in seine Erzählung aufgenommen: Er spricht jetzt auch von mir, nicht nur ich von ihm.
Eines der Hauptphänomene (hiermit sei der Begriff des „Problems“ aus meinem Wortschatz gestrichen) meines Lebens erkenne ich darin, wie sehr ich für mein Wohlbefinden auf Freiwilligkeit angewiesen bin: in eigener Sache wie von Seiten der anderen. Die Idee der Gabe. Hab’ ich etwas fremdbestimmt und unfreiwillig getan (kommt verdammt selten vor), erzeugt es keinen bleibenden Wert für mich, unabhängig davon, wie nützlich das Ergebnis sein mag. Und habe ich andere dazu gebracht, etwas für mich zu tun, ohne eigenen Impuls und Antrieb (kommt ebenfalls verdammt selten vor), wird mein Unwohlsein immer größer sein als die Zufriedenheit, etwas „beim anderen erreicht“ zu haben.
(Fritz Perls sprach in den 70ern von „organismisch“: muss noch einmal nachsehen, ob das in diesem Zusammenhang war.)
Erfahrungswerte:
Vier Tage dauert es, bis ich nach einem Ortswechsel volle Rezeptionsfähigkeit erlangt habe: Vorher mache ich erst einmal alles, was ich mir zuhause verbiete. Ich verbiete mir ja nicht viel, doch wahnhaftes Fressen gehört definitiv dazu, also gab’s Baguettes, Käse und Süßigkeiten bis zum Niedersinken. Heute ist Tag vier: Zeit, der Obsession Einhalt zu gebieten, sonst passe ich nicht mehr in meine Reisegarderobe.
Gestern hab’ ich eine Zeichnung verkauft. Ich hatte sie weder ausgestellt noch angepriesen: es war einfach so, dass sich eine Frau, die mit einer Reihe meiner Arbeiten im Zuge einer neuen Publikation in Berührung gekommen war, in eine bestimmte verliebt hatte. Kann ich die kaufen, schrieb sie. Und als ich zögerte, kam eine neue Mail, in der sie mir beschrieb, warum sie gerade diese eine Zeichnung so liebt, in Ehren halten wird, beschrieb den Platz, an dem die Zeichnung hängen soll – ich war verblüfft. Genau so soll, wünsche ich mir, Kunst wirken – ob nun ein kleines Blatt oder eine große Skulptur.
„Burst out laughing“: So heißt das letzte Buch von Barry Stevens. Ich habe es bereits vor Wochen bestellt, um es hierher mitzunehmen, doch es kam nicht rechtzeitig an. Ich überlege, das als Zeichen zu verstehen: Ich schreibe Burst out laughing einfach selbst. Hier. Ich schreibe es für mich und Barry (die das sicher lustig fände) und für alle, die wissen, dass Lachen einen immer bersten lässt: aus einem festen in einen flüssigen Zustand.
Anknüpfen: Letztes Jahr um diese Zeit las ich: „Don’t push the river“. Kaum ein Buch hat mir so aus dem Herzen gesprochen, je. Dazu fällt mir eben ein, wie einer meiner Auftraggeber vor einigen Monaten das Wort „Festbeissen“ gebrauchte, um eine Arbeitsmoral zu charakterisieren, die ihm zusagt. Ich selbst habe diesen Ausdruck vermutlich noch nie verwendet: Ich bevorzuge lockere Schlingen, die fast absichtslos Wahrnehmungs- und Lernprozesse miteinander in Bezug setzen.