Der Pointer. Freitag, 25. März 2011.

„Das steht Dir zu“ sagte er immer. „Nimm es. Ich will Dich nicht erschöpft sehen, nicht vertrieben von den Orten, an denen Du glänzen kannst, nicht gewandet in Bescheidenheit. Sei stolz.“ Unabwendbar lag sein Blick auf ihr, wenn sie sich erklärte, er war der Pointer, überall stand er, als Hinweis auf sie. Point her out. Point of no return. Sein Hals, wie sein Körper, war ungeheuer straff; ein unter Schmerzen gemeißeltes Kunstwerk. Ihrer nicht, suchte immer den Schild im Nacken, hinter den er sich, samt Kopf, hätte zurückziehen können, doch den hatte er längst chirurgisch entfernen lassen:
„Sei sichtbar. Sei gerade.“
„Ich wappne mich.“
„Die anderen sind es, die sich wappnen müssen“ widersprach er.
Es gab zwei damals. Zwei von ihr, eine Mühelose und eine, die ihre Mühe nicht los sein wollte. Sie konnte nicht ahnen, dass keine sich durchsetzen würde, von der dritten, vierten, fünften fehlte bislang jeder Hinweis; sie hatte eben erst begonnen, mit Behauptungen zu arbeiten. In die eigenen Behauptungen hinein wachsen, bis sie stimmen.
Sie wehrte sich gegen ihn. Das war leicht, er wollte es so. Als sie sich ein Gut nahm, das nicht durch seine Hände gegangen war, wandte er sich um und kam nicht wieder. Lang’ her.
Den Panzer pflegte sie: als ob darunter Galaxien wären. Unfug!
Zeit zu fliegen.

14:46
Eben beschlossen: im Mai vier Wochen nach K****.
Muss mal wieder nach L. schauen…

Gummizügel. Dienstag, 22. März 2011

Bin noch überreizt von Klein- und Großwelt, die Zügel schnalzen mir aus den Händen, die Selbstdisziplin liegt unter irgendeinem dieser Bücherstapel, erstmal raus, Sonne aufs Gehirn. Bis später.

13:31

14:38

(Trepanation irgendwie schief gelaufen)

20:26
War ja klar, wo ich sie finde, die Selbstdisziplin: sie lag unter dem “Pflicht”-Stapel. Arbeite mich gerade in ein Projekt ein, das ich im Rahmen meiner redaktionellen Tätigkeit für die Stiftung verstehen und vertexten muss. Der “Kür”-Stapel liegt noch so, wie ich ihn nach der Buchmesse aufgeschichtet hab’, doch der muss warten.
Hm. Bis Mitte April auch noch haufenweise Seminare. Komme mir gerade etwas geharkt vor. Vermisse Wildwuchs. Waghalsigkeit. Wonne. Mein Atelier. Nu gut, hilft nix, ich mach’ mal weiter…

Nachtrag: falls Sie sich, geschätzte Leser:innen, fragen sollten, ob ich mich nicht geniere, aus meinem Arbeitskosmos zu schreiben, anstatt mich auf’s brisante Weltgeschehen zu beziehen – ja, tu ich. Will mich aber nicht zwingen. TT ist, was es ist.

Vom Tragen. Montag, 21. März 2011

Concurrere. Was man zu bieten hat: Schaf soff. Zettel des Tages : hier.
Immer die Anderen. Wie man sich trägt. Wie man klarsichtig ist und an sich selbst nicht klein wird. (Oder zum Wasserkopf) Dazwischen Kitsch: Hunderte als Mangafiguren verkleideter Jugendlicher zwischen ätherisch und Füllenspeck, die kommen umsonst rein. Olga dagegen gewandt und so klug, Pagenkopf und Sonnenbrille, erst Abends im Hotel nimmt sie die ab. Ich trug Schaf. (Selbst ich vergaß, wie schwer es in meinen Armen lag, da es so freundlich übersehen wurde) Ulrich Holbein, gesehen, gesprochen, verschroben, zum Merken. Eh toll: Gezeichnete. Defekte, Prothesen, Überspielungen, sich aus dem Kreuz herausbiegen. Wie man einträgt: diese sich selbst, jene nur ihr Programm, die Hallen durchpflügt von Mähmaschinen, die ihre Ernte taxieren, schnippschnapp und hopp. (Der Hüne bei der Arno Schmidt Stiftung indes trägt sein Jackett so lässig, dass man grinsen will.) Träum weiter, Zettel.
Ansonsten Impulskonkurrenzen, Punkte machen. Polkadots. Meine künftige Verlegerin trägt sowas nicht, dafür Lächeln und die heftigste Mähne der Stadt. Andere scheren sich den Schädel blank, wie Mimen ohne Haarversteck, noch die kleinste pulsierende Ader ins Licht tragend. Ich werde immer fremd sein. Das ist keine Koketterie. Ich kann Können nicht: da ist immer das Korkschaf, das obenauf schwimmt, nicht eindringt, wo ich tauchen will. Es hasst Straßenbahnen, Menschenmengen, nicht müde sein dürfen, und von Schlagfertigkeit wird ihm leider schwindelig. Es mag Firlefanz, ruhige Ecken und die Dinger von Sabine Scho. Auch Herbsts Bamberger Elegien, von elegant beringter Verlegerhand aus dem Fenster des Elfenbeinturms winkend. Den Gesichtsausdruck von Alea Torik (Halle 5, Gang 116), die helle Klugdachsigkeit von Schlinkert, Gregor, Christine, Johann, Peter, Alban, Ingo, Simone, Leander. Einzelne Menschen schaukel’ ich prima, Schaf auch, doch ich will mich ins Außen eintragen. Das ist der Plan. Nächstes Jahr um diese Zeit liegt dort mein eigener Roman: dann lernen Sie Ebba kennen. Die braucht kein Schaf, um ein Schwergewicht zu sein.

Eintag ohne Eintrag. Mittwoch, 16. März 2011.

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00:03
Geschätzte Leser:innen, ich werde mich morgen zur Buchmesse nach Leipzig aufmachen. Auch besser so; ich krieg’ momentan eh den Kopf nicht richtig frei für anderes. Hab’ allerdings heute eine Schreibwerkstatt mit ziemlich schwierigen jungen Leuten ziemlich heiter (für die Beteiligten) abgeschlossen – also die Pflicht funktioniert noch, sogar so gut, dass ich gestern bis tief in die Nacht neue, nein, maßgeschneiderte Schreibübungen entwickelte. Die vorbereiteten, vielfach getesteten hatten die Aufmerksamkeit der jungen Leute nicht wecken können, die neuen indes waren ein voller Erfolg. Alles stabil bei uns soweit also…
Morgen dann raus. Ich mag die Leipziger Messe sehr. Und bekomme hoffentlich auch wieder Lust auf mein eigenes Schreiben. Bin die Alpträume leid.