Mal wieder Pfeifen im Ohr.

War wohl bissi viel in letzter Zeit.
Meine Renovieraktion hat bestimmt auch etwas mit dem Versuch zu tun, die eigenen vier Wände zum gesicherten Gebiet zu machen. Kontrolle über das Außen suggeriert Kontrolle im Inneren. Ist natürlich Illusion. Viele meiner Freunde, alle selbstständig, haben zur Zeit große Sorgen.

Aushäusig

Der Park leert sich langsam. Punkt sieben, das stete Plätschern des Wasserspiels verstummt. Die alte Platane wirft gerade Teile ihrer Rinde ab, meine nackten Unterarme lehnen an ihrem kühlen, frisch gehäuteten Stamm. Er hat eine Kuhle, der Stamm, in die mein Rücken perfekt passt.
Es ist das erste Mal, dass ich an dieser Platane sitze. Sie ist sehr freundlich. Deswegen, und weil ich von hier aus alles überblicken kann, hab’ ich sie ausgewählt. Eben schlendert eine Frau vorbei, sieht mich mit meinem Laptop sitzen. „Super Platz!“ sagt sie. Ich erwidere ihr Lächeln.
Wie ruhig es plötzlich ist. Nur ein paar Kinder, deren Mütter sich festgequatscht haben, toben noch um die Wasserspeier aus Sandstein. Pfandflaschensammler mit ihren Packrädern, Abfalleimer durchsuchend. Ein paar Verliebte: Vor allem Tauben. Die Männchen bauschen ihr Halsgefieder und drehen sich gurrend. Die Weibchen picken scheinbar ungerührt weiter, doch wer weiß schon, was in ihnen vorgeht.
Die Sache ist die, der Handwerker, der zur Zeit meine Wohnung auf den Kopf stellt, mag mich dort nicht haben. Obwohl er mir grundsätzlich wohl gesonnen ist, lehnt er es auch ab, von mir bekocht zu werden, er behauptet, das kompliziere die Situation nur, er bevorzuge seine Stullen. Ich finde das eigenartig, doch es liegt mir natürlich fern, seine Situation komplizieren zu wollen.
Er ist ein älterer, erfahrener Mann von sehniger Statur, der lieber seine polnischen Zuckerschaumwaffeln isst als meine Pasta. Auch den geblümten Teller, auf dem er die Waffeln in meinem Kühlschrank lagert, hat er selbst mitgebracht. Er arbeitet zwölf Stunden pro Tag, hart. Kann sich jede Zuckerwaffel leisten, die er in die Finger bekommt.
Er verzieht heimlich das Gesicht, wenn ich über sein Werkzeug stolpere und an frisch gestrichenen Türrahmen hängen bleibe. Ich weiß es, weil noch ein Zipfel der Grimasse in seinem Mundwinkel hängt, wenn ich mich umdrehe.
Gestern hab ich meine Espressomaschine an die neu installierte Steckdosenleiste angeschlossen und zum kollabieren gebracht. Fehler in der Elektrik. Nun ist ein fetter Rußfleck auf der frisch geweißelten Wand, und die Steckdosenleiste muss wieder runter. Obwohl ich für die geschwärzte Unglücksstelle nichts kann, missbilligt der Handwerker den Kurzschluss der Espressomaschine. Ich kann’s ihm nicht wirklich verübeln. Heute morgen gab’s Pulverkaffee.
Es wird dunkel im Park. Während ich aufstehe, signalisiert mir die Frau von vorhin: Ob sie jetzt meinen Platz an der Platane einnehmen könne? Ich nicke. Sie kommt herüber. Früher habe sie auch immer an dieser Stelle gesessen, erzählt sie. Und geschrieben.
Irgendwo spielt jemand ein Saxophon.

Psycho-Pilze

Mein Lohn für den WebBlock (super Wortschöpfung, explodedheadsnomore) ist mir nicht immer so klar. Doch Sie haben danach gefragt, also versuche ich mich an einer Antwort.
Dieser Block belohnt mich allein schon dadurch, dass er mich mit mir selbst in Verbindung bringt.
Sehen Sie, werte Leser, ich nenne meine Präsenz hier “Tainted Talents”. Das bin ich. Tainted Talents ist nicht irgendein schickes Label, es ist ein Zustand. Im besten Fall ein interessanter Zustand.
Denn ich spüre, seit ich denken kann, dass ich jedes meiner Talente mit einem Handikap bezahle, das direkt auf dem Talent wächst. Als Parasit. Wie ein sprechender Pilz.
Meine Bemühungen künstlerischer Natur richteten sich früher nun alle darauf, diese Psycho-Pilze aufzuspüren und zum Schweigen zu bringen. Mein wie auch immer geartetes schöpferisches Handeln von ihnen zu säubern. Das war nicht möglich. Pilze wachsen immer wieder auf dem gleichen Platz nach.

Vielleicht kennen Sie das ja selbst. Pilze sind starke Zweifel, oft destruktiver Natur, die einen daran hindern, die Dinge zu tun und für sich zu vereinnahmen, die einem wichtig sind.
Die Pilze in meinem Kopf sagten: “Lass das bleiben, Phyllis. Dieser Text ist belanglos. Dieser Körper hat keine Kraft. Diese Idee für eine Zeichnung lohnt nicht, sie ist nicht außergewöhnlich. Das, was du tust, unterscheidet sich nicht genug von dem, was andere tun.”
Sie nähren sich von Resignation, von dem, was ich nicht tue, deswegen sind die Psycho-Pilze der Feind in meinem Kopf. Loswerden kann ich sie nicht: Sie wachsen immer wieder nach. In Kolonien. Ich weiß nicht, warum sie sich so wohl bei mir fühlen; muss irgendwas aus meiner Kindheit sein.
Jedenfalls hilft da nur eines: Den Modus wechseln.
Mit der Einrichtung von Tainted Talents vor drei Jahren hab ich das gemacht, den Modus gewechselt. Hier ist alles erlaubt, jedes Thema gleich wichtig, und der früher so lähmende Zweifel ist Teil der Konstruktion: Ohne ihn gäbe es Tainted Talents gar nicht.
Und nach und nach fühlen sich die ganzen Pilzkolonien auf meinen Ideen nicht mehr wie Pilzkolonien an, sondern wie, na, sagen wir, bunte Schirmchen, die sich sachte im Wind wiegen.

Mobilchen

Das Wort “Arbeitsplatz” hat in mir immer schon leichten Widerwillen ausgelöst. Ich hab zwar in den letzten Jahren an allen möglichen Plätzen gearbeitet, hatte aber noch nie einen vertraglich abgesicherten Arbeitsplatz. Gut so, denn dann würde ich vielleicht inzwischen um ihn bangen. Stattdessen sitze ich in der Sonne in einem Straßencafe, mit Laptop und w-lan. Falls es mir hier zu blöd werden sollte, verlege ich meinen Arbeitsplatz in den Park. Schreiben kann ich überall.
Lohnschreiben muss ich im Moment nicht so viel, das geht erst ab September wieder richtig los.
So langsam kommt mir der Verdacht, dass ich vielleicht Ferien habe? Seltsam. Selbstständige tun sich schwer mit Ferien.
Nachher gehe ich ins Atelier, damit Tainted Talents bald wieder neue Bilder bekommt.
Watch this space!
Phyllis

Moin moin

Ja, es ist Sonntag, ja, es ist erst 8:57. Was mache ich hier am Rechner?
Ganz einfach. Ich pack’ ihn zusammen. Ab morgen wird meine Wohnung renoviert. Einfach so, mit mir und meinen Sachen noch drin, was immer die traumatischste Variante einer Wohnungsrenovierung darstellt. Weiß nicht, warum ich mir das antue. Doch, ich weiß es, aber jetzt, da das Ganze kurz bevorsteht, würde ich am liebsten einen Rückzieher machen. Wozu braucht der Mensch weiße Wände, wenn er einen funktionierenden Schreibtisch mit allen Kabeln und Geräten am richtigen Platz hat?? Args.

Guten Tag!

Auf diesem Blog tummeln sich neuerdings 7 Prozent Gäste aus Frankreich. Nein, nicht nur Klicks, sondern richtige, amtliche Leser, das sagt mir die Statistik. Was mich doch sehr verblüfft, dachte ich doch, dass die meisten Franzosen keine große affinitée zur deutschen Sprache besitzen.
Also, hiermit auch Bonjour les Français!

Ich muss los, hab die Laufklamotten schon an.
Bis später.

Mein letzter Termin

im Kostüm für diesen Monat. Danach ist erstmal Schluß mit Pumps und Powerpoint, der restliche August ist Freestyle. Ich werd’ in Flip-Flops rumlaufen und mir abends die Tuscheflecken von den Fingern schrubben. Oder auch nicht.
Guten Morgen, Leser! Drücken Sie mir die Daumen, dass alles gut läuft heute – es ist einer dieser Termine.
Kommt die Agentur, für die ich als Freelance-Texterin arbeite, heute mit diesem Kunden ins Geschäft, springen auch für mich neue Jobs dabei heraus. Also rin in die Klamotten und ab.

Die Freundin, die gerade bei mir

zu Besuch ist, träumte heute Nacht von einem großen, blonden Mann, der sehr kleine Hände hat. Kinderhände. Sein Name sei Zvi.
Ich fragte, ob ich diesen Mann in einer meiner neuen Zeichnungen verwenden dürfe?
Ja, sagte sie.
In zwei Tagen beziehe ich mein neues Atelier.

Dann wird bestimmt auch Leroy wieder auftauchen. Das ist dieser kleine Kerl mit den spitzen Ohren.
Egal, an was ich gerade arbeite: Wenn meine Hand ohne Auftrag ist, kommt fast immer ein Leroy aus dem Stift. Muss wohl ein Alter Ego von mir sein.

Im Vorfeld der documenta 13

wird es eine Konferenz mit allen bisherigen Leitern geben. Hier ein Satz aus der Benachrichtigung, die ich eben bekam:

(…) “The Castello di Rivoli and documenta 13 are grateful that all the former directors, as representatives of the artists and the curatorial teams who together conceived, imagined, witnessed and dreamed documenta, have accepted the invitation and will reflect upon their ideas and experiences.” (…)

– warum ich das einstelle? Lesen Sie den Satz doch noch mal. Wie poetisch er ist. Texter, die solche Ankündigungen verfassen, sitzen an Schreibtischen in stickigen documenta-Büros inmitten hunderter Kartons mit Katalogen, umgeben von DVD’s und zerdrückten Kaffeebechern und besingen das Gefühl einer Kunst-Gemeinschaft. Ihre Namen erfährt man nie. Dabei sind sie es, die die Aura-Maschine am Laufen halten.

Im Hinterhof vor meinem Fenster Geräusche. Der Hausmeister kratzt mit einem metallenen Haken das Moos aus dem Belag.
Auf wie vielen Planeten leben wir?