Arte und seine verflixten Themenabende! Nach dem Mauerfall die ersten Beate Uhse Busse, die auf die Markt- und Bahnhofsplätze rollten, umlagert. Nein, nicht vorgreifen. Lang vorher gab’s die Parade der Freikörperkulturleute, nackte Körper auf den Wagen, Honecker lächelnd auf der Tribüne. Der Sozialismus förderte PrivatSex, gab Gratispillen ab sechzehn aus und legalisierte Abtreibungen, als im Westen schon längst alles öffentlich durchkommerzialisiert war, aber Abtreibung pfui. Wie wichtig ist Sex in Ihrer Beziehung, fragt der Reporter im Osten und die Leute, nu ja, zögerlich reagierten die nicht. Von der Fast-Omi bis zur fröhlichen Nachwuchsschlampe schienen sich alle einig. Und die verbotenen Pornos, die konnte man ja, wenn auch nicht gefahrlos, selbst produzieren und unter der Hand verkaufen, berichtete ein gediegen wirkendes Paar. Hihi. Der Sozialismus, verkündete ein Arzt im Ost-TV vor einer Lenin-Büste, bejaht die Lebensfreude und die Sexualität.
Ich wurde schwer aggressiv. Kam erst nicht dahinter. Blaffte Tusker an, der nur wissen wollte, warum ich mitten im Themenabend plötzlich aufstand und mir Klamotten überzog- ich wollte das nicht nackt ansehen.
– Was los, fragte er.
– Wir haben keine Refugien, sagte ich, egal in welchem politischen System, wir werden gegängelt bis unter die verdammte Unterhose.
– Hey, ist doch lustig, erwiderte er, die haben doch ihr eigenes Ding gemacht.
– Nee. Die wurden genauso zur Paarung aufgerufen wie wir. Wenn du Massen billig im Zaum halten willst, mach’ Sex zum Thema, auf die ein- oder andere Weise.
– Der ist aber doch sowieso da, sagte er. Die im Osten scheinen einfach lockerer damit umgegangen zu sein.
– Ja, toll. Nacktparade vor dem Regierungschef.
Komisch – mich irritierte diese politisch subventionierte Freizügigkeit mehr als das Sex als Ware – Ding, mit dem ich groß geworden bin. Dieses „hihi wir ficken doch alle gerne“ kam mir beim Zuschauen fast perfider vor als der kommerzialisierte Sex-Stress im Westen, für den man/frau sich erstmal qualifizieren muss durch Körperwettbewerb. Davon lässt sich’s wenigstens distanzieren. Vor dem fröhlich geteilten Gratisglück aber gibt’s kein Entrinnen. (Hey, Kumpel, leih’ mir mal deine Kamera.)
Sorry. Aber Sex ist eine heikle Angelegenheit. Immer gewesen. Wenn ein System ihn mit öffentlichem Schulterklopfen belohnt, ist das keine Freiheit, sondern politische Vereinnahmung der Privatsphäre. Keinen Deut besser als jene, die bei uns betrieben wird. Wie befreit man sich vom Befreitwerden?
(“Liebte der Osten anders?” Wiederholung der Sendung morgen)