Liepe Vorsicht,

klar bin ich erschroken, als der Bote an maine Tür kam – einschreipen machen mir imer Sorge. Aber dan war es von dir. Das du so sauer bist, damit hap ich aber nicht gerechned!
Ja, ich hap deinen Namen penuzt! Und gekuscht und ales auf dich geschoben. Ich mache das oft! Nachgepen. Ich zwinkere mit dem Auge (das, mit dem ich das imer mache, ist schon fiel faltiger als das antere) und nehme Sachen zurük, bloß, weil ich Ankst hape. Jemant könnte ja merken, dass ich mich für was beseres halte. Und das stimt ja nicht. Wir sind ale nur Halme auf der Wise. Und bezalen noch nicht mal für die. Wir sind ale glaich!
Du schreipst, ich sol mich nicht imer mir dir rauszwinkern, opwol ich doch Schis hape einfach. Das die anderen mich nicht mer mögen, wen die merken, das ich … Okey!!!!!! Du hast ja recht. Aper weist du, seiddem ich nix beseres mehr sein darf, nich mal haimlich, ist ales fiel schlimer geworden mit mir. Na ja, for alem mit mainer Rechtschreipunk, wi du filaicht mergst, aber nich nur. Unt jetst frage ich mich, was das pringen sol, weil, ich mus ja arpeiten unt die Loite werten sich wuntern.

Waist du rad?
Wens geht, schnell bite!

Fülis

Thin line between love & hate. Montag, 29. August 2011

Bin unwirsch heute Morgen, geschätzte Leser:innen. Manchmal werden mir die Verbalattacken Einzelner einfach zuviel. Natürlich lösche ich den Kram, wenn ich mich morgens mit TT beschäftige, aber bis dahin haben das schon x Leute gelesen, die früher am Rechner sitzen als ich.
Muss mich erstmal wieder einkriegen.
Bis später.

19:34
Zum bequemer finden hier nochmal der Link zu Marshall Rosenbergs >>> “Nonviolent communication”, auf den Steppenhund in einem Kommentar unter “Inszenierungsjunkies” verwiesen hat.

stay alert or stay away

stabilize
three pounds of fish daily for better results
sure?
oh, definitely
make me come but make shure i don’t cheat
is there anything i can do, he asks
well, i say, maybe you could use your brain
install bigger landscapes
i always put them into transparent envelopes to make them feel important
get dressed you big friendly girl, he says
(count zero, nice)
(hm?)
(the name’s nice, for god’s sake.)
(oh.)
he tells me his girlfriend comes from a working class family
and i remember how he once asked me to keep away from him
i smile because there he is now
with his working class girl, good luck, i say
clickclack your handcuffs

mehmet the guy at the gym says i’m gettin’ too strong
seltsamer kleiner Kerl
fierce eyes
lean muscles
you fight, i fight, i say

Liebte der Osten anders?

Arte und seine verflixten Themenabende! Nach dem Mauerfall die ersten Beate Uhse Busse, die auf die Markt- und Bahnhofsplätze rollten, umlagert. Nein, nicht vorgreifen. Lang vorher gab’s die Parade der Freikörperkulturleute, nackte Körper auf den Wagen, Honecker lächelnd auf der Tribüne. Der Sozialismus förderte PrivatSex, gab Gratispillen ab sechzehn aus und legalisierte Abtreibungen, als im Westen schon längst alles öffentlich durchkommerzialisiert war, aber Abtreibung pfui. Wie wichtig ist Sex in Ihrer Beziehung, fragt der Reporter im Osten und die Leute, nu ja, zögerlich reagierten die nicht. Von der Fast-Omi bis zur fröhlichen Nachwuchsschlampe schienen sich alle einig. Und die verbotenen Pornos, die konnte man ja, wenn auch nicht gefahrlos, selbst produzieren und unter der Hand verkaufen, berichtete ein gediegen wirkendes Paar. Hihi. Der Sozialismus, verkündete ein Arzt im Ost-TV vor einer Lenin-Büste, bejaht die Lebensfreude und die Sexualität.
Ich wurde schwer aggressiv. Kam erst nicht dahinter. Blaffte Tusker an, der nur wissen wollte, warum ich mitten im Themenabend plötzlich aufstand und mir Klamotten überzog- ich wollte das nicht nackt ansehen.
– Was los, fragte er.
– Wir haben keine Refugien, sagte ich, egal in welchem politischen System, wir werden gegängelt bis unter die verdammte Unterhose.
– Hey, ist doch lustig, erwiderte er, die haben doch ihr eigenes Ding gemacht.
– Nee. Die wurden genauso zur Paarung aufgerufen wie wir. Wenn du Massen billig im Zaum halten willst, mach’ Sex zum Thema, auf die ein- oder andere Weise.
– Der ist aber doch sowieso da, sagte er. Die im Osten scheinen einfach lockerer damit umgegangen zu sein.
– Ja, toll. Nacktparade vor dem Regierungschef.
Komisch – mich irritierte diese politisch subventionierte Freizügigkeit mehr als das Sex als Ware – Ding, mit dem ich groß geworden bin. Dieses „hihi wir ficken doch alle gerne“ kam mir beim Zuschauen fast perfider vor als der kommerzialisierte Sex-Stress im Westen, für den man/frau sich erstmal qualifizieren muss durch Körperwettbewerb. Davon lässt sich’s wenigstens distanzieren. Vor dem fröhlich geteilten Gratisglück aber gibt’s kein Entrinnen. (Hey, Kumpel, leih’ mir mal deine Kamera.)
Sorry. Aber Sex ist eine heikle Angelegenheit. Immer gewesen. Wenn ein System ihn mit öffentlichem Schulterklopfen belohnt, ist das keine Freiheit, sondern politische Vereinnahmung der Privatsphäre. Keinen Deut besser als jene, die bei uns betrieben wird. Wie befreit man sich vom Befreitwerden?

(“Liebte der Osten anders?” Wiederholung der Sendung morgen)

Agape.

[Skulptur von Paul Hey, gesehen im Rahmen des Rundgangs der Hochschule für Gestaltung Offenbach, 2011]

21:13
Geschätzte Leser:innen!
Ich muss für zwei Tage Zwangspause vom Netz machen – währenddessen nehme ich nur Botschaften per Brieftaube entgegen.
Das Atelier steht Ihnen natürlich offen … achten Sie ein bißchen drauf, dass niemand Randale macht in meiner Abwesenheit? Merci!

Herzliche Grüße & bis Sonntag,

Glatteis unter der Tagesdecke.

– Sag’ mir, was die Mechaniken sind.
– Na, das ist einfach. Konsumismus. Besitz- und Machtanhäufung. Sicherheitsdenken. Meinungsmache.
– Fehlt noch mindestens eine.
– Was?
– Die des geringsten Widerstands.
– Hihi. Wir müssen ja immer schnell sein. Zaudern ist peinlich. Vor allem lästig für die Anderen. So wird man ja nie fertig!
– Manche würden das Opportunismus nennen.
– Versuchen wir, die Begriffe neutral zu halten.
– Einverstanden. Der geringste Aufwand gehört aber auch noch dazu. Beim Denken, meine ich.
– Das zählt zum Konsumismus. Wir verzichten auf eigene Ideen ….
– Dauert viel zu lange!
– Stattdessen sammeln wir uns den Kram lieber aus dem zusammen, was andere schon gedacht haben.
– Wir machen Collagen! Nein, Patchwork. So eine Art Tagesdecke, die werfen wir morgens über’s Gehirn, damit es den Tag über gut aussieht…
– Hübsch machen! Noch so eine Mechanik.
– Das Problem ist, wir haben kein Bild, das stark genug ist.
– Für was stark genug?
– Na ja, der Kapitalismus setzt sich durch. Er ist das dominante Prinzip. Überall dort, wo die Bindekraft der Religion nachlässt…
– Ja. Es gibt nur diese beiden.
– Hm…
– Es gibt keinen Gegenentwurf. Zum Kapitalismus. Keinen machtvollen. Keinen, der uns inspiriert.
– Komisches Wort in dem Zusammenhang.
– Na ja. Dieser Europagedanke zum Beispiel. Das könnte so ein großes Bild werden von kultureller Identität, die über eigene Befindlichkeit rausgeht. Weil, ohne ein neues Identitätsding schaffen wir’s nicht. Bleiben Konsumenten. Aber alle sprechen über’s Geld und niemand bringt mal ein Bild ins Spiel. So kann es nichts werden, das ist viel zu pragmatisch. Kein gesunder Pathos, keine Verklärung, keine Wucht. Nur immer wieder die kleinen Ängste, man könnte schlechter abschneiden als der Andere.
– Eurobonds! Woran denkst du dabei?
– Na ja, Staatsanleihen halt.
– Aber Bond heißt auch Bindemittel…
– Was ist denn unser Bindemittel, unsere Quelle für Solidarität?
– Wir hatten mal eine. Sie hieß christliche Nächstenliebe.
– Was für ‘ne irre Vorstellung. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst…
– Sie hat aber keinen Hebel gegen die Gier, sie ist Nebenprodukt des Wohlstands inzwischen, kein Gegenentwurf.
– Mehr Kaffee?
– Unbedingt.