Beware of Fetzen

Vielleicht fällt mir ein Weg ein, von meiner Arbeit mit der Lektorin zu berichten, ohne dass die Konzentration der kommenden Tage dabei Schaden nimmt. Vielleicht fliegen ja die Fetzen. Und ich sammle einige davon auf und lege sie hier zwischen zwei Textfenster wie in eine Blumenpresse. Damit sie flach und ungefährlich werden. Ah, Leser:innen! Am Wochenende ertappte mich jemand dabei, wie ich zehn kostbare Minuten in einem dieser Massagesessel lag, in meinem grünen Seminarkleid mit den roten Schuhen, ganz selbstvergessen, während die Rollen an meinem Rückgrad auf- und nieder fuhren. Oben im Nacken war eine Art Zange. Die mochte ich besonders.
Ein paar Meter weiter, nur von einem Paravent abgetrennt, spielten die Stipendiaten Billard. Es gab einen kleinen Spalt, durch den die Jungs einen Blick hätten werfen können auf ihre vibrierende Seminarleiterin. In den, mit dem Rücken zu den jungen Leuten, stellte sich der Kollege. Zwinkerte mir zu und sagte: Ich schirme Sie besser mal ab. (Wodurch er natürlich selbst den besten Blick hatte, klar. ; )
Wie funktioniert das Private im Öffentlichen?
“Die modernen Anschauungen über die Psychologie des Privatlebens sind verworren. Kaum jemand würde heutzutage behaupten, sein Seelenleben sei unabhängig von gesellschaftlichen Bedingungen und Einflüssen aus der Umgebung. Gleichwohl gilt es als so kostbar und zerbrechlich, daß es nur gedeihen kann, wenn es geschützt und isoliert wird. Jedem einzelnen ist das eigene Selbst zur Hauptbürde geworden. Sich selbst kennenzulernen ist zu einem Zweck geworden, ist nicht länger ein Mittel, die Welt kennenzulernen. Und gerade weil wir so sehr in uns selbst vertieft sind, fällt es uns ungemein schwer, uns selbst oder anderen ein klares Bild davon zu machen, woraus unsere Persönlichkeit besteht. Der Grund hierfür ist: je mehr die Psyche privatisiert, d. h. ins Private gedrängt wird, desto weniger wird sie stimuliert, und desto schwieriger ist es für uns, zu fühlen oder Gefühle auszudrücken” schreibt Richard Sennett. Interessantes Buch, hab’s aber eben erst zu lesen begonnen.
Bin etwas müde. Würde ganz gerne an die Stelle des weißen Wombats treten, den mir Diadorim gestern schickte. Anderererseits – bin ich diejenige, die füttert. Ich hab’ ein neues Ritual erfunden für die jungen Leute. Eine Markierung, die das Verschworensein für alle Außenstehenden sichtbar macht, während wir zusammen arbeiten. They love it.

Wenn ich morgen den Kopf frei haben will für meine erste Session mit der Lektorin, muss heute noch das Konzept fürs Weltkulturen Museum raus. Von dem bisher nur der Titel dasteht. Immerhin : )

11:39
(Wenigstens die Kannen haben Zeit sich zu küssen heute.
Sogar öffentlich.)

(18:02
Konzept ist abgenickt!! Jey!)

Von Fingerhüten und anderen Talismanen

Halbe Strecke. Ein Seminar noch – das letzte in diesem Jahr – danach eine Woche Feintuning mit der Lektorin, das war’s dann mit Hochgeschwindigkeit. Für alle weiteren Aktivitäten bis zum Jahresende steige ich in den Bummelzug um. Hab’ ich schon berichtet, dass die Lesung im Weltkulturenmuseum ein Erfolg war? Da spielte sicherlich mit, dass mir Bühnen aufgrund hoher Seminardichte momentan so selbstverständlich erscheinen. Könnte glatt weitermachen jetzt. Solang’ ich am darauffolgenden Tag nix reden muss. “Ich würde alles darum geben, Ihr Verleger zu sein” sagte mir ein ebensolcher nach meinem Auftritt vorgestern. Wow. Ist das zu fassen. Verzeihen Sie, aber das m u s s ich einfach berichten; solche Sätze sind Energiedepots für schwierige Tage. Da schweigt selbst der Impostor mal für ein paar Stunden.
Jedenfalls, es gab viel Lächeln und Beifall, die Freund:innen waren erschienen, Tusker natürlich, die literarischen Verbündeten ebenfalls, dazu ein mehr oder weniger gediegenes Publikum, kluge Gesichter, ein paar ältere Herrschaften. Anscheinend hat’s allen gefallen. Sie wundern sich, dass ich mich wundere? Sie kennen mich doch ; )
Die Kollegin, mit der ich ab Februar im Weltkulturen Museum ein Schreib-Projekt für junge Erwachsene verwirklichen werde, Leiterin der Bildungsabteilung, war ebenfalls da. Strahlte. Bislang hatten wir “nur” über’s Konzept gesprochen, jetzt hat sie einen besseren Eindruck, mit wem sie’s zu tun haben wird im kommenden Frühling. Ach, noch etwas: in der zweiten Reihe saß ein Mann, mit dem mich eine besondere Geschichte verbindet. Liegt viele Jahre zurück. Das waren wirtschaftlich höchst unsichere Zeiten für mich damals. Ich erinnere mich genau an den Tag, an dem er sie mir überreichte. “Das ist die “Trust-me-card”” sagte er. “Benutze sie, bevor Du in Not gerätst. Du musst nicht mit mir darüber sprechen und auch keine Rechenschaft ablegen.”
Jedes Jahr bekam ich eine neue. Ich verwendete sie nie, doch sie steckte als Talisman in meinem Geldbeutel. War ungeheuer beruhigend. Ich wünschte, alle Künstler:innen hätten jemanden, der ihnen für die ersten Straucheljahre eine Trustmecard schenkt.
Warum ich Ihnen das erzähle? Ist doch offensichtlich, oder?
Eben fällt mir meine Großmutter ein, die immer in den Wald ging, um dort Fingerhüte zu pflanzen. Einfach so. Als Kind fragte ich sie natürlich mal, warum; ich war schließlich oft dabei.
Warum nicht? fragte sie zurück.

Guten Morgen, geschätzte Leser:innen!

16:02
Ich will ja nicht meckern, aber irgendwie ist’s mir auf TT in letzter Zeit ein bißchen z u ruhig. Wenn der Stress vorbei ist, werd’ ich mal wieder ein bißchen Randale machen. Das hier ist immer noch ein Atelier, keine Kapelle.

Spiralisierung

»Mindframe« / Triptychon / Acryl auf Leinwand, 4,50 x 2,00 m / P. Kiehl 1991

[Nein, ich will keine Zeitreise machen. Doch sobald ich der Spirale meine Stimme ausleihe, verlangt sie genau das.]

16:11
Bin durch! Überlegte eben, ob ich das Skript zum Copyshop bringe zum Ausdrucken, aber ich will den Drucker neben mir rattern hören.
“Whiskey!!!”
Nee, lieber nicht. Muss nachher noch trainieren. Wissen Sie, worauf ich mich am meisten freue, geschätzte Leser:innen? Auf den Moment, in dem die Lektorin anruft und sagt,
GUTE GESCHICHTE
und
KLAR SCHAFFEN WIR DEN REST IN EINER WOCHE.
Aber wer weiß, was sie noch alles entdeckt?
Oder vermisst?!
Ich glaub’, ich brauch’ doch einen.

Bis Mittwoch braucht die Lektorin meine Endfassung von “Fettberg”, bis Donnerstag muss der Pressetext für mein neues Schreib-Projekt im Weltkulturen Museum stehen, am Freitag beginnt das nächste Seminar. Die Lesung am Mittwoch muss auch vorbereitet werden. Immerhin der Soundcheck ist gemacht im getäfelten Saal. Freu’ mich schon sehr auf den Abend.
Kostenvoranschläge sind zu machen und Trainerbuchungen für das kommende Jahr. Arbeitstermin mit dem Programmierer der Stiftungs-Website, die ich betreue.
Ich mag keine Listen. Noch nicht mal welche mit “erledigt” – Häkchen! Möchte wieder in Spiralen arbeiten. Zeichnen. Den Nachvollziehbarkeitsmodus verlassen. Verwirrt sein. Bald, Phyllis, bald.

Einsatz!

An alle, die es nach draußen geschafft haben: Wir treffen uns auf der Brücke. Frühstarter bitte warten, auch wenn’s schwer fällt; das Ding steigt erst, wenn die Gruppe komplett ist. Namen und Pässe gebe ich wie immer bei Ankunft aus. Formelle Kleidung erwünscht.
Wir arbeiten in Wagenburg-Formation, soll heißen, Hypers und Frauen außen, Melancholiker (alle!) nach innen, die Genies kümmern sich um die Feuerstelle.
Einsatzbeginn Punkt 17:00 Uhr, Nachzügler bitte (leise!) am grünen Wagen melden.
Weitermachen!

TT

Sittin’ on the dock of the bay

hopin’ that the Felle not wegschwimm.
Lookin’ forward to my burnout
Yours sincerely, Tastaturin!

12:53
Landunter mit Arbeit, geschätzte Leser:innen. Sorry, dass ich hier momentan so einsilbig auftrete, aber wenn der Kiefer allzusehr knackt, muss man auf ein Stöckchen beißen. Das Reden fällt damit eher schwer. Bleiben Sie mir trotzdem gewogen! In drei Wochen ist der Spuk vorbei…

Unverbissen herzlich grüßend, Ihre

Miss TT