Energieschub

Bald haben wir ihn wieder hinter uns, den Fußball im großen Maßstab. Mir wird er nicht fehlen, anderen schon, die Aufregung, das kollektive Fiebern, der Ausnahmezustand. Funktioniert für mich nicht, ich hab’ in meiner Kindheit nie gekickt; es gibt keine Bezüge zu einem jüngeren, ausgelassenen Selbst, die mich sehnsüchtig oder ausgelassen machen könnten. (Oder fachmännisch ; )
Was mich hätte fesseln können, wäre ein komplexer Blick auf das Gastgeberland gewesen, doch der fand ja kaum statt: niemand will mit Ambivalenz und Ausgrenzung konfrontiert werden, während der Ball rollt. (Oder vielleicht doch, und man lässt uns nur nicht?) Stattdessen scheint eine tiefe Dankbarkeit durch die Gemüter zu gehen angesichts der Vereinfachung, die mit diesem Ereignis einhergeht. Klare Grenzen, unterscheidbare Farben, kontextbefreite Ziele. Ich kann dazu nichts sagen, was nicht bereits tausendfach fachmännisch konstatiert (und auch klug widerlegt) worden wäre. Nur dies: Ich bin ebenfalls dankbar. Dass es bald vorbei ist. Und ich hoffe, die Courage zum Aufschrei, die Eindringlichkeit, die Wut und Hoffnung, die kindliche Freude, das Mit-Gefühl und alle die anderen großen Gefühle werden nicht nach Beendigung der “Spiele” wieder eingepackt, weil sie in der Alltagswelt der Einzelnen nicht mehr angemessen sind. Wie schön wäre es, wenn Intensität auch außerhalb markierter Felder stattfinden dürfte. Wenn man sich traute, auch in komplexeren Zusammenhängen näher am eigenen Empfinden zu sein, klarer zu zeigen, wo man gerade steht. Die Bereitschaft, sich reinzuhängen, obwohl man vielleicht keine dolle Expertise hat, dafür aber ein starkes Motiv. Das klappt ziemlich gut in den Stadien und vor den Bildschirmen. Wenn’s doch nur im realen Leben auch häufiger so wäre.

Der Magnet

Letzter Ateliertag an der Cité des Arts, morgen steigt Madame in den Zug: so schwer bepackt, dass ihr trotz der zweifellos vorhanden physischen Kräfte vor den physikalischen jetzt schon bange ist. Warum nur musste sie so viel Zeichenpapier kaufen, als gäb’s das zuhause nicht, warum so viele Bücher, Behältnisse, Tintenreibesteine? Die innere Concierge hat immer nur den Kopf geschüttelt, doch da war nichts zu machen.
Papier, wie sich nicht zum ersten Mal herausstellt, ist sackschwer, doch Madame braucht es. Könnte ja sein, dass genau jenes, welches sie unbedingt braucht, um im heimischen Atelier nahtlos an die Arbeit anzuknüpfen, dass also genau dieses Papier nicht erhältlich, oder nur schwer erhältlich ist, bei Boesner, in Frankfurt, der, das muss gesagt werden, eine unglaublich große Auswahl hat. Und alles andere bestellen kann.

Doch darum geht’s nicht. Ein längerer künstlerischer Arbeitsprozess ist wie ein Stück Metall, das sich nach und nach auflädt, bis es sich in einen Magneten verwandelt hat, und alles, was im Zuge dessen heranrückt, Ideen, Gegenstände, Arbeitsmaterialien, hängt am Ende an ihm fest. Ich muss alles mitnehmen, sogar einen Teppich hat sich der Magnet geschnappt, ohne den Madame nun nicht mehr leben kann.
Tja.

Viel erzählt währenddessen habe ich Ihnen ja nicht, geschätzte Leser:innen. Es war einfach keine Schreibphase; Schreiben und Zeichnen gleichzeitig funktioniert für mich nicht. Einige Texte sind dennoch entstanden, mal sehen, wie sie hier einfließen. Bei einigen fehlt mir die Courage, sie öffentlich einzustellen, sie sind in ihrer originalen Form zu intim, da muss ich nochmal ran. Womit wir dann wieder beim Unterschied zwischen ehrlich und authentisch wären.

Und nun nehme ich die Zeichnungen von den Wänden und beginne mit Putzen und Packen, auch wenn ich’s eigentlich nicht einsehe, doch am Montag starte ich in eine Seminarwoche im Weltkulturen Museum, da brauche ich das Wochenende als Dekompressionsphase. Viel Seminararbeit in den kommenden Monaten, viel Sprechen, viel Energietransfer. Aber den Magneten nehme ich mit!

Herzlich, melancholisch, zuversichlich, Ihre
Madame TT

Fête de la musique

Wussten Sie eigentlich, verehrte Leserinnen und Leser, dass man sich in eine Tuba geradezu hineinwickeln muss, um sie spielen zu können? Ich nicht. Ein Ehrfurcht gebietendes Instrument! Gestern Nacht gab es davon zweie, dazu diverse Hörner, Trompeten und sonstiges Blaszeug, alles gespielt von reichlich blutjungen Menschen auf kleinstem Raum und wir so mittendrin, dass wir die Schweißnähte der Tuben hätten betasten können. Grandios.
Ich gab einem jungen Mann neben mir mein Handy, damit er ein paar Aufnahmen machen konnte, eine davon sehen sie unten, diejenigen von Madame TT und Gabrielle außer Rand und Band erspare ich Ihnen.

Jedes Jahr im Juni zieht das “Fête de la musique” durch alle Stadtteile von Paris. Die Vielzahl der kleinen und kleinsten Bands, die hier spielen, ist unüberschaubar und es ist, zumindest für mich, das mitreißendste Fest der Stadt. Amen!

(Fußball? Was ist Fusssball?)

Gewebeproben zum Anfassen

Liebe Leserinnen & Leser,

der gestrige Kommentar des Spürhunds erinnerte mich daran, dass ich ja mein neues Büchlein auf TT noch gar nicht richtig angekündigt habe!
(*jaul*)
Die Gewebeproben, eine Kombination aus Texten und Zeichnungen, sind seit Anfang Juni bei >>> Literatur Quickie, einem kleinen, sehr sympathischen Hamburger Verlag erschienen; da die Website des Verlags gerade überholt wird, habe ich auf den Wikipedia-Eintrag verlinkt. Lou Probsthayn, den dazugehörigen Verleger, hatte ich im vergangenen Jahr auf der Buchmesse kennen gelernt.

Mehrere Monate nach unserem Gespräch schickte ich ihm, wie verabredet, ein Manuskript. Er hatte zwischenzeitlich nicht gedrängelt, merkte aber bereits zwei Tage nach Erhalt an, er sei sehr angetan, wir könnten sofort loslegen. Woraufhin die Grafikerin Sandra Heinrichs vom >>> arthafen zum Zuge kam, die ich bei dieser Gelegenheit gerne auch erwähnen möchte: ich mag ihre Arbeit.

Nun sind sie also im Handel, die Gewebeproben! Vierundvierzig Seiten, nur so groß wie eine Tafel Ritter Sport und auch kaum teurer, aber prall gefüllt mit meiner Welt. Ich freu’ mich. Sie können sie beim Buchhändler Ihres Vertrauens bestellen, die ISBN Nummer steht unten. Oder bei >>> Amazon.

Und schau’n Sie mal, wie schön das Cover geworden ist : )

1. Auflage 2014
Broschüre: 44 Seiten
Verlag: Literatur Quickie; Auflage: 1 (1. Juni 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3942212935
ISBN-13: 978-3942212939
Größe und/oder Gewicht: 12 x 11,4 x 1,6 cm
Satz und Gestaltung: www.arthafen.de
Foto: © DD
www.literatur-quickie.de