Lesen ist Gold. Sonntag, 20. Januar 2011.

Guten Morgen, geschätzte Leser:innen,

was für ein bezaubernder Wintertag. Da möchte man doch sämtliche Fenster aufreißen, die Wäsche draußen aufhängen, Madeleines backen, die Zeitung um sich herum im Gras ausbreiten, hüpfen, Freunde necken, die Fußnägel anpinseln und mit den Zehen wackeln, gurren, fiepen und diverse andere Geräusche in die Welt setzen, Kabeljau essen, Minutengedichte schreiben, ein Widderkaninchen besuchen, durch die Schrankwand in eine Parallelwelt rutschen und was dergleichen sonntägliche Freuden mehr sind.
Leider werde ich (bis auf’s Zeitung lesen, grrr) heute nichts dergleichen tun, bin krank und darob recht übellaunig. Wenn Sie sich also streiten wollen unter dem “Gewebeprobe” – Text, bitteschön, aber ich habe nicht die geringste Lust, da vermittelnd einzugreifen. Also hänge ich nur ein Schild an die Tür, “Beware of insults!” und verzisch’ mich mit meiner Lektüre auf’s Sofa.

Schönen Sonntag allerseits!

12:17, Nachtrag:
Ich schaff’s nicht: mich rauszuhalten, meine ich. Da wurde unter einem Originaltext und einem – wie ich fand – erholsam ruhigen und konstruktiven Kommentarbaum heute Vormittag auf einmal wieder Gift gespritzt – verzeihen Sie, aber das ist mir einfach nicht gleichgültig. Ich hab’ das entsorgt.
Ach, zum Henker, Leser:innen, ich würd’s versteh’n, wenn Sie langsam die Geduld verlören mit mir, die ich noch keinen intelligenteren Weg gefunden habe, mit solchen Ausbrüchen umzugehen.
Und jetzt zurück aufs Lager.

15:47
Danke an alle Schlichter:innen!
Worum ging’s noch gleich, bevor sich hier wieder die Gemüter erhitzten? Ich hatte ein paar Kommentare gelöscht, die mir in ihrer Polemik gegen den Strich gingen. Nun kuriert man schlechte Manieren nicht mit ebenso schlechten – deswegen bedaure ich das. Asche auf mein Haupt.
Die Kommentarfunktion vorübergehend zu deaktivieren ist eine Alternative, wenn’s hart auf hart kommt. Auch, sich darüber Gedanken zu machen, dass linkbare Kommentator:innen für die Klangqualität eines Weblogs erstrebenswerter sind als Anonyme. (Beides gab Walhalladada zu bedenken)
Andererseits … wenn ich mich daran erinnere, wie heftig es manchmal im Atelier zuging, als noch zehn von uns in einem Raum arbeiteten – holla. Da flogen die Fetzen. Damals waren wir jünger, klar. Und praktisch jeder warf jedem Parteilichkeit vor, irgendwann. Die leicht Reizbaren schnappten nach ihren Reizworten, die Supereloquenten machten sowieso immer alle anderen platt, und immer kamen jene zu kurz, die den Mund nicht aufkriegten, oder zu langsam waren.
Und das soll jetzt alles ganz anders sein, nachdem wir erwachsen sind?
Ja.
Klappt aber nicht immer.

p.s. Prise Humor schadet nicht, gell.

00:40
Kleiner Nachtrag, weil ich morgen wieder in die Manuskriptarbeit mit meiner Freundin abtauchen werde: vorhin haben einige Gäste ihre heutigen Beiträge von sich aus offline genommen. Vielleicht sind dabei auch einige Ihrer – die Sie gerade hier lesen – Kommentare verschwunden? Ich möchte nur sagen, ich war das nicht.
So. Vom Thema Löschen habe ich (Sie sicher auch) nun erstmal genug. Ich habe morgen keine Zeit, hier aufzupassen – deswegen werde ich über den morgigen Tag mal die Kommentarfunktion auf jene einschränken, die bei Twoday registriert sind.
‘Nacht, allerseits.

Literarische Weblogs. Donnerstag, 17. Februar 2011.

“Die Kriterien für ein literarisches Weblog? Möglichst sollte jeder Beitrag versuchen, das höchste Maß an Form zu finden.”

(Ein Leser in einer email-Korrespondenz)

Und was ist mit Spiel? Ablenkung? Zerstreuung? Seitenwegen? Mit Durchlässigkeit? Die nur erreicht wird, wenn undefinierte Räume zur Verfügung stehen?
Muss darüber nachdenken.
Aber in Eile jetzt.
Bis später.

20:48
Sie haben recht: die Frage ist wirklich obsolet. Zumindest dieser Form. Dennoch hat mein eiliger Beitrag seinen Zweck erfüllt – diente er doch dazu, mir das “höchste Maß” aus dem Gefieder zu schütteln, bevor ich abflog heute Morgen.
Indem ich es Ihnen, geschätzte Leser:innen, zum Zerreißen vorwarf. ; )

Der Einmalnick. Dienstag, 15. Februar 2011.

Man könnte welche sammeln, oder erfinden: Namen. Falls man schnell mal einen braucht für ein Streitgespräch oder einen Zusammenhang, in dem man nicht unter dem angestammten Pseudonym auftreten will.
Ich bin oft überrascht, wie seltsam bescheiden viele Nicks klingen, die mir im Web begegnen. Beiläufig. Oder einfach neutral. Als wären Namen nicht so wichtig. Dabei sind sie das Wichtigste überhaupt: sie machen die erste Ansage. Erstmal sich selbst, dann den Anderen gegenüber.
Der Nick (falls man keine eigene Website hat) ist die einzige Zusatzinformation, die man Leser:innen zum eigenen Kommentar mitliefert.
Ein Einmalnick würde natürlich auch erleichtern, mal zeitweilig in eine andere Rolle zu schlüpfen.
Warum also nicht mal ein paar klingende Pseudonyme auf Vorrat anlegen? Eine Schatzkiste voller Namen.
Ich leg’ mal vier Stück rein, die mir (fragen Sie mich nicht, warum) eben auf die Schnelle einfallen.
Vielleicht Sie ja auch einen oder zwei?

Miss Take
Fuchslicht
Spielfiep
Diamantis

16:46
Nachdem ich eben von meiner neuen Schülergruppe zurückkomme, muss ich gleich deren (als Ausruf fast unbegrenzt einsetzbares) Lieblingswort verkünden:

STABIL!

Auch ‘n schöner Nick.

Dunkel. Montag, 14. Februar 2011.

Ich freue mich auf die Manuskriptarbeit mit ihr. Obwohl sie nicht leicht werden wird. Ihre Sprache ist die einer Orientalin, doch ihre Geschichte ist kein Märchen, keine Fiktion. Leider. Ab September kann man ihr Buch kaufen, wir haben also nicht viel Zeit. Sie ist Iranerin. Und sie wird mir Texte vorlegen, wie oft in den letzten Jahren, an denen ich harmonieliebender Mensch mir die Zähne ausbeißen muss. Sie wird die ganze Zeit neben mir sitzen, bis wir unser Tagessoll durch haben. Wenn mir Passagen unklar sind, wird sie mich mit Bildern füttern, bis ich verstehe. Zwei Frauen an einem Schreibtisch. Sowas nenne ich Arbeit.
Die mich im übrigen davon abhalten wird, mich auf TT zu konzentrieren. Halten Sie es also bitte nicht für Zaghaftigkeit, wenn ich heute tagsüber nicht in Erscheinung trete, um Waffen zu konfiszieren; ich hab’ schlichtweg keine Zeit.

20:05
So, das wäre für heute geschafft. Morgen erstmal wieder ein Schreibworkshop: biographisches Schreiben für junge Leute mit Migrationsgeschichte. Und übermorgen gehen wir vier Betonschultern dann die nächsten beiden Kapitel an.

Friedlich war’s hier heute; die Ereignisse der letzten Tage wirken aber nach. Fühlt sich an, als habe mir ein Hai ein Stück aus dem BooTT meines Selbstverständnisses gebissen.
Da sitz’ ich jetzt und starre auf die gezackte Öffnung in der Bootswand und sag’ mir, Phyllis, Du willst ganz schön viel, wenn Du von Dir verlangst, Auseinandersetzungen hier immer richtig und fair und im Sinne aller zu moderieren, sowas ist schlicht unmöglich und führt in die geistige Zerrüttung. Mach’ lieber ein paar Fehler. Sei lieber ehrlich parteiisch als pseudoneutral. Und achte darauf, dass Spielregeln für alle gelten.
So (wenig) weit bin ich momentan, ich lass’ es Sie wissen, wenn die paar Knochen etwas mehr Fleisch bekommen haben ; )
Doch schon während ich das schreibe, seh’ ich, wie das Loch in der Bootswand zuwächst, die gezackten Ränder schieben sich zusammen, ein paar Tage noch, und der Kahn ist wieder wie neu.

Eigentlich. Samstag, 12. Februar 2011.

Ich denke darüber nach, wie sich eine unvoreingenommene Diskussion führen ließe. Wie wäre es, wenn sich alle Beteiligten erst einmal neue Namen zulegten? Ein Pseudonym, das nur innerhalb dieser Diskussion verwendet würde.
Das wäre ein bißchen so, wie eine saubere Tischdecke aufzulegen, oder?

Gehe aber erstmal offline.

*tschilp*

Beste Grüße!

TT

18:49
Ich bin heute, seh’n Sie’s mir nach, geschätzte Leser:innen, etwas träg’ an den Synapsen!
(Im Gegensatz zu Ihnen ; )

01:04
Schluss mit dem nächtlichen Rumgeschwafel hier! Ich bin keine Löschliese, verdammt.
Wie entsetzlich öde, das immer wieder sagen zu müssen.

Mittig sitzen, ff

Ich bin traurig. Das ist oft meine Reaktion, wenn ich eigentlich wütend sein sollte; an Wut komme ich selten ran.
Ich versuch’s trotzdem mal. Da hat sich eine Auseinandersetzung hochgefiebert in den letzten Tagen. Auf verschiedenen Weblogs. Wer nicht weiß, wovon ich spreche, sollte vielleicht froh sein, ich verlinke hier jedenfalls nicht mehr! Jedenfalls blinkten dabei anfangs zwei Köder, an denen ich nicht vorbeischwimmen konnte: die Auseinandersetzung mit weiblichen Rollenklischees zum einen. Interessiert mich immer, klar. Und die Frage, wie viel Übersetzung/Verhüllung es braucht, um Privatpersonen beziehungsweise reale Begebenheiten als Material für das eigene literarische weblog verwenden zu können. Interessiert mich auch sehr. Denn – wie irgendwo jemand kommentierte – wenn der Text, der den Stein ins Rollen brachte, erst ein Jahr später innerhalb eines Romans erschienen wäre, hätte sich wohl niemand in diesem Maße darüber aufgeregt. Es geht also –auch- um Unmittelbarkeit. Weblogtexte unterliegen anderen Regeln als Manuskripte, die irgendwann in Buchform erscheinen.
Das dritte, was mich irritiert, ist kein Köder, sondern ein sehr persönliches Ding: die diesen Disput tragenden Personen kennen sich. Persönlich. Es ist also kein Sturm im Wasserglas, wie man von Ferne gerne denken möchte, sondern eine handfeste Auseinandersetzung zwischen realen Menschen, die sich mit Namen kennen. Die Sache hätte hinter den Kulissen bereinigt werden können. Das wurde auch versucht; trotzdem scheint kein Schlußstrich in Sicht. Da werden Freundschaften aufs Spiel gesetzt! Eine ist ganz offensichtlich schon ruiniert. Was soll man dazu sagen? Ich spüre, das Ding geht sehr weit über Selbstdarstellungsmodi und Stürme in Wassergläsern hinaus – und es macht mich sehr, sehr nachdenklich. Auch befangen. Ich möchte Schlüsse daraus ziehen. Ich möchte aber nicht den Schluss daraus ziehen, mich nie wieder einzumischen in Angelegenheiten, die ich nicht wirklich beurteilen kann. Das „Halt Dich da besser raus“ – Prinzip ist mir nämlich suspekt.
Schon klar, man riskiert, eins auf die Fresse zu kriegen, wenn man sich in eine Prügelei einmischt. Wir sind aber nicht in der Kneipe.
Wir sind ernsthafte Leute. Verletzbare Leute. Fehlbare Leute. Und manchmal sich ineinander verrennende Leute. Dennoch Leute mit Humor. Doch das rettende Federchen, das sich Ironie nennt, verwandelt sich manchmal (die Hitze des Gefechts) in eine Stahlbürste – was man eventuell erst merkt, wenn dem anderen die Nase blutet.
Worauf ich hinaus will, ist dies: hinter unseren öffentlichen Präsenzen stehen reale Menschen. Wer das deutlich machen will – mit allem, was es impliziert – hat die Möglichkeit, das eigene Weblog unter seinem/ihren realen Namen laufen zu lassen. Ich zum Beispiel mache das so: wer sich hier auf TT kommentierend äußert, spricht mit mir, wer mich würdigen oder angreifen will, trifft auf mich. Das will ich so; ich will als Autorin von TT kenntlich sein, ich will mich real freuen und real ärgern.
Eine Möglichkeit von vielen, schon klar. Ich mag Pseudonyme und lese auch gerne in formalisierten oder Kunstfigurenweblogs, nur für mich ist das eben nichts. Weil ich durcheinander käme. Ich will meine Themen auch nicht relativieren oder ironisieren (müssen), wenn mir gerade nach 1:1 zumute ist. Und wenn ein Streit ausbricht? Umso besser; wir müssen uns hier nicht alle ständig den Bauch pinseln. Nur mit Hauen und Stechen kann ich persönlich nicht umgehen.
Der Streit anderenorts ist aus dem Ruder gelaufen. Da geht’s nicht mehr um feurig aufeinander prallende Gegensätze, sondern um ungebändigte Wut, die real verletzt, und zwar hallo. Ich verfolge das.
Welche Schlüsse ich daraus ziehe?
Welche ziehen Sie denn daraus, geschätzte Leser:innen?

Mager. Donnerstag, 10 Februar 2011.

Dieses Mädchen ist, Himmel sei Dank, nicht mehr mager. Doch sie war’s. Sie war, deutete sie schreibend an und erzählte auch später, mit fünfzehn so ausgezehrt, dass nichts mehr ging. Ich sehe dem Mädchen in die Augen. Einen Wahnsinnsblick hat sie, hell, klug, eine Sprache sprechend, von der andere Siebzehnjährige nicht mal was ahnen. Wer den Dämon der Magersucht überlebt – und das hat sie, sonst säße sie nicht an meinem Tisch – hat meine volle Bewunderung. Mir egal, wie aufgeladen ich klinge – es erschüttert mich einfach immer wieder, wie früh dieser Kampf, “richtig” auszusehen, schon losgeht. Und bis man in der Lage ist, diesem Druck mittels eigener Intelligenz, Vorstellungskraft und Lebenserfahrung ein “Ich bin!” entgegenzusetzen, kann die Selbstwahrnehmung schon schwer beschädigt sein. Aus eigener Erfahrung weiß ich, diese Marker kriegt man nicht mehr los, die einzige Möglichkeit, scheint mir, ist, mit ihnen zu arbeiten.
Jedenfalls ging mir dieses Mädchen nicht aus dem Kopf gestern Abend, während die Diskussion der Ausgewachsenen (Sie wissen schon, wo) um offensiv Weibliches kreiste. Ich spürte, was für ein Riesenbrocken das ist. Und dass ich ein Gespräch dazu gerne noch weiter führen würde.

So. Pause zuende. Weiter geht’s.

19:13
Eben muss ich an Stieg Larssons “Verdammnis” denken, ich sah die Verfilmung kürzlich im Fernsehen. Diese Frau, die Hackerin. Klein, tätowiert, misstrauisch, geschunden und wehrhaft bis zum Äußersten, eine Phoenixin, aus der Asche ihrer Jugend gestiegen, bei gleichzeitigem Verlust all dessen, was man heutzutage soziale Kompetenz nennt.
Die Trilogie von Larson ist, vermute ich, nur wegen dieser unkonventionellen Frauenfigur so erfolgreich geworden.
(Die Bücher sind übrigens schlecht geschrieben, finde ich; ich versuchte mich letztes Jahr mal daran und legte den Band nach dreißig Seiten weg)