copyright phyllis kiehl 2017
Archiv des Autors: phyllis
Und hopp!
Vom Gewebe der Wirklichkeit
… Ein Moment, als ob du ohne nachzudenken an einem kleinen Faden rucktest, der aus der Fassade eines bestimmt über hundert Jahre alten Hauses heraushinge, und überrascht feststelltest, dass da etwas nachgäbe, und vorsichtig weiter zögest, eine Handbreit,
dann noch eine, schließlich hättest du bereits einige Meter beisammen, so dass du anfingest, den Faden zu einem Knäuel aufzurollen und gewahr würdest, dass du mittlerweile dabei wärst, den rechten unteren Fensterrahmen und schließlich den Mörtel zwischen den Backsteinen aufzuribbeln, die restlichen Fenster, die Tür samt Schwelle und die Backsteine selbst.
Ja.
Und wiewohl das alles nicht länger als einen Moment gedauert haben würde, hättest du natürlich bald einen ordentlichen Knäuel.
Du machtest so lange weiter, bis das ganze Gebäude aufgeribbelt wäre, auch die mottenzerfressenen Teppiche im Inneren, das cordbezogene Sofa, die zwei Paar Filzpantoffeln aus dem Schlafzimmer, die Teekanne, der Duschvorhang, einfach alles, und stündest nun vor einer ziemlich riesigen Lücke, wo gerade noch das Haus war. Dann hieltest du inne.
Es wäre immer noch Zug auf dem Faden.
Zustand, Ausstand, Einstand.
Zufluss, Ausfluss, Einfluss.
Wähle den Fluss, nicht den Stand. So beginnst du.
Langsam geht’s aufwärts
Frommer Wunsch
Farah Days Tagebuch, 17
Sonntag, 20. Oktober 2013
(Seit neun Tagen schizophren, danke, gut)
[… ] weigerst dich einfach zu sehen, dass ich es nie wagte, zu glauben, dass es auf mich ankäme. Musste mir das immer von anderen leihen, von dir zumeist, von Hütern, von Fremden. Niemand ist, wo ich bin. Ich, das sind immer die anderen; wer wüsste das besser als
– Du?
Nein, Du!
Wie läppisch wir sind.
Nehmt uns was weg, damit wir zu schreien lernen.
Liegt die Kraft wirklich im Mitfühlen und Einmischen? Außerhalb der Käfige und Bühnen tobt der Stellungskrieg, nur die Aufklärer haben bei uns einen guten Job, alle anderen verheizen sich. Niemand aus dem Dazwischen kommt jemals irgendwo raus; es gibt kein Raus.
In meinem Kopf die Stimme, immerzu leiert sie: compare, compare, compare, stunden- und tagelang, wieso sie Englisch spricht, ist mir nicht bekannt, viel weniger noch, mit was denn zu vergleichen ich aufgefordert werde. Mein Kopf ist ein bootcamp.
I would prefer not to
(love you, Bartleby)
Wir schaffen uns Meisen an in der Hoffnung, die würden die Originalmeisen neutralisieren, nicht wahr, Kampfmeisen, gewollte, stilisierte, getunte Meisen, die darüber hinwegpiepen sollen, wie verkorkst wir schon waren, als wir noch gar nichts dafür konnten
Käfige und Bühnen baue ich euch, sehr kleine. Sie kommen im Doppelpack, ein Käfig und eine Bühne, hängt sie nebeneinander ins Schlafzimmer, von der Decke. Sie sind leer und leuchten im Dunkeln. Nur so als Erinnerung.
„Hab’ ich jemals…?“
Noch so ein Satz, den ich nicht mehr hören will!
Ich hingegen liebe einen, für den wäre etwas Lebendiges zu unterlassen die größte Sünde von allen; er würde alles tun, nein, er wird alles tun…
Lass ihn.
Mach ich doch.
(„… Hast du heute schon über das Wort „immerzu“ nachgedacht?“)
Ruhe, Ihr. Was seid ihr nur für ein Pack, immer noch vom Fruchtwasser weichgespült, ich kann’s nicht mehr hören. Leckt euch endlich trocken. Scheiß Memmen. Echt aber.
Alles ist Botschaft! Alles! Wie solle eine das aushalten? Wie mache eine, dass sie nicht überglüht, vor lauter?
Indem sie formt!
Ah… das große Multilind, den letzten Eisbrecher, die getarnteste Kappe, such’ dir was aus. Es gibt kein Draußen, versteh’ das doch endlich, mein Dappes, du bist der Universalerneuerer, bist Teer und Federn, die Original- und die Kunstmeise. Vergolde dich.
– Hä?
Ich spreche von Wertschätzung.
– Ich nie!
Das ist es ja. Da liegt der Hase im Pfeffer und dort, leider, gefällt es ihm einfach zu gut, obwohl er eine blutige Nase hat vom Niesen, seit Jahren schon.
Hört’ mit den Scheißtiervergleichen auf. Denkt doch an alle diejenigen, denen es schlechter geht als euch, denkt daran, wie scheißunfair die Scheißressourcen verteilt sind, manche kriegen nur Neins ihr Leben lang und selbst das Nein müssen sie bewachen! Ihr suhlt euch in euren Pri
Halts Maul.
Okay, lasst uns erstmal frühstücken.
Comparecomparecomparecomparecomparecomparecomparecomparecomparecomparecomparecomparecompare
Pupille
(Es ist ganz einfach, dorthin zu gelangen – wenn man die Botschaft auf der Pupille lesen kann.)
Madame TT rennt sich jetzt erst einmal den Schlaf aus den Gliedern. Und vielleicht, während die Bäume schnattern und die Gänse rascheln, wenn das vollgesogene Laub unter ihren Füßen quatscht und Rudel von Nacktschnecken in den Pfützen palavern, vielleicht beschließt sie dann, dass der magische Ort genau hier ist, und jetzt, und niemals hinter einem schwarzen Glas.
Ihnen einen wunderschönen Samstag!
Herzlich,
Madame TT
Farah Days Tagebuch, 16
Ich habe viel, wie im Rausch, geschrieben. Die verdammten Texte kommen alle in den alten, hölzernen Kasten, den ich in einem Haufen Sperrmüll auf der Straße gefunden habe. Wenn alles geschrieben ist, nehme ich den Kasten, fahre auf’s Land, suche mir ein leeres Feld und verbrenne ihn. Die Nacht wird feucht sein, doch ich kenne mich aus mit Feuer. Die Ascheflöckchen werden aufsteigen. Ich werde zusehen, wie sie in der Luft verglimmen und dann






