Gegendarstellung

Jener, der mir seit je verkündet, die Welt verändern zu wollen: Er meint das. Unnötig zu erwähnen, es wär’ ihm genehm, wenn ich dabei mitmachte.
Warum, frage ich, warum so groß. Verlierst du da nicht den Blick fürs –
Mag sein, raunzt er, aber Kleinklein bringt nichts.
Du meinst, wenn, muss man das ganze Ding ins Auge fassen. Den Planeten.
Yep.

Nun muss erwähnt werden, er bohrt große Bretter; ein Maulheld ist er nicht.
Ich schon. Komplett zufrieden damit, den Rücken der Gesellschaft abzuernten. Wenn mich die Lust packt, beäuge ich, was gerade herumtreibt, Plankton von Handlungen, sauge ein paar Liter davon ein, schwelle auf zu beeindruckender Größe: Mein Talent besteht darin, winzigste Dinge mit Bedeutung zu pimpen, denn, was ist schon eine Tat?
Hm?
Ein Zippeln im Gesellschaftskörper, ein juckender Punkt! Ohne Trara gewinnt sie kaum Fläche.
(Sagt mir, dass ich mich irre.)

Ich mag sie nicht, bemerkt er zu einem anderen Zeitpunkt.
Wen?
Die Ehrgeizigen! stöhnt er. Solang’ sie jung und am Aufsteigen sind, hängen sie dir endlos am Bein. Sind sie älter und glauben, sie könnten es mit dir aufnehmen, versuchen sie, dich mit Flitzegedanken zu blenden, bis du vor lauter Großartigkeit Kopfschmerzen kriegst.
(Mich betreffend hat er sich da nie Hemmungen auferlegt: mit einem mächtigen Hieb soll ich mich durch den Mainstream hauen, den Stahl durchziehen, während rechts und links meiner Schneide die Redundanz wegspritzt)

Wie sollte man denn stattdessen sein, frage ich vorsichtig.
Himmel und Arsch, es gibt schon zu viel Plauderton auf der Welt!, ruft er.
(Weshalb mir immer das Messer in der Hose aufgeht, wenn ich mit ihm zusammen bin? Ratet mal.)

Wettbewerb ist das Benzin der Gesellschaft. Doch wer betreibt die Tanke?

Okay. Ich sag’s Euch.

…Nee.

Hab’s mir anders überlegt.

Augenscheinwerfer

“Das Kind lebt noch” schrieb mir eine junge Frau nach dem letzten Seminar auf den Rücken, und ein anderer schrieb: “Beste Trainerin aller Zeiten, je veux que tu travailles beaucoup” – ich will, dass du viel arbeitest.
Wir machen das immer zum Abschluss unserer gemeinsamen Zeit: kleben uns ein Blatt Papier auf den Rücken und schreiben uns gegenseitig etwas drauf. Keine Kritik – für die haben wir vorher Gelegenheit – sondern kleine Beobachtungsgeschenke. Ich hebe mir diese Zettel alle auf.
“Wenn ihr mal einen schlechten Tag habt”, rate ich meinen Leuten, “nehmt einfach dieses Blatt aus der Schublade, es wird euch daran erinnern, welche schönen Eindrücke ihr bei anderen hinterlassen könnt.”
Wahrscheinlich brauchen die ihre Zettel viel weniger als ich. Für mich beginnt jetzt erst einmal wieder eine Phase des Rückbaus, in gewisser Weise: Ich lege den Augenschein(werfer) zur Seite, trete ein Stück zurück ins Ungefähre. Darauf freue ich mich: so leise und verriegelt sein zu dürfen, eine Weile. Das Kind, das noch lebt (wie schön, dass dies erkannt wird!), wirft ein paar Decken über den Schreibtisch und baut sich eine Höhle. Und jetzt fragen Sie mich bloss nicht, welche drei Dinge ich dorthin ins Dunkle mitnehme! ; )

Alive and tipping

Madame TT zurück am Schreibtisch. Jetzt muss sie nur noch rauskriegen, wie sich aus der inzwischen hier eingegangenen workload ein workflow zaubern lässt.
Montag.
To-do-Liste.
(Unvermittelt kommt mir das Bild galloppierender Pferde (eines davon ist in Wirklichkeit etwas ganz anderes) in den Sinn, die zu siebt auf einen Heuschober zustürmen. Ich kann den Schweiß auf ihren Flanken riechen, weiß, was sie vorhaben, weiß sogar, dass der Heuschober eine Schleuse in eine andere Welt ist, die völlig…


Au wei.
Ganz eindeutig noch Nachwirkungen des Kreativseminars vom Wochenende… ; )

Augenschein

Deinen Grundriss
ich verlasse ihn
Dein Stab
ist mein Stecken nicht
Sicherer Ort: Ich verlasse dich
Immerwährende Scham: Ich verlasse dich
Wohlfeile Lebenskunst: dich auch, Arschloch.

Ich verlasse dich, mein Braves, mein Zaghaftes
und auch dich, Liebes, Gewieftestes,
mein Ein-und-Alles Wunschdenken, meine Zauberwortmaschine,
Du wirfst mir nur Kunstschnee aus und ich will dich verlassen

sobald ich kann.

Da, wo ich hingeh,
habe ich keine Angst mehr, falsch zu sein,
kein Wort mehr, mich darin einzuwickeln,
keine Lust mehr, meine guten Taten zu zählen