Nachts

Es ist ruhig hier. Die Vorhänge bewegen sich ein bisschen in der Heizungsluft, die hinter ihnen aufsteigt. Ich darf mit einem weichen Schal um die Schultern sitzen, meinen Globus betrachten, während andere in diesem Moment sterben, an Cholera, Krieg, Hitze, Kälte, ersaufen in den Meeren auf dem Weg zu uns, und wieder andere den Pyjama anziehen und unter ihre Daunen steigen.
Die Kanzlerin erklärte gestern, Politik sei Handeln aufgrund der Informationen, die man habe, meistens seien das ausreichend Informationen, doch im Moment eher nicht. Die Situation ist außergewöhnlich, das sagte sie mehrmals mit ihrer sorgfältigen Stimme, sie ist außergewöhnlich, die Menschen haben das noch nicht in dem Maße realisiert, wie wir uns das wünschen. Sie denkt beim Sprechen nach, die Kanzlerin, man kann es an den Pausen hören.
Man werde einen Haufen Geld in Bildung investieren, heißt es weiter in den Nachrichten. Parallel zur Stimme des Sprechers wird das Bild einer mit Graffiti verschmierte Schultoilette eingeblendet. Geld für Bildung heißt anscheinend in der ARD, endlich wird die Graffiti übermalt. Diese tägliche Mischung aus Biederkeit und Grauen in den Nachrichten, sie scheint es nicht darauf anzulegen, irgendjemanden beim selbstständigen Denken zu unterstützen. Sie verstopft die Poren.

Januar

Janus, berichtet Wikipedia, war der römische Gott des Anfangs und des Endes, der Ein- und Ausgänge, Türen und Tore. Nach ihm ist der Monat Januar benannt. Er war ursprünglich ein Licht- und Sonnengott und wurde erst allmählich zum Gott allen Ursprungs und Anfangs, zum Vater aller Dinge (auch der Quellen) und aller Götter. Die frühsten Abbildungen dieses Gottes zeigen ihn mit einem Doppelgesicht, vorwärts und rückwärts blickend.
Das Jahr ist erst neun Tage alt; der doppelköpfige Janus hält mich in der Schwebe zwischen gestern und morgen.
Noch keine Gegenwart.

Das Wunder von Hessen

Es geht um die Herren Tarek Al-Wazir, Thorsten Schäfer-Gümbel und Roland Koch.

Wie SCHÖN sie geworden sind!
Gülden leuchtet der Blick, straff und rosig Wangen und Kinn, üppig die Lippen.

Morgens vor dem Joggen, kurz bevor ich zum Park abbiege, fangen die drei auf riesigen Wahlplakaten nach meiner Stimme.

Bin verwirrt. Ich magere Stimme im Angesicht so viel edler Männlichkeit –

Also gut.

Vorsätze mögen ja kurzlebig sein, das heißt aber nicht, dass ich keinen gefasst hätte. Oder dass es nicht sinnvoll wäre, sich mal auf eine Zielsetzung einzulassen.
Mein Vorsatz (ich hab nur einen) ist folgender:
Ich will schneller werden.
Bisher verpulvere ich mindestens die Hälfte meiner Energie darauf, meine Ideen, Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen so lange zu überprüfen, bis sie nach meinem eigenem Empfinden makellos sind. Unangreifbar. Das dauert. Während ich mich noch überprüfe und noch mal überprüfe, könnte längst was auf dem Tisch sein. Vieles interessante geht in der Maschinerie dieser Selbstüberprüfung verloren, weil ich zu dem Schluss komme, es sei zu trivial, zu riskant, zu wenig ausgegoren.
Ich denke, Beschleunigung ist angesagt. Schneller raushauen, die Ideen, sie nicht kaputt denken, bevor sie überhaupt mal Welt gesehen haben.
‘kay. Das ist mein Vorsatz: Beschleunigung der Schnecke.

Kommt gut ins neue Jahr, liebe Leser! Und zieht euch warm an : )

Bildquelle:
http://www.cuteoverload.com

Noch kein Hauch

festlicher Stimmung hat sich in meinen Räumen verbreitet. Auf die erste Januarwoche terminierte Texte sind zu schreiben, Weihnachtsgrüße zu erwidern, die verluderte Wohnung zu putzen, Hamsterkäufe für die Feiertage zu machen, das ganze eben.
Und dieses Blog? Ich lese immer wieder andererorts, wenn man nicht täglich schriebe, kämen einem die Leser abhanden. Na, denke ich mir, meine sind da anders. Die wissen inzwischen, dass das phyllinische Revier sich auch abseits des Computers ausbreitet, beschritten und bejagt werden will, da fehlt mir phasenweise die Ruhe, meine Beute in Worte (oder Linien) zu fassen.
Anyway, liebe Leser, ich wünsche euch – Ihnen – gute und entspannte Feiertage. Dazu die Muße, “zwischen den Jahren” (schon immer meine Lieblingszeit) ein paar gute Vorsätze zu fassen. Um sie alsbald wieder zu vergessen! Denn mit den Vorsätzen verhält es sich wie mit den Schuldgefühlen, wenn man sie bricht: Sie verblassen mit der Zeit. Und das ist gut so ; )

Fröhliche Weihnachten allerseits!!!