… kommt von innen.
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Kiss me
Rückkehr des Gesellen
Sie erinnern sich:
Im Herbst letzten Jahres war er auf der Holzterrasse >>> ohne die üblichen Vorkehrungen in Schlaf gefallen und wurde mütterlicherseits in eine Auffangstation eingeliefert. Nun ist er, wenngleich noch etwas misstrauisch dreinblickend, zurück im Garten. Ich berichte das, weil damals doch einige von Ihnen, geschätzte Leser:innen, an seinem Schicksal Anteil nahmen. Seine Zukunft ist einen weiteren Sommer lang gesichert, hoff’ ich.
Ansonsten nichts Neues im Südwesten. Der Himmel hat sich zugezogen, Nieselregen, Nacktschneckenwetter. Bin selbst etwas trüb. Wer Sonnenstrahlen zu verschenken hat, her damit!
xxx
Lieferservice, ff
Eigentlich
Vor vielen Jahren, wir machten damals noch eine Ausstellung nach der anderen, gab es mal eine, die “69,99.-” hieß. Sie ahnen, warum: Jede dort gezeigte Arbeit konnte zu diesem Preis erworben werden. Allesamt waren es Zeichnungen, Collagen oder Fotos, 20 x 20 cm, einheitlich gerahmt. Wir waren >>> zwölf. Gemeinsam machten wir die “Fahrradhalle” – einen Aktions- und Ausstellungsraum, in dem wir fünf Jahre lang jeden Monat Arbeiten von Künstler:innen präsentierten, die wir interessant fanden. Manchmal auch unsere eigenen – so bei “69,99.-“.
Ich kaufte damals die Arbeit meines Kollegen A. v Z. … er ist inzwischen mit einer Modedesignerin verheiratet und hilft ihr, in ihrem Maßatelier galante Kleidung zu entwerfen. Ich erinnere mich, dass er damals schon sagte, wenn er es bis zu seinem Dreißigsten nicht geschafft haben würde, als Künstler erfolgreich zu sein, würde er umsatteln. Hat er dann auch getan. Obwohl er seinerzeit s e h r coole und aufwändige Objekte machte. Installationen. Wir alle dachten, den hält nichts auf. Wir alle dachten, u n s hält nichts auf!
Wie dem auch sei. Ich hatte jedenfalls heute Nacht diesen Traum – ein Hammer von einem Traum war das. Morgens blieb mir nur ein Bild noch eine Weile stehen: Ich befand mich in einem Gewölbe und stieg ein paar steinerne Treppenstufen zu einem Bassin hinunter, das mit einer dunklen, dickflüssigen Masse gefüllt war. Schlamm oder Schlimmeres? Keine Ahnung, jedenfalls war es warm. Ich watete langsam hindurch, stieg an der anderen Seite wieder nach oben, durchquerte einen angrenzenden, menschenleeren Raum und befand mich mit einem Mal wieder auf einer belebten Straße, von Kopf bis Fuß bedeckt mit … Schlamm. Denke ich. An irgendeine Art von Scham oder Verstörtsein angesichts meines Zustands kann ich mich nicht erinnern. Nur das Wort “eigentlich” kam mir in den Sinn.
Und das (um die Kurve zu kriegen) war genau das Wort, das der Kollege A. v Z. damals auf das 20 x 20 cm große Papier geprägt hatte, ganz klein, höchstens sieben Punkt Schriftgröße. Sonst war nichts auf dem Blatt, nur dieses winzige Wort, umgeben von ganz viel Weiß.
Sein “Eigentlich” (ich nahm es irgendwann aus dem Rahmen, weil ich ihn für etwas anderes brauchte) liegt bestimmt noch in irgendeinem Karton rum. Ich brauche es nicht mehr, denn seine Botschaft ist längst Teil meines Systems geworden. Das Wort “eigentlich” bewirkt bei mir ein Innehalten. Es bewirkt, dass ich mich frage, ob ich das, was ich gerade tu’, wirklich will, oder ob mein Handeln womöglich Ersatz für ein anderes Handeln ist, das mir aus Gründen, die ich dann auszuforschen suche, nicht möglich ist. “Eigentlich” bewirkt Vergegenwärtigung. Es ist nicht immer leicht, sich so selbst ins Aug’ zu blicken – logo. Vielleicht sogar schwieriger, als durch ein Bassin mit warmer Sie-wissen-schon zu waten ; )
Der Frühling, denke ich, ist jedenfalls ein verdammt guter Zeitraum, sich die eigenen Schlüssel- nein, Zauberworte vor Augen zu halten: the writing on the wall. Meine eigenen erkenne ich daran, dass sie Körpertemperatur haben und – Bilder sind. Manchmal sogar Flüssigkeiten.
Die Rückeroberung der Lust in Bildern
Frühlings Erwachen
Tausendsassa
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Das sind schon mal exakt tausend Punkte.
Die tausend Sätze, zu denen sie gehören, harren noch ihrer Ausführung.
Na ja.
Ich dachte, ich red’ mal drüber.
Unzu:lässig
Neue Frauen
Es gibt immer wieder Zeiten, in denen ich mir einbilde, unglaublich verbunden zu sein. Als ob ich Ihren Puls spüren könnte. Ja, Ihren. Als gäbe es tatsächlich ein Zugehörigkeitsgefühl, das allein über das Geschlecht entsteht.
Ich spreche mit so vielen.
„In den ersten Jahren nach dem Kunststudium“, erzähle ich, „waren es Männer, die über meine Karriere, meine Verdienstmöglichkeiten, meine Eignung befanden. In den letzten zehn Jahren aber arbeite ich fast ausschließlich mit Frauen.“
„Ist das Absicht?“ fragt die Dame, die an meinem roten runden Tisch sitzt. (Grüne Tische sind für Anfänger)
„Ja“ sage ich. „Im Harten wie im Weichen hab’ ich einfach großes Vergnügen an ihnen.“
„Beim Arbeiten…“ lächelt die Dame.
„Im Bett nicht“ sage ich.
Sie grinst. Obwohl von hanseatischem Wesen und untadeliger Gestalt, hat sie den Schalk im schmalen Nacken, ich seh’ das. Ich kenn’ sie noch nicht lang, doch wir haben vieles gemein, das Lehren (leidenschaftlich), die Lust am Inkubatorinnentum (das Wort „Inkubator“ brachte s i e mit, ich verwende das nie), vor allem aber das nah sein können. Sie hat warme Augen. Meine Vorliebe für Frauen mit warmen Augen ist stark ausgeprägt.
Neben mir auf der alten Birke singt ein Amselmännchen. Frau Ringeltaube und ihr Gemahl sind ebenfalls da, die zwei flattern ziemlich rum, stört den Amslerich aber nicht.
Ich hab’ frei. Oh Wunder. Sitze mit den Füßen auf dem Tisch on the balcony, die Luft ist lau, die Bäume seh’n aus, als wär’ Frühling. Merkwürdig, wie sehr mir der Erledigungsmodus in den letzten Wochen den Blick verstellt hat auf dieses Erwachen– man behauptet doch immer, Künstler:innen wären so rezeptiv? Kann ich nicht bestätigen. Wenn ich im To-do-Listen-Modus bin, hab’ ich erfahrungsgemäß appe Fingernägel, ein fast unstillbares Bedürfnis nach einer Katze und Tunnelblick.
„Man merkt es dir aber nicht an“ kommentiert Mel, mit der ich neuerdings gemeinsam Seminare halte. Noch so eine, die ich nicht mehr missen möchte, weil wir uns einfach himmlisch ergänzen. Um das auch mal wieder zu sagen: Großartig am Älterwerden ist, dass eine sich nur noch sehr selten in Menschen täuscht. Mel zum Beispiel. Dass wir was machen würden, war mir schon lange klar, da fehlte nur ein Anlass und kaum war der da, fügte sich das. Genüßlich, ohne Stress, ohne Wettbewerbsgesten. I love it. Bin das Lehren als One-woman-Unternehmen ein wenig leid. Das Arbeiten selbst aber nicht, nö.
„I have a short attention span“ sagte vor ein paar Tagen eine nigerianische Designerin zu mir. Wir saßen mit einem ganzen Rudel vor der Mensa der Städelschule im Freien. Lauter Leute vom Städel und vom Weltkulturenmuseum. Kibu, die Nigerianerin, neben mir, gerade mal den ersten Tag in Deutschland, mischte mit ihrem Lachen aber schon den ganzen Tisch auf. Zusammen mit Ottobong, von der ich >>> schon einmal schrieb. (Ohne Leute vom afrikanischen Kontinent, stelle ich immer wieder fest, sollte eigentlich keine Feier stattfinden)
Wie auch immer, ich sah Kibu nur an und sagte:
„Wow, that’s exactly my feeling as well.“
„Did you try to work on it?“ fragte sie mit dieser Stimme, der man die Familie und das englische Internat anhört.
„Nope. Not worth the trouble, I’m not much into optimizing myself any further. But let’s make ourselves a button. For social occasions“ sage ich.
„Saying what?“ fragte sie.
„Warning: short attention span“ sagte ich.
Sie lachte und rieb ihre Schulter an meiner: „I like you.“ Rief quer über den Tisch zu Ottobong rüber: „She’s great, isn’t she?“
Otto, mit Bad-Ass-Hütchen in Burgunder, Jackett und dem größten Mund am Tisch, rief laut zurück: „Damn right she is!“ Zwinkerte mir zu. Wir haben die gleiche Temperatur.
Überhaupt – ich mag die Frauen, die mir im Laufe der letzten Monate über die Arbeit näher gekommen sind. Diese Beziehungen beginnen fast alle als „Themenfreundschaft“ – ein Wort, das mir meine iranische Freundin einmal nannte, als ich mich beschwerte, sie hätte nur noch so wenig Zeit für mich vor lauter Karriere.
„Du darfst das nicht vergleichen“, sagte sie. „Ich hab’ verdammt viel zu tun und sehe vermehrt nur noch die Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Daraus entwickeln sich Routinen, aber auch Zuneigung. Du und ich, wir sind Familie.“
Anders gesagt: Die Freundschaften, bei denen Arbeit im Spiel ist, funktionieren gerade bei Selbstständigen viel organischer als die, die man mit dem Herzen geschlossen hat – oft schon vor langer Zeit. Ist bei mir nicht anders. Vernunftehe schlägt Liebesheirat, sozusagen.
Anyway. Ich erzähle Ihnen das, weil eine über Freundschaft gar nicht genug reden kann. Und weil ich mich erst einmal wieder einschreiben möchte. Locker werden. Meine Seminarphase ist vorerst beendet, jetzt darf ich mal wieder plaudern. Unkreativ sein. (yippie)
Auch banal. (uff)
In der Sonne sitzen. Und Ihnen einen jetzt schönen Samstag wünschen.
Herzlich Ihre
Miss TT