Heute kein Feedback

Die Seminare, für dieses Jahr, sind vorüber: Gestern hielt ich das letzte. Ab sofort bis Mitte Januar keine Gruppenräume, kein Kofferpacken, keine neuen Gesichter, die durch Türen kommen. Madame TT ist mal wieder ein Weilchen Privatperson. Kann’s noch gar nicht zu fassen kriegen, was das bedeutet. So viel bleibt liegen, wenn die Taktung der Seminare so hoch ist wie in der Herbstwintersaison – von September bis Mitte Dezember, jedes Jahr, laufen mir so viele Menschen durch die Wahrnehmung, so viele Sehnsüchte und zittrige Hände, aufbrechende Knoten, geweckte Ambitionen, dass ich kaum noch Energie für eigene Vorhaben übrig habe. Übrig haben will: Diese Arbeit macht sich nur gut, wenn man alles hineingibt. Vielleicht können andere das besser? Sich in Hochdruckphasen immer noch ein Quentchen Energie aufheben, damit abends auf dem Sofa das Rendezvous mit dem Selbst noch Pep hat?
Gerade jedenfalls liege ich mit dem Laptop auf dem Schoß im Bett und denke: Heute kein Feedback. Dieses Wort, wie so viele andere, kommt erst einmal in die Schublade. Und —– weg ist es.

Stattdessen erzählen. Freunde besuchen, die mich seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr zu Gesicht bekommen haben. Zeichnen. Korrespondenzen wieder aufnehmen, das Schreiben hier auf TT, das Tagebuchschreiben. Eine Reise planen. Einen neuen Menschen kennen lernen, mindestens. Und mein Wichtigstes wieder einfangen: das Gefühl, nach Außen hin keinen Sinn machen zu müssen. Hey! Das wird der nächste befreite Text sein, den ich schreibe: lauter Vorhaben formulieren, die nur nach Innen Sinn machen.

Schönen Sonntag, allerseits! Madame kocht jetzt erst einmal ein Ei. (Vielleicht legt sie sogar eins.)

Das Zerren der Listen

(Die verdammten Erledigungslisten machen mich fertig. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als s i e fertig zu machen. Sorry. Eigentlich sollte das eine besinnliche Zeit sein, stattdessen fühlt sich’s an wie eine besinnungslose. Wär’ schön, wenn Sie, geschätzte Leser:innen, hier ein wenig spielen könnten, solange ich’s nicht kann. Außer, an Ihnen zerren die Listen ganz genauso…)

Schau, da

Fand’s überflüssig. Im wahrsten Sinne. Ständig diese Aufforderungen, dazu die Frauen, die immer mit ihrer Flasche Evian durch die Gegend rennen. Jetzt aber trinke ich Wasser als ging’s um mein Leben, Unmengen. Muss einen Krampf aus mir herausspülen, der sich festgesetzt hat, da hilft kein Becherchen, das müssen schon Sturzbäche sein, damit der sich löst.
Schau, da hängt der Hauch von Morgenmantel, den ich in Paris trug, im Sommer. War ich in Paris?
Schau, da liegt der Ring, den ich zum Geburtstag bekam. Was für ein Ring?
Schau, da steht der Spiegel, in dem ich mich immer betrachte. Was für ein Ich?
Schau, da
“Es ist alles schon da” sagte vor Jahren ein Vertrauter zu mir, “in dir. Alle Zeichnungen. Alle Erzählungen. Deine Schöpfungen. Du musst nichts erfinden, nur den Weg dahin.”
Also Wasser, laufen lassen, nicht auf den Boden sehen.

Bis späte
rrrrrrrrrrr

Pekingente

(Ich würde wahnsinnig gerne einen launigen Text über Weihnachtsessen unter Arbeitskollegen schreiben. Wenn ich nicht immer noch völlig benommen wäre von diesem Zeug, das wir uns in großen Quantitäten einhelfen mussten, um die verflixte Ente runterzuspülen.
*yelp*)

Into the flow

Ich schreib’ dieses Wochenende alles mit Tusche, das reduziert den Umfang der Information auf den Flipcharts um mindestens achtzig Prozent. Und die Hände werd’ ich mir bemalen. Und die Unterarme. Wenn Sie in meinen Seminarraum nach Leipzig kommen über’s Wochenende, kriegen Sie auch was gemalt.
Hugh.

A propos: Es sind noch zwei Plätze frei für meinen >>> Frankfurter Workshop am 6. und 7. Dezember – wie wär’s mit einem spontanen Entschluss? Sind eh die besten…
Schicken Sie mir einfach eine Mail an: kiehl@psi-text.de und Sie sind dabei.

Karambolage

Was ich längst weiß, bestätigt sich erneut: Man muss seinen Krisen vertrauen. In den vergangenen Wochen hat ein Herzbeben so vieles von mir abgerissen, die Schweißnähte meines Selbst brachen, ganze Brocken wurden außer Reichweite geschleudert. Das ist, als ob man in einer Metallverarbeitungsanlage stünde, in die gerade der Blitz einschlägt. Alle um einen herum tragen Schutzkleidung, nur man selbst ist nackt. Alle komplexen Prozesse kommen kreischend zum Stillstand.
Dann brechen die Feuer aus.
Krisen sind einsame Zustände. Man kann sie besprechen, teilen, sich trösten lassen, doch Brände, das wissen wir alle, machen fürchterlichen Lärm. Stimmen dringen kaum durch, Briefe, die man sich schützend auf die blosse Haut legen will, zerstieben in Sekunden.
Also brennst Du aus.

Und in eben diesem Brennen setzt das Vertrauen ein. Angst muss man tragen, Auflösung nicht: sie hat kein Gewicht und sie geht nie durch bis zum Kern. Das weiß ich, weil ich es erlebt habe. Nicht nur einmal. Es gibt einen Punkt, an dem keine Rolle mehr spielt, wie viel man verloren hat. Oder verloren zu haben glaubt. Gewinn, Verlust, Reue, Rache, Untröstlichkeit, Schock: Alles wird Schaffenskraft.
Noch während die Asche sich legt, seh’ ich meine Savanne. Sie ist unversehrt.