Gereizt

In Frankfurt, der Stadt, in der ich lebe, hat die AfD über 10 Prozent Stimmen gefangen. Schlimmer noch ist allerdings, dass nur 37,3 Prozent der Frankfurter:innen überhaupt wählen gegangen sind. Das ist eine erbärmliche Zahl. Ich könnte kotzen.

Bin auf dem Weg in die Schule, um eine Leseprobe mit einer Gruppe junger Leute zu machen. Übermorgen lesen sie die Texte, die sie bei mir geschrieben haben, im Historischen Museum. Es ist eine öffentliche Veranstaltung:

Die jugendlichen Teilnehmer/innen der Biographiewerkstatt “Frankfurt Live!” präsentieren die Ergebnisse ihrer Projektwoche.
“Frankfurt Live!” ist ein Projekt des kindermuseums frankfurt, die Ergebnisse gehen in die Bibliothek der Alten ein.
Die Teilnehmer/innen der Biographiewerkstatt sind meistens jugendliche Geflüchtete. In den zur Biographiewerkstatt gehörenden Schreibworkshops erfahren sie, sich in einer noch fremden Sprache auszudrücken, mit ihr zu experimentieren und ihren Gefühlen einen künstlerisch-kreativen Ausdruck zu verleihen.
Die Lesung findet am 9. März 2016, um 18.30 Uhr in der Bibliothek der Alten statt.

(Aus der Ankündigung des Historischen Museums)

– Wer weiß, vielleicht habe ich ja Leser:innen in Frankfurt, die Zeit und Lust haben, den jungen Leuten am Mittwoch Abend ihr Ohr zu schenken? Und ein paar applaudierende Hände?

Sorry, bin irgendwie gereizt heute Morgen. Kein Wunder, oder?

Hannah Arendt Pflichtlektüre für alle. Wäre gut.

Viel leicht

Tag. Nacht.
Gewinnver
lust.

Gib dich zu.
Frieden.
Gib dich
zufrieden.
Wachse hin
auf.

(und hin
—— ab)

Ein Buch aus Ton. Eine Schwelle aus Licht. Ein Gedicht aus Fleisch.
Das Geschenk ist ausgepackt, sage ich, was
jetzt?
Wir liegen offen.
Ein bisschen Schwund ist immer.
Der filigranen Dinge.

Ins Geheimnis zurück zieht uns nichts:
So ist das mit Vertrauen. Man weiß alle Namen im Schlaf.
Wir begnadigen uns.

Du hältst, was du versprichst, ich verspreche mich. Voilà: La difference zwischen Sorgfaltspflicht und Liebe.
Sagst selten vielleicht. Eigentlich nie: Du kannst, oder eben nicht.

Ich gebe viel
leicht zu
viel
zu

Test, Test

(…)
((Komme zurück. Versprochen.))

(…)

14:04 Uhr
Das Resümieren ist eine Pest, mes amis. Ich kriege da immer diesen starren Blick nach innen, besser, ich lass’ mich nach vorne laufen.
(Wie ging das noch gleich?)
Gestern rann mir ein poetischer Text in die Tastatur, es war Sanssourir, die ihn schrieb. Ich mochte ihn. Ich stellte ihn ein. Dann, spät nachts, nahm ich ihn wieder herunter.
Zu elegisch, zu privat.
Bin’s nicht mehr gewöhnt, Innentexte einzustellen. Zutraulich zu sein. Schönes Wort, eigentlich, zutraulich: dem Gegenüber etwas zuzutrauen. Mut, beispielsweise. Offenheit. Wohlwollen.
Ich hatte sie viele Jahre, meine Zutraulichkeit, wenn ich hier schrieb. Ging davon aus, auf Leser:innenseite auf eben jene Offenheit zu treffen, die ich selbst mitbrachte. Wurde nie enttäuscht. Also was ist anders geworden?
(Mist, jetzt resümiere ich ja doch. Stopp.)

Sprechen wir über Gegenwart.
Es gibt verflixt viel davon gerade. Sie glitscht aber. Jedes Mal, wenn ich versuche, sie schreibend zu erfassen, fluppt sie mir zwischen den Fingern weg, hihi, lustig, versuch’s noch mal.
Ich hör’ sie richtiggehend pfeifen, während sie wegdüselt.
Tja.
Auf diese Weise kommen mir viele wundervolle Texte abhanden. Entstehen gar nicht erst. Hat sich auch ausgewirkt: Ich hab’ ein tiefes, sonores Brummen im Ohr. Als ob mein Text-Inkubator heissgelaufen wäre, weil ich nichts mehr hinauslasse.
Muss irgendwie die Ventile finden, bevor das Ding explodiert. Rauslassen.

Weiterschreiben. Melde mich wieder.