(Meine Visitenkarte von 1999 fiel eben aus einem Haufen alter Zettel heraus. Ein bisschen unheimlich es es schon: wie gegenwärtig mir die Vorstellung multipler Persönlichkeiten damals schon war.)
Archiv für den Monat: November 2014
Farah Days Tagebuch, 28
Meine Anomalie tritt auf, On stage, On air, Everywhere. Sie bildet und verbildet sich auf der Bühne, seufzt und jauchzt, verzückt, bläht sich, wölbt sich.
Ich darf den Blick nicht von ihr wenden, sonst verrate ich sie. Also seh’ ich hin, seit Tagen und Tagen. Sie glüht an beiden Flanken, als hätte sie ein doppeltes Herz.
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Liebster Lässig,
Woran man ist
Zeichne mir ein Schlaf
PoeSie
Farah Days Tagebuch, 27
Donnerstag, 4. November 2014
„Es gibt schöne Passagen. Doch Du solltest direkter sein, offensiver, dem Leser die Haut, die innere und äußere, zum Vibrieren bringen. Du kannst das. Aber Du willst es nicht.“
Der Brief stammt von meinem ältesten Mentor, dem ersten, der Zeichnungen von mir kaufte. Ich studierte noch, er war bereits jemand, an dessen Lippen man hing. Seine Radikalität zog mich an, nicht aber, dass er Nukleus war: Außerhalb seines Wirkungsbereichs gedieh fast nichts. Nach meinem Studium, deshalb, nahm ich meinen eigenen Weg.
Wir sprachen nicht mehr. Vor einigen Tagen aber schickte ich ihm einige Texte und gestern kam der Brief zurück, aus dem diese Sätze stammen. Sie kommen zum richtigen Zeitpunkt: Ich stehe vor Entscheidungen; ich beginne Korrespondenzen.
Streife durch mein Territorium, sichte, erwäge Verknüpfungen und Lösungen (Lausche eben dem Wort Lösung nach: wie das sich lösen, freiwillig oder nicht, in ihm schwingt), stelle Abhängigkeiten ebenso in Frage wie Unabhängigkeiten: die Fülle wahrnehmend, deren Kern ich bin.
Es gibt andere Stimmen, die sich dazugesellen. Als ob Krisen dich auflüden – und ich meine Krise im Sinne von Chaos, das in eine Struktur eindringt, in seiner Unmittelbarkeit pure Energie –
als ob du also diese Kräfte freisetztest, unter Druck, die sich übertrügen auf andere,
– essbar würdest. Der unwiderstehliche Geschmack des Unmittelbaren. Freunde melden sich, meine jungen Leute spüren es, aber auch Fremde: vor einigen Tagen die Modedesignerin, eine erfahrene Künstlerin. Sie liebe Tainted Talents, sie wolle mich anziehen. Kleider, Hüte, ein Fotoshooting. Ein Link zu ihrer Website. Die Kollektionen, die ich dort sah, sind so eigen, das verwendete Material so überraschend, dass ich sofort zurückschrieb. Morgen treffen wir uns zur ersten Anprobe. Gelingt der Prozess, wird er hier sichtbar werden.
Mein Kern kontraktiert. Zusammengezogen bringt er mir nachts beeindruckende Panikattacken, geweitet macht er mich essbar, lüstern und größenwahnsinnig. Allein bin ich damit nicht: In meinem innersten Zirkel gibt es derzeit welche, deren Krisen Kreise in meine ziehen.
Gewahr werden.
“Sag’ Deinen Namen.”
Die Übertragungen von Wahr-heit schaffen eine Strömung untereinander, gegen die sich Sattsein anfühlt wie eine Kugel Kaugummi, die man aus dem Automaten zieht: Seit Jahren hängt er in einem Provinzbahnhof, ohne nachgefüllt werden zu müssen.
Verschwörungen.
Schwüre.
Schwären.
Blinder Fleck
So, folks. Genug ausgetobt fürs erste. Und die Schreibtischoberfläche meines Laptop voller Kästchen, zentimetergroße Datei-Icons, unsortiert, fragmentarisch, hinter manchem Icon verbirgt sich nur ein einzelnes Lichtblatt mit zweidrei Lichtsätzen drauf, hinter anderen seitenweise Ausgeschriebenes. (Fast hätte ich “Ausgespieenes” geschrieben, aber Ausspeien ist old school, man speit nicht heutzutage, man kotzt wohl eher. Das, wiederum, tät ich nicht mit Wörtern machen wollen. Wobei mir einfällt, dass mir eine Freundin eine grandiose Liste veralteter Wörter geschickt hat, gestern, die sie während einer der Lektüre eines sehr betagten Romans für mich aufschrieb, Notizblock neben dem Buch. “Betagt”. Wenn das mal kein schönes Wort ist, kommt gleich in die Schatzkiste)
Jedenfalls dachte ich, die Oberfläche meines virtuellen Schreibtischs betrachtend, ha, das ist mein Adventskalender dieses Jahr, jeden Tag öffne ich eines dieser IconTürchen und bis Jahresende mache ich aus jedem Rohtext hinter jedem der Türchen eine Erzählung. Hübsch, oder?
Weiter.
Heute ist Buchhaltung dran, ausgerechnet. Mit dickem Kopf, denn das Nachtgespräch gestern geriet lang und silbrig, nachdem ich übers Wochenende ganz ohne Alkohol geblieben war. Sehr bewusst: In schwierigen Phasen sind körpereigene Drogen einfach die bessere Wahl.
Buchhaltung also. Und eine Brille muss ich mir machen lassen, ich seh’ seit Tagen nur noch verschwommen. Könnte zwar psychosomatisch sein, doch der Effekt ist der gleiche. (Hab’ ich einen blinden Fleck? Unheimliche Vorstellung.)
Eigentlich wollte ich diese Woche gar nicht hiersein. Doch da, wohin ich wollte, tobt ein Sturm, sodass nun hinter eines der Türchen kommt, als Imagination, was hätte gelebt werden sollen. Müssen, eigentlich. Verdammt. (Ist Ihnen schon mal aufgefallen zufällig, dass “Imagination” im Deutschen, Französischen und Englischen identisch ist?)
Himmel hilf, mein Kopf ist noch so diffus, dass ich eben dachte, ich hätte diesen Text verloren, er war plötzlich weg. Irgendeine Taste gedrückt anscheinend. Ich stell’ das jetzt schnell ein, bevor es wieder passiert. Und gelobe Besserunk. Ab morgen. Frühestens.