NeoFreud

Ich hatte, schon als Studentin, folgenden Ehrgeiz: Irgendwann mal ein Sofa haben, das schöner ist als Freuds.
Ihr wisst schon, das mit den drüber geworfenen Teppichen.
Inzwischen, nachdem ich ein paar Jahre herumexperimentiert habe, hab’ ich eines, das mir herzlich gut gefällt:

Im Gegensatz zu den Indiskretionen, die Monsieur Sigmund im Namen der Wissenschaft an seinen Clienten (oder, wie man sie damals noch nannte, Patienten) beging, finden auf meinem Sofa die allerheimlichsten Reisen statt.

Niemand dokumentiert, niemand beobachtet, niemand zieht seine Schlüsse über mich, während ich darauf herumliege und meine Bücher lese.

Den ganzen Winter könnte ich so zubringen, scheint mir: Die Phantastereien, Gedanken und Schlußfolgerungen der anderen studierend.

Kommt da nicht noch ein ironischer Schlenker, eine Relativierung, um nicht gar so treuherzig zu wirken?

Nein.

Wenn ich hier nicht jeden Tag was hinschreibe,

liegt TT ziemlich brach. Ist wohl normal. Trotzdem schade. Umso mehr würdige ich übrigens Leser, die in solchen Zeiten eben auch mal ältere Beiträge lesen. Soo alt sind die ja auch noch nicht, ein paar Wochen oder Monate, was ist das schon? Das sind feine Texte größtenteils. Da kann man sich ruhig mal hinscrollen, wenn auf Seite eins mal ein paar Tage nix Neues steht.
Anyway.
Hallo, alle!

Gerade hat jemand Helmut Schmidt angezeigt, weil er trotz Verbots in einem Theater geraucht hat. Man hatte eine Ausnahme für ihn und Loki gemacht und den beiden ein separates „Rauchertischchen“ installiert – und prompt hat natürlich irgendein Nichtraucher die Krise gekriegt. Stand in der B., die ich gestern zufällig in die Finger bekam. Helmut Schmidt. Er glaubt wohl, für ihn gelten die neuen Gesetze nicht?! Da muss man ihm mal klar machen, wo der Hammer hängt, denkt das Volk. Und die B-Zeitung. Gleiches Gesetz für alle. Ich fand’s lustig.
Loki Schmidt, laut B., soll gesagt haben: „Ich rauche, seit ich zehn Jahre alt bin. Ich höre jetzt nicht mehr auf.“
Dieses Gesetz zum Schutz der Nichtraucher, jaaa, tolles Gesetz, ist eine Bevormundung ersten Ranges. Darf denn jetzt jeder Bürger, nur weil er nicht raucht, einen anderen des Raumes verweisen?
Yep. Alle Nichtraucher dürfen die Raucher beurteilen, ihr Suchtverhalten in der Öffentlichkeit maßregeln. Bemitleiden. Diskriminieren. Sie haben, damn it, das Gesetz hinter sich.
Die Schmidts indes rauchen weiter und lassen sich verklagen. Wäre ich so alt, angesehen und starrköpfig wie diese beiden, würde ich’s wahrscheinlich auch so machen.
Meine Sympathien, ich geb’s zu, gelten jenen, die nicht ihr ganzes Leben in den Dienst der Vernunft stellen. Die nicht auf jedes Laster verzichten, bloß um gesund zu bleiben. Wie viele gesunde, sportliche, disziplinierte, von allen Lastern befreite Menschen verträgt eine Gesellschaft, bevor man in ihr vor Langeweile erstickt?? Sollen wir denn alle hundert werden? Wer soll denn das aushalten?

args,

ich schreib so kitschiges Zeug im Moment! (Peitsch!)
Dieser verdammte Januar. Jedes Jahr dasselbe, eine Orgie der Gefühlsduselei.
Gebietet mir Einhalt, wenn’s zuviel wird 😉

Vier Wörter,

die mir heute ein leichtes Ziehen im Brustkorb verursachten:

Klarheit, die
Integrität, die
Gerechtigkeitssinn, der
Kühnheit der Visionen, die

Vier Attribute, die ein Autor namens Romain Leick im letzten SPIEGEL Simone de Beauvoir zusprach.
Ich las den Artikel so runter (ein ungewöhnlich saftiger, guter SPIEGEL war das übrigens letzte Woche, voller Dinge, über die ich gerne mehr wissen wollte, was durchaus nicht immer der Fall ist) – also ich las so den Artikel und dachte, wow.
Die Beauvoir. Stimmt. Diese Wörter passen zu ihr.
Und erinnerte mich daran, wie fasziniert ich war, als ich als junge Erwachsene zum ersten Mal in eines ihrer Bücher eintauchte: Ich glaube, es war ihr erstes, “Sie kam und blieb” heißt es im Deutschen.

Sie hat es, glaube ich, aus Wut auf J.P. Sartre geschrieben.
Egal. Wut ist ein prima Motor. Das Buch ist übrigens beeindruckend und ein ganz guter Einstieg in ihr Werk.

Aber das wollte ich gar nicht erzählen. Nicht wirklich.
Ich wollte euch eigentlich nur diese vier Dinger hier hinschreiben, bevor der SPIEGEL ins Altpapier wandert:

Klarheit. Integrität. Gerechtigkeitssinn. Kühnheit der Visionen.

Wie zynisch muss man werden, um solche Worter nicht mehr toll zu finden?

Aus den Aufzeichnungen eines Kugelfischs

Jener Freund, der mir immer wieder verkündet, die Welt verändern zu wollen: Er meint das genau so. Erstaunlich. Unnötig zu erwähnen, dass es ihm recht wäre, wenn ich dabei mitmachte. Er gehört nicht zu jenen, die sich in der Rolle des einsamen Helden gefallen.
Warum, frage ich. Was soll dieser Impuls, gleich die ganze Welt? Warum so groß? Verlierst du da nicht den Blick fürs Detail?
Mag sein, raunzt er. Aber Kleinklein machen zu viele, bringt nichts.
Du meinst, wenn schon, muss man das ganze Ding ins Auge fassen, sage ich. Den Planeten.
Yes.
Nun muss erwähnt werden, dass dieser Freund die Welt tatsächlich bereits verändert hat. Er macht eine Menge Spuren, weithin sichtbare, er hat Werte geschaffen und beeinflusst, Laufbahnen ins Rollen gebracht, gelegentlich auch ausgebremst. Ein Angeber ist er nicht.
Ich schon. Ich zähle mich zur Gattung der Kugelfische. Wenn mich die Lust an der Prahlerei packt, beäuge ich, was gerade so in meinem Leben herumtreibt, Plankton von Handlungen, sauge ein paar Liter davon ein und blase mich auf zu beeindruckender Größe. Die hohe Kunst des Angebens besteht darin, auch scheinbar belanglosen Dingen Bedeutung verleihen zu können. Was ist schon eine Tat? Ein fast unmerkliches Zucken im Gesellschaftskörper. Erst durch die flankierenden kommunikativen Maßnahmen gewinnt sie ihr Format.
Sagt mir, ob ich mich irre 😉

Ich sehe mich also befreundet mit jemandem, der allen Ernstes ankündigt, wichtige Dinge tun zu wollen, im großen Maßstab und mit dem Anspruch, damit die Richtung zu verändern, die der Gesellschaftskörper einschlägt. Ich selbst beobachte eher, was im Detail geschieht und entscheide im Nachhinein, was ich als wichtig ansehe, weiter interpretiere, dokumentiere, verknüpfe – und was ich ins Vergessen absinken lasse.

Um es einmal anders zu sagen – jener Freund will bestimmen, welchen Abzweigung der Gesellschaftskörper nimmt, während ich sehr zufrieden damit bin, als lebende Lupe auf demselben herumzutasten und zu untersuchen, wo er am interessantesten aussieht. Wie ihr euch vorstellen könnt, haben wir nie den gleichen Maßstab. Weder im Sprechen noch im Handeln.

Ich mag keine ehrgeizigen Leute, bemerkt er zu einem anderen Zeitpunkt.
Was soll denn das nun schon wieder heißen?
Die Ehrgeizigen! stöhnt er. Die sind anstrengend. Mit denen hast du keine ruhige Minute. Wenn sie noch jung und am Aufsteigen sind, zappeln sie dir endlos am Bein. Sind sie älter und glauben, sie könnten es mit dir aufnehmen, versuchen sie, dich mit ihren Flitzegedanken einzuwickeln und alles zum Strahlen zu bringen, bis du vor lauter Großartigkeit Kopfschmerzen kriegst.
Wie sollte man denn stattdessen sein, deiner Meinung nach? frage ich. Zu deutlich klingt mir seine Aufforderung in den Ohren, DEN neuen deutschen Roman zu schreiben. Und dafür (das denkt er selbstverständlich gleich mit) den Preis zu bekommen, DEN Preis, am besten natürlich Nobel oder so was. Von wegen kein Ehrgeiz: Mich betreffend hat er sich da nie irgendwelche Hemmungen auferlegt. Mit einem mächtigen Hieb soll ich mich durch das Dickicht des Mainstream hauen, weit ausholend, Bedeutung schaffend, FOKUSSIERT und klug, mein Stahl runter bis ins Magma, während rechts und links meiner Schneide die Redundanz wegspritzt!
Himmel und Arsch, Phyllis, es gibt schon zu viel Plauderton auf der Welt! höre ich ihn rufen.
Sogar jetzt.
Ehrlich gesagt, glaube ich, er macht sich was vor. Einer der Gründe, weshalb mir immer die Synapsen so nervös anschwellen, wenn ich mit ihm zusammen bin, ist nämlich genau der: Dass es in seiner Welt immer nur um Wettbewerb geht.

Ich hab nichts gegen Wettbewerb. Meinetwegen. Wettbewerb treibt viele Leute zu dem an, was sie tun. Das Normalbenzin der Gesellschaft sozusagen. Verblüffend ist aber doch, wie viel Irritation man mit der einen Frage anrichten kann, der Kinderfrage: „Warum“?
Warum das Buch schreiben wollen, das alle anderen zu Makulatur macht?
Warum andere an Klugheit, Schönheit oder Macht übertreffen wollen? Was passiert denn, wenn man’s ‚geschafft’ hat? (Abgesehen von der ganz offensichtlichen Tatsache, dass man es natürlich nie schaffen kann?)
Was passiert andererseits, wenn man sich die Frage stellt, ob das eigene Handeln tatsächlich für den Lauf der Welt von Bedeutung ist?

Okay. Ich sag’s euch.

….Nee.

Hab’s mir anders überlegt.

Mark Twain hat gesagt:

“Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen.”

Mich dünkt, da ist was dran. Nur, dass man überhaupt erstmal Wörter zusammengetippt haben muss, um die falschen darin identifizieren zu können.

Ich arbeite die ganze Zeit an einem Konzept für ein Seminar, dessen Struktur mich sehr beschäftigt; kaum hab ich einen Abschnitt einigermaßen im Griff, tun sich neue Möglichkeiten auf, das Ding noch weiter auszubauen, zu präzisieren, inzwischen weiß ich kaum noch, ob überhaupt in den letzten Stunden etwas verbessert worden ist.

Meine Schultern haben sich schon vor Stunden in Beton verwnadelt. (verwnadelt?) Ich glaub, die Stadt wird heut Abend auf mich verzichten müssen.
Schwärmt aus und sprecht an meiner statt, ja? Irgendeiner muss es tun. Ich geh in die Wanne.

hab

leider keine Zeit heute für Tainted Talents. Überhaupt keine.
Was euch aber nicht hindern soll, hier ein Sätzchen zu hinterlassen. Oder zwei. Ihr Unsichtbaren.

heftig anderweitig tippend, grüßend, wunden Auges in die Gegend winkend,

phyllis

von wegen “the power of now”

und dieser ganzen esoterischen Slogans, die einem in den letzten Jahren wie Kirmesballons unter die Nase gehalten werden: Den Aufruf zur Vergegenwärtigung hat Michel de Montaigne, französischer Schriftsteller und Philosoph, schon 1580 besser formuliert, als er in seinen Essays schrieb:

“Furcht, Verlangen und Hoffnung schleudern uns der Zukunft entgegen und berauben uns des Gefühls und der Wertschätzung dessen, was ist, um uns mit dem in Anspruch zu nehmen, was sein wird – selbst wenn wir nicht mehr sind. Unglücklich der Geist, der um Künftiges bangt.”

Das tät ich gerne noch kommentieren, 427 Jahre später.
Aber wie?
Vielleicht so:

Grüne Laterne

über folgenden link findet ihr findet ihr das Superhero-Quiz bei dem ihr rausfindet (endlich, gell?) zu welcher Kategorie Helden ihr denn nun gehört. Ist schließlich Sonntag. Da will man doch was lernen.
Ich bin eine grüne Laterne.
Potzblitz.
Noch nie von gehört.

Bei Wikipedia nachgelesen:
Die Green Lanterns beziehen ihre besonderen Kräfte nicht aus einer außerirdischen Herkunft oder einer Mutation, wie die meisten Helden des Konkurrenzverlages Marvel, sondern aus einer hochentwickelten, außerirdischen Technologie in Form eines Ringes. Bei der ersten Green Lantern Alan Scott war der Ring nicht außerirdischer Herkunft, sondern magischer Natur. Mit Hilfe dieses Rings können Green Lanterns alles, was sie sich vorstellen können, lebendig werden lassen.

Na, die grüne Laterne ist zumindest nicht so’n Mainstream-Talent wie die ganzen geflügelten…