Rebus

Ich denke/
einer von uns sollte Hans Magnus Enzensbergers neuen Gedichtband “Rebus” lesen/
nicht nur wegen der schönen /// Striche, die er immer zur Zeilentrennung macht/
sondern auch, und vor allem/
weil er rührt/
und wer rührt, der führt/
sagen die Schachspieler/
oder so ähnlich

Das beste “Get well” Päckchen ever

kam heute von meiner Schwester, die in Elf- nein, Eng-land lebt. Woher sie die Zeit nahm, alle diese Dinge aus verschiedensten Geschäften und Warenbeständen herauszusuchen, während sie doch gerade ihre zweite Doktorarbeit schreibt, ist mir wahrlich ein Rätsel. Echt aber. Best Schwester ever.

Folgendes fand ich (einzeln verpackt) in meinem Päckchen:
Ein Keramik Küchenmesser, antihaftbeschichtet
Jeweils eine Flasche Jack Daniels, Glenlivet, Johnny Walker und Glennfiddich (yeah)
Ein Päckchen “Betty Crockers Chocolate Fudge Brownie Mix” (Hüftgoldalarm)
Ein Päckchen “Sweet chilly flavour chips” 3% Fat
Ein Päckchen “Island Pride Cock Soup” (Nicht chicken, sondern cock, bin gespannt auf den Unterschied)
Ein Döschen “Badger Sleep Balm” für die Schläfen (riecht nach schlafenden Pandabären, nach der Verpackung zu urteilen)
Eine Schachtel “Pantene Pro-V-restorative hair cure” (für meine nach der zurückliegenden Pyjama-Phase etwas welken Haare)
Ein Zyliss Tomatenschälmesser (braucht man so was? Sieht aber gut aus)
Ein Päckchen “Instant indulgent skinny cow” Kakaopulver
Ein Beutel Tee, blended to “cleanse”
Ein Schlüsselbundtäschchen in Form einer halben Melone (…)
Ein Stück japanischer Stoff mit Glückskatzen drauf, 30×25 cm, für undefinierten Gebrauch
Ein winziges Reiseset “Caledonian Sleeper Disposable Hygiene Kit” – darin, neben anderen, außerordentlich nützlichen Gadgets, eine Miniatur Portion Wasser zum Zähneputzen, die es mir besonders angetan hat
und,
last but not least,
ein ganz entzückender “Totoro”-Handyanhänger. (wer Totoro nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen)

Mit diesen äußerst vielseitig nutzbaren Dingen ausgestattet, nähere ich mich zufrieden dem Wochenende. Jenen, die mich besuchen und Gastgeschenke überbringen wollen, sei die oben stehende Liste ans Herz gelegt: Diese Dinge sind bereits vorhanden : )

Zoom in

Doktor Al-Fil, wunderbarer Neurochirurg, der mich letzte Woche operierte, zeigte mir heute die DVD mit meiner Operation in XXL-Vergrößerung.
Damn. Ein Loch in meinem Rücken, darin Blut und Gewebe. Man will diese Dinge eigentlich niemals so dicht vor Augen haben. Nicht ohne Haut drüber. Ich hatte Interesse bekundet, die Aufnahme meiner OP sehen zu wollen. Für das, was auf dem ärztlichen Screen vor sich ging, war ich allerdings nervlich nicht ganz so gerüstet.
Mir schwindelte, ich sank in den schweren Chefarztsessel, kalter Schweiß trat mir aus den Poren. Der Doc war in Fahrt: Schauen Sie! Ich sah, wie eine stählerne Zange einen Batzen Zeug aus meinem Rücken zog, das sich von der Bandscheibe abgetrennt hatte. (Das war dann der Moment, wo ich dachte, vielleicht steh ich das nicht durch bis zum Zunähen)
Seine Hände, riesig in der Vergrößerung, hübsch behaart, hantierten mit einem Instrument, ich will es nicht näher beschreiben. Mehr Substanz trat zutage. Die Hände rupften sie entschlossen beiseite. Ich hechelte leise vor mich hin.
Hier spüle ich, sagte Al-Fil zufrieden, sehen Sie nur. Die Öffnung in meinem Rücken füllte sich mit Flüssigkeit. Muss mich hinlegen, ächzte ich. Nein, rief er fröhlich, bleiben Sie, hier lege ich den Nerv frei.
Er war weißlich, der Nerv.
Es lag ihm was dran, dass ich alles verstehe. Hat funktioniert.
Wenn ich operiere, wird der Patient wie ein Teil von mir, sagte Al-Fil. Ungewöhnlicher Satz. Passt zu seinen Augen, die sprühen nur so. Toller Chirurg, ein Künstler, würde ich sagen.
Ich habe nun auch ein Röhrchen mit dem, was er aus mir entfernt hat. In Formaldehyd.

Das Zunähen hat er mir dann erlassen.
Wir sprachen noch eine ganze Weile übers Schreiben später, bestimmt zwei Stunden, bis ich mich wieder menschlich fühlte. Der erste Arzt, der sich so viel Zeit mit mir genommen hat. Bin beeindruckt.
Mein Rücken indes wird nie wieder der gleiche sein

“Früher wars lustiger.”

Es juckt

mich in den Fingern, wieder loszulegen. Mein Gehirn ist in allerbester Verfassung, Ideenkaravanen ziehen mir schwer bepackt durch den Kopf. Bisschen blöd, denn: Ich darf noch nicht sitzen und tippen, oder zeichnen, oder sonst irgendwelche interessanten Dinge machen. Ich bin reconvaleszent. Tut mir ganz gut, die Order, mich schonen zu müssen, stelle ich fest. Irgendwie mag ich Ausnahmezustände.
Danke allen, die hier und auf anderen Wegen Glück für die Heilung gewünscht haben! Sie schreitet voran.
Leg mich jetzt wieder hin.

P.S. Bücher! Ich lese wie verrückt. Tracey Emin “Strangeland”, die seltsam traurige, trotzige, fragmentarische, hyper-authentische Autobiographie der bekannstesten Künstlerin Englands.
Und Jean Gionno “Bleibe meine Freude”, ein Buch, das mir J.P.B. empfohlen hat (mille grazie), spielt in der französischen Provence auf einem einsamen Hochplateau, wo sechs in Wort und Wesen karge Bauernfamilien für kurze Zeit von einem Fremden darin unterwiesen werden, wie man Freude empfindet. Klingt schwer kitschig, ist es aber nicht. So hinreißend geschrieben, dass ich’s nicht fassen konnte. Der Mann hat ein Sprachgefühl, das haut einen um. Wie er alles Leben auf diesem Plateau, nicht nur das der Menschen, sondern auch das der Tiere und Pflanzen zusammenzieht und zum Summen bringt, ein magischer Akt, kein Zweifel.
Würde gerne besser, klarer, darüber schreiben, muss aber wieder in die Horizontale.