Farah Days Tagebuch, 24

Donnerstag, 21. August 2014

Schall und Rauch

Die Hinterlassenschaften von Ereignissen: wie sie dröhnen und dicken Rauch spucken. Außerhalb der Verdrängung zu leben! Doch was gäbe es sonst? Künstliches Koma.
Heut’ Nacht träumte mir, ein kirschgroßer Parasit habe sich in meine Wange gebohrt. Ich riss an ihm, wohl wissend, dass die Widerhaken an seinen langen, sehr dünnen Bohrwerkzeugen mir ein Loch ins Gesicht würden reißen. Je wilder ich zerrte, desto mehr Gift, wie einen heißen Strom, fühlte ich in meine Wange fließen, doch ich ließ nicht ab, bis du starbst. Metamorphosen, wie es scheint, sind nicht die ruhigen Wochen im Kokon, Metamorphosen sind geifernde Ungeheuer; im Kokon ist die Hölle los. Ah, mein Leitlicht, immerzu führst Du mich zurück ins Niemandsland, warum darf ich nicht wandeln auf sicherem Pfad, warum muss ich so viele sein. Lieber ein weiser Weg als ein solcher Wegweiser! Runter von meinem Pfad, Du Trampel.

So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier.
Wie sehr sie ist, die Selbstentfremdung, wie scheinbar dieses kleine Ich, dem, nach allem, was ich lese, eh die Existenz abgesprochen wird: Nicht nur, dass es keine Seele gebe, heißt es, nein, auch ein freier Wille ließe sich nicht finden in unserem Dickicht von Eindrücken. Allein das Wort! Ein-drücke. Einmal eingedrückt, wird das doch nie wieder prall.
Was rede ich nur.
So, also hierher kommen die Leute.
Wie kann ein schlichter Satz nur so unheimlich sein?

„Ich kann mich nicht abgrenzen“, erzählt meine Freundin, „ich spüre die Kriege, jede Minute, ich spüre die Zusammenrottungen, die Ungerechtigkeiten, die blanken Gefühle, jeden Tag dringen sie erneut in mich ein und so viel ich auch tu’, und kämpfe, mich hinzu werfe, um ein bisschen das meinige zu tun, es lässt niemals nach.“
Sie ist blass. Sie trägt die Schauplätze der Gewalt, Verwerfungen, erschöpft, im Gesicht. Sich das Gift der Ereignisse aus der Wange zu reißen: da bleiben Krater zurück.

Sehr nah von mir stirbt derweil jemand, den ich lang’ schon kenne, ganz real. Das ist keine Nachricht aus dem TV. Der Körper will nicht mehr, ist alt, doch die mörderisch gewissenhaften Maschinen halten ihn hier fest. (Anderswo werden Körper einfach so hingeschmissen, als wären sie nichts, gälten nichts. Sie fallen. Keine Zeit zu siechen, drüben in den Bergen.)
Alles ist gleichzeitig: wie oft schon wusste ich das. Und alles ist bereits da.
(Schau, eine Meise! Sie pickt, wenige Meter nur entfernt, an einem Baum. Was hat sie da nur gefunden? In die Kastanie wird sie doch nicht hineinpicken wollen.)
Immer noch Sommer: die letzten warmen Tage. Oder die vorletzten. Vorvorletzten. Vorvorvorletzten. Es gibt kein Ende, für gar nichts. Nur Bewegungen. Im Schall. Im Rauch.
Weitermachen.

Alles hauchdünn

Montag, 11. August 2014

Viele Vorhaben und Verfahren momentan in der Schwebe: Alles ist wahr. Auch das Gegenteil.
Zu viel gewollt, zu wenig gewollt, zuvielzuwenig gelesen, gemerkt, gespürt.
(Bleib’ Dir troy, ströme, sei eigenmächtig.)

Wie flüsterte ich kürzlich der Freundin ins Ohr: “Du musst niemandem einleuchten.”
DU MUSST NIEMANDEM EINLEUCHTEN.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, aber Vorsicht verstellt mir die Sicht. Lieber mutig und nachsichtig mit den Scherben.
Und weiter, weiter! Heute ist mein Tag, gestern ist Schnee.

Farah Days Tagebuch, 22

Freitag, 18. Juli 2014

Er ist Slawe, spricht ein fließendes, hohes Deutsch mit diesem gurrenden Akzent, dessen Klang immer schon ausreichte, mir alle Härchen aufzustellen. Älter als ich. Dunkler.
Wir sind auf einer Art Konferenz, die mehrere Tage andauern wird. Meine persische Freundin ist ebenfalls da; wir werden einen Vortrag über ein gemeinsames künstlerisches Vorhaben halten. Die Tagung findet hier auf dem Schloss statt, das hoch am Berg gelegen ist, umringt von alten Steinhäusern, in denen offenbar niemand mehr wohnt.
Wir, die Teilnehmer der Konferenz, bevölkern das gesamte Gelände. Manchmal drängen wir durch einen schmalen Gang, über eine kleine Brücke, für solch einen Ansturm sind die Durchgänge manchmal nicht geeignet. Wenn das passiert und ich mich inmitten anderer vor einem Nadelöhr befinde, kehre ich um, suche nach einer besseren Öffnung. Klettere Mauern hoch. Ich bin stark. Physisch unversehrt.
Das Schloss ist grandios. Nicht edel. Ein Künstlerparadies: riesige Säle, kaum Mobiliar, Licht dringt durch Spalten und unverglaste Fensteröffnungen. Plattformen, Podeste, Treppenfluchten. Enorm viel Platz. Keine Wärter. Keine Bücher – und keine Kunst. Kein einziges Kunstwerk, weder Bilder noch Statuen. Dafür steinerne Arbeitstische von enormen Ausmaßen. Wir finden hier reines Material vor: niemand vor uns hat diesen Räumen seine Handschrift aufgeprägt.

Später stehen wir oben am Eingang. Eben trifft eine neue Delegation ein; die Frauen und Männer sehen jüdisch aus. Wir beobachten ihre Ankunft, der Vorplatz quillt aus allen Nähten. Einer der Neuankömmlinge, ein junger Mann Mitte zwanzig, weigert sich, sein Gepäck den steinernen Aufgang nach oben zu schleppen. Auf halbem Wege bleibt er stehen und hebt erzürnt die Stimme: keinen Schritt werde er weitergehen. Ich rutsche auf dem Bauch die Treppeneinfassung zu ihm hinunter, greife mir seine Koffer, hieve sie rückwärts steigend nach oben.

Ich stehe schon eine ganze Weile alleine draußen, als gegen Abend der Slawe an meine Seite tritt. Auf welche Weise wir später in diesen Raum gelangt sind, weiß ich heute Morgen nicht mehr, doch als sich die Tür hinter uns schließt, wird mir klar, dass wir bleiben werden.
Er untersucht mich mit großer Expertise, jeden Quadratzentimeter Haut, jede Öffnung, spricht mit mir, findet heraus, wie ich beschaffen bin. Nach und nach, Geste für Geste, Blick für Blick nimmt er mich in seine Verantwortung. Bis zum Morgen bleibt er angekleidet. Wir haben Zeit, bedeutet er mir, du bekommst schon noch Sex.
Endlich, als das erste Licht durch die Fenster dringt, tritt er ein paar Schritte vom Lager weg.
Als wolle er, dass ich ihn beobachte. Er legt sein dunkles Hemd über die Lehne eines schweren Holzstuhls ab, der am Schreibtisch steht, auch die Hose, dreht sich zu mir. Seine Haut ist hell im Morgenlicht, an vielen Stellen versehrt, ich kann aus der Entfernung nicht sehen, was ihn verletzt hat. Seine Brust ist mit Pusteln übersät.
Ich bin etwas angeekelt. Und traurig. Unmittelbar danach denke ich, ja, aber dann wird er mich doch umso besser verstehen. Ich werde ihm nie etwas erklären müssen, was meine eigene Haut betrifft.
Er wendet sich zurück zum Schreibtisch, nimmt ein Blatt und zeichnet mit schnellen Linien etwas aufs Papier. Hält es hoch. Ich sehe, er kann ausnehmend gut zeichnen.
Du wirst dich nie wieder alleine fühlen.
Er sagt es, als ob es nach ihm niemanden mehr für mich geben würde.

Ob der Fels noch da ist, wenn die Brandung zurückkommt

Farah Days Tagebuch, 23
Donnerstag, 14.5.2014

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unheil, denn Du bist bei mir; Dein Stecken und Stab trösten mich. Doch welcher Trost? Der Stecken, mit dem Du schlägst, der Stab, mit dem Du führst, welcher Trost, welches Ankommen?

: als verbrächte eine andere meine Zeit, ich selbst ein Wirbel in ihrem Zimmer, durch das der Wind fährt. Ich fühle zu viel.
Ich fühle zu wenig.
Beides fühlt sich exakt gleich an.
Ich habe keine Gesellschaft.
Ich habe zu viel Gesellschaft.

Immer reißt die Verbindung, Verwundung, Versuchung, spüre ich etwas anstelle von. Wenn Wind aufkommt, gleite ich. Durch die Löcher in meiner Hülle laufen die Hohlräume voll; wie gerne löste ich den Pakt mit meinem Element, verließe das Wasser.

Verwende mich, sag’ ich.
Bring’ mich auf Grund, damit ich aufsteigen kann.
Dà.
So ein einfaches Prinzip. Wie oft wird es wirken und gültig sein? Es verbraucht keinen Brennstoff, sondern die Zelle selbst.
In Spannung älter werden. Magnetisch alt werden. (Wenn das mal gut geht.
)

Ich bin voller Feen, die den alten Geist zum Lachen bringen, nachts. Frei.
“- Frei?”
Kaum in Frage gestellt, lüftet die Diva ihren Hut und zieht weiter. Undankbares Gesocks wie mich hält sie schlichtweg nicht aus, die Freiheit: andere, schließlich, lassen ihr Leben für sie.
(Bist Du noch da?
Deine Liebe hält mich hier. Deine. Sonst wär ich langschon verpufft.)

Nachfolgend drei Weisheiten über

1. Kartoffelbowiste:

2. Schönheit:

3. Nichtwissenwollen:

(Bitte selbst eintragen)

Wie alt ich werden will, hab’ ich mich nie gefragt: einfach ebenso alt wie Du. Das Begehren als Wurzel der Liebe, Erde, Eiweiß und Morast, Schlamm und Schleim, brackig, Metalle, Karamell, bleibt alles zurück, wenn Liebe erwachsen wird, doch an Gerüche erinnert man sich am längsten. Du wirst immer wissen, wie ich rieche.

– Ich habe einen Überwurf gesehen, der mir gefällt. A-förmig aus schwarzem, weichem Leinen. Innen rostrot.
– A bodyhide… sagt sie.
– Ja, sage ich. Die verwegenen Teile trage ich vielleicht fünfmal im Jahr, diesen Mantel aber wollte ich sofort. An allen Tagen minus fünf werde ich mich in ihm aufgehoben fühlen.
Sie neigt den Kopf, lächelt mich an.

(Wann ist aus unserem selbst wir ein auch wir geworden?)

Ob der Fels noch da ist, wenn die Brandung zurück kommt?
Manchmal muss man durch tiefe Wasser, um so einen Satz zu finden.

Mein Glauben ist inzwischen so löchrig, ich kann an mehreren Stellen den Himmel durchsehen.

Embrace Tiger, return to Mountain

Sonntag, 20. April 2014

Durch einen von ständigen Wortwiederholungen geprägten Stil wollte Gertrude Stein nach eigenem Bekunden den Kubismus in die Literatur übersetzen. Kritiker warfen ihr vor, sie habe sich allein der Mühe entziehen wollen, ihre Texte gründlich zu überarbeiten und dies im Nachhinein literarisch zu überhöhen versucht.

(“Warum wundert mich das nicht?”)
(“- Hm?”)
(“Das war eine rhetorische Frage, darling”)

Die einzige Erholung von der Ratio: Ich-Flucht: Keine zusammenhängenden Texte mehr zu schreiben.
Vielleicht konnt’ ich’s noch nie. Besonders gut. Will immer entwachsen, dem Körper, dem Ego, fliehende, immerwährende Mixtur aus Euphorie und Verschlossenheit, die einfach kein Gras wachsen lässt. Text = Gras: Textgras. Zu verzagen wäre gar nicht mehr nötig, obwohl es natürlich auch nicht hilft.

Ich trete in sein Atelier. Ein langer Blick genügt, um allerwinzigste Details, Unstimmigkeiten auszumachen: Niemand kommentiert seine Bilder klarer, gibt bessere Hinweise. Kein Wunder.

Du malst meine Bilder, sage ich.
Ich male nur für Dich, erwidert er.

Ich wär’ übrigens zufrieden, wenn es nur noch eine Schrift gäbe, für alle Botschaften außerhalb der Kunst. Meinetwegen die Garamond. Oder die Times. Diese ungezählten Designschriften sind der Anfang vom Ende, blasen Bedeutung in dreist ausgeworfene Nichtigkeiten, werben für Dinge, die dumpf machen, ersetzen unseren Geist mit Scheinschönheit. Im Angesicht perfekter Botschaften, wie sollen wir da noch sein?
Wir sind nur noch mehr oder weniger gelungene Entsprechungen. (Jaja, alter Zopf, ich weiß.)
Wirwirwir ich hab’ keine Angst vor dir.

Jederzeit tausche ich Schönheit gegen einen fremden Blick, der mich explodieren kann.

Ich vermisse euch nicht. Ich schlage meine Steine und blase mein Glas. Ihr seid hier. Wortlos. Ihr nehmt meine Restspeicherzeit.
Einen einzigen Tag, an dem alles ohne Vereinbarungen wäre: den zieh’ mir mal jemand aus dem Hut!

Eruptiv leben.
Eruptiv lernen.
(Immer wieder die Stimme in meinem Kopf: Seit wann hat diese Kanaille die Botschaft besetzt?)

Manche Tage sind so still, da hört man die Härchen in den Ohren wachsen. Wawawawachsen.

Ich lasse keine Spuren außer diesen; was schert mich die Geschichtsschreibung. Im Jenseits ist sie nicht mehr als ein Wattebällchen, mit dem sich Gott die Ohren zustopft. Vor dem ganzen Trara.
Und ich sehe euch.
Sehe eure Trompetchen.
Es bräuchte nur eine Minute, vielleicht zwei, sie zu zertreten

Farah Days Tagebuch, 20

Sonntag, 02. März 2014

„…Hast du sie denn ganz vergessen?“
„Wen?“
„Barry Stevens.“
„Sie war dort. In Paris. Ich will zurück, ich muss! Wie das Wasser an den Säumen der Boulevards will ich schreiben, fließen -“
„Das nimmt doch den ganzen Dreck mit!“
„Glaubst du, das ist bei uns anders? Wir nehmen alles mit, immerzu.“

(„Du mochtest es, wie sie zu schreiben. Als Gedankenstrom.“)
(„Oh ja!“)
(„Als könnte der alles fortreißen, was dich bindet, auf die falsche Art bindet, so bindet, dass…“)
(„Sei lieber still.)
(„D’accord.“)

„Ich meine, da war nichts, vorher. Natürlich wusste ich das nicht; ich glaubte tatsächlich, ich sei beschädigt, oder so. Dachte ich oft. Bis diese Sache passierte. Sie ließ die, die ich gewesen war, wie Schubidu aussehen: Vielleicht ein bisschen geprägt, ein bisschen nicht-mehr-Mädchen, doch nie schlimmer als von Druckmarken, die eine Hängematte hinterlassen würde -“
„Eine von denen, die man früher hatte. Die einem Rauten auf die Haut machten.“
„Ja.“
„Schöner Titel, Rautenhaut. Erinnert mich an Sanssourir. Wo ist sie?“
„Sie geht immer. Kurz, bevor du kommst.“
„Gut.“
„Ich bin schnell, wenn sie fort ist! Eine in Sekunden aufspringende Euphorie…“
„Muss ich euch verlassen, damit ihr heilen könnt?“
„Nein, musst du nicht. Komm.“

Ehe du dich versiehst, sind wir viele. Jeder von uns hältst du eine Ader hin, durch die wir rauschen, in der wir uns lösen.

Farah Days Tagebuch, 19

Februar 2014

Mir scheißegal, welches Datum heute ist

„’Zehn Überlebenstipps von Pennern und Künstlern’ soll es heißen.“
„Sollte es nicht f ü r heißen?“
„Die brauchen keine.“
„Außerdem, Penner ist abfällig.“
„Ist Künstler etwa wertschätzend?“
„Heutzutage? Nur vermeintlich.“

Gesetzt den Fall, er breitete seinen Mantel auf den Stein für mich: eine galante Geste. Dann nähme er so Platz, dass ich die Welt, er hingegen nur mich sähe. Dein Anblick genügt mir, würde er gewiss sagen, ich bin ein Mann des neunzehnten Jahrhunderts. Stimmt, dächte ich, es ist schwer, hier ein Schwärmer zu sein, doch sei unbesorgt, mein Schöngeist, ich falle nicht aus der Rolle. Nichts neben unserer Korrespondenz. Obwohl es uns gut anstünde.
(Soweit die Theorie.)

„Sobald ich meine Ideen mit deinen vermenge, beginnt das Wachstum. Ich aber bekomme nie genug von dem, was zuvor passiert, dem quellenden Moment.“
„Beobachtest du dich, während du zeichnest?“
„Unablässig. Ich habe überall Spiegel, muss mich meiner Existenz vergewissern. Tausende Selbstporträts, die nie jemand außer mir zu Gesicht bekommt. Doch das meinst du nicht, oder?“
Seine Pupillen, stelle ich fest, glühen, als hätten
„… sie heimlich Mondschein getankt, während du schliefst“ sage ich.
„Hm?“
„Nichts.“
Genug. Es geht niemanden etwas an.

((„Eine Liste der Dinge, die mich traurig machen:“
„- Bist du verrückt? Bloß nicht!!!!“
„Okay.“))

„Ich hatte versprochen, ihm wehzutun. Schon vor Jahren, doch er kam mir zuvor.“
„Immer noch nicht erholt?“
„-Davon? Nie.“
„Was kannst du tun?“
„Alles, doch ich verschiebe es immer wieder, achte auf Lappalien.“
„Wirst du gehen, wenn so etwas noch einmal geschieht?“
„Wenn es soweit ist. Erst dann.“

(…)

„Erzähl’ etwas Neues!“
„Hm?“
„Neues Thema! Lass’ mal die Männer sein.“
„Schlag’ was vor.“
„Inspiration. Erzähl’, wie sich das anfühlt.“
„Es ist Eisprungzeit, da denke ich an Männer und Schwänze, nicht an Kunst.“
„Ihr Wortschatz, Gnädigste!“
„Der Trieb braucht keinen elaborierten Code. Männer singen auch keine Oden, wenn sie geil sind, sie –“
„Sag’s nicht!“
„Warum? Verträgst du keine Natur?“
„Nur bedingt…“
„Dann fort mit dir. Ich gebe Bescheid, wenn’s vorbei ist.“

Farah Days Tagebuch, 18

Mittwoch, 8. Januar 2014

Schreiben, anklopfen, hoffen, dass jemand da ist
Ich, wenn ich nicht schreibe, verliere mich morgens um vier so regelmäßig, wie andere um diese Zeit Brötchen backen, erkenne meine Adresse nicht. Amnesie. Wache auf und denke: das das das. Als ob es selbstverständlich wäre, mit dasdasdas anzufangen, mit gleich was formenmüssen, kaum dass man die Äugelchen. Statt erstmal hallo.
Vielleicht
Manchmal

(Lücken)
((Gab es Sommer? Waren die Brötchen reif? Mit mir war noch nie/immer gut Kirschen essen. Aber wenigstens))
Ach, was s

Eruptiv. Eruptiv erkennen. Wie zum Beispiel, dass mir Vokabular fehlt. Frisches. Fiel mir gestern auf, als jemand im Fernseh sagte, schauen sie, dieses Haar ist schon neun Jahre alt, aber wie lebendig es wirkt mit unserem Produkt und zeigte auf eine Statistin mit langem. Als mein Vater starb, ließ ich es abschneiden, also ist meins jetzt sechs. In letzter Zeit hatte ich oft Lust, es ganz zu scheren, mitsamt der Augenbrauen. Vielleicht, es könnte ja, was für eine Erleichterung: rasend auszusehen statt verlockend. Den Anschein der Konsensfähigkeit fallenlassen.

(Hübsch: „es machte den Anschein, …“)
((Redewendungen))

– doch dann, aus Scheu vor jenen, die Chemo müssen, kann ich es nicht ausprobieren.
(Hallo.)
((Ich schwöre, eben war noch jemand mehr hier. Aber egal.))

Frisches Vokabular jedenfalls: die Haare brachten mich drauf. Weil der Animator sagte, wie lebendig es sei und der Frau durch die Springlocken fuhr. Ich dachte, mein Vokabular muss sein wie Locken. Muss schnalzen können, lang sein, gut gepflegt. Himmel, was für ein Stuss, so etwas zu denken, komplett hinkender Vergleich! Wenn ich wollte, könnte ich jeden Tag ein neues Wort lernen, zehn, wahrscheinlich hundert. Muss einfach wieder mehr Hochlit lesen, auch die betagtere. Lange her, dass
Lange her, seit
Lange her, dass ich nach innen ging wo die wilden Kerle wohnen
Plötzlich riecht es nach Feigen