Heimito von Doderer / Die Merowinger oder Die totale Familie

“Bachmeyer, ein kleiner, lebhafter, sehr gut gekleideter Mann mit schwarzem Spitzbarte, stieg die Treppen zur Privat-Ordination des Direktors der neurologischen und psychiatrischen Klinik, Professor Dr. Horn, hinauf und ließ dabei einen spürbaren Duft-Streifen von Lavendelwasser hinter sich: bitter und rundlich zugleich, ein sozusagen comfortabler Geruch.”

“Die Merowinger oder Die totale Familie”, dtv, 1999

(Zugetragen von ANH:
“So beginnt einer der, meinem Dafürhalten nach, komischsten Romane der Weltliteratur.”)

Zeruya Shalev / Liebesleben

“Er war nicht mein Vater und nicht meine Mutter, weshalb öffnete er mir dann ihre Haustür, erfüllte mit seinem Körper den schmalen Eingang, die Hand auf der Türklinke, ich begann zurückzuweichen, schaute nach, ob ich mich vielleicht im Stockwerk geirrt hatte, aber das Namensschild beharrte hartnäckig darauf, dass dies ihre Wohnung war, wenigstens war es ihre Wohnung gewesen, und mit leiser Stimme fragte ich, was ist mit meinen Eltern passiert, und er öffnete weit seinen großen Mund, nichts ist ihnen passiert, Ja’are, mein Name rutschte aus seinem Mund wie ein Fisch aus dem Netz, und ich stürzte in die Wohnung, mein Arm streifte seinen kühlen glatten Arm, ich ging an dem leeren Wohnzimmer vorbei, öffnete die verschlossene Tür ihres Schlafzimmers.”

“Liebesleben”, Berliner Taschenbuch Verlags GmbH, 2000
(Original bei Keter Verlag, Jerusalem 1997)

Julio Cortazár / Rayuela

„Auf eine Weise ist dieses Buch viele Bücher, aber es ist vor allem zwei Bücher.“

“Rayuela. Himmel und Hölle”, Suhrkamp, 2010

(Zugetragen von E. A. Richter: “So beginnt ‘Rayuela’ von Julio Cortazár. Dem folgt die Einladung, den Roman auf die ‘übliche Weise’ zu lesen; oder so, wie es in einem Kapitelverzeichnis vorgeschlagen wird. Ich bin dem nur kurz gefolgt und habe mich dann zur linearen Lektüre entschlossen und damit alle Unwägbarkeiten in Kauf genommen, die sich aus dem ersten Satz des ersten Kapitels ergeben: ‘Ob ich die Maga finden würde?’
Rayuela beginnt eigentlich mit einer kreideartigen Skizze von ‘Himmel und Erde’ (im Original: ‘cielo’ und ‘tierra’). Nach dem ‘Wegweiser’ ein Zitat aus ‘Geist der Bibel und Universelle Moral…’ Und viertens: Zitat aus Cesár Brutos ‘Was ich gern sein möchte, wenn ich nicht das wäre, was ich bin’. So weiß man schon nach kurzem, was einem blüht.
Üblicherweise lese ich bei einem Buch, das mich interessiert, den ersten und den letzten Satz. Der letzte steht bei ‘Rayuela’ auf S. 636: ‘Warte, bis ich die Zigarette zuende geraucht habe.’ Hier habe ich es nicht getan, weil ich durch einen Eintrag von Aléa Torik dazu gebracht wurde, es bei Amazon zu bestellen. Ausschlaggebend war dabei dieser Satz: ‘Ohrenbetäubendes Schweigen entstand blitzartig um jede Frau, die dir ähnlich sah, eine geäderte und kristallinische Pause, die schließlich traurig zusammenfiel wie ein nasser Regenschirm, der geschlossen wird.'”)

Chimamanda Ngozi Adichie / Purple Hibiscus

“Things started to fall apart at home when my brother, Jaja, did not go to communion and Papa flung his heavy missal across the room and broke the figurines in the étagère.”

“Purple Hibiscus”, Algonquin Books, First edition, 2003

Diese junge nigerianische Autorin (*1977) entdeckte ich, als ich mich some time ago auf meine erste Reise auf den afrikanischen Kontinent vorbereitete. Ich verschlang ihren Debütroman ebenso wie alle folgenden. Die Frau ist eine erzählerische Naturgewalt; sie zieht einen so in ihr Land, dass man morgens mit rotem Sand zwischen den Zähnen aufwacht.

Stig Larsson / Die Autisten

“Das Eigelb wird mit Zucker und gekochten, geschälten, geraspelten Mandeln schaumig gerührt, und die weiche, plastische Masse verrät keinerlei Ähnlichkeit mehr mit den gelben, eingesponnenen Bällchen und ihrer durchsichtigen Brudermasse, die mit den Schalen zwischen Papier und Weinkorken im Müllbeutel liegt.”

“Die Autisten”, Zürich: Amman. 1989. (Orig.: Autisterna. Stockholm: Bokförlaget ALBA. 1979/1988.)

(Zugetragen von brsma: “Fantastisches Buch mit einer geradezu magischen Sprache, die der beständigen Bewegung zwischen Alltag und Obsession, Ruhe und Gewalt mit faszinierender poetischer Präzision eine wunderbar eigenständige Form verleiht. Mit etwas Glück bekommt man’s manchmal noch antiquarisch… 🙁
P.S.: Es handelt sich nicht um den fast gleichnamigen Bestsellerautor (mit -ie-)”