Moin moin, geschätzte Leser:innen,

ab morgen wird’s besser hier. Versprochen.
Bin noch voll im Trainerinnenmodus. Was mich – anders als ANH, der wohl auch von der Takelage der Gorch Fock hängend noch sein morgendliches Arbeitsjournal schreiben würde – gerade davon abhält, mich um TT zu kümmern.

Wir sind in Kiel auf Seminar. Jawoll.
Wer darüber mehr wissen möchte, wer zudem einen sehr charmanten Kieler “Sprottenkopf” (wohlgemerkt sein eigener Ausdruck! ; ) namens Ögyr kennen lernen und einige höchst unvorteilhafte Schnappschüsse der Verfasserin anschauen möchte, wie sie sich zwecks interessanter fotografischer Perspektiven auf dem Boden wälzt, begebe sich ohne Scheu >>> rüber zum Kollegen. Der wird Ihnen was erzählen.

Während ich nu’ mich um meine zu lektorierenden Texte kümmern muss. Und das v o r dem Frühstück. Leben is’ hart ; )

20:35
… Und >>> da sind sie … : )

Blick zurück nach vorn

Interessante Etappe gerade. Erst Paris, dann die Operation, das Kloster … mein roter Faden entwickelt sich langsam zum Gummiband. Habe ein Buch über Labyrinthe gekauft. Im Kloster gab es eines, nein, nicht das Buch, sondern ein Labyrinth, ins Gras geschnitten, das mit nackten Füßen abzulaufen war. Bloß nicht über den Rand treten.
Regeln.
In Vorbereitung einer der Schreibübungen, die ich für mein morgen beginnendes Seminar (in Kiel diesmal, juchhei) entwickelt habe, habe ich Regeln gesammelt – von Fitnesscoaches, Künstler:innen, Psycholog:innen …
Was die Jugendlichen damit machen werden? Kann ich noch nicht verraten – einige sind immer neugierig und googlen meinen Namen, bevor das Seminar beginnt, denen möchte ich die Überraschung nicht verderben.

Bin sehr still dieser Tage, nach innen gekehrt. Konzentriert. Die angewandte Seite meiner Arbeit läuft wie am Schnürchen, alles ist vorbereitet, viele neue Seminar-Ideen der letzten Monate sind in Übungen umgesetzt, die bereits abgehaltenen bekommen gute Rückmeldungen. Und mal wieder hat sich ein junger Mann in mich verknallt. “Der redet nur noch von Dir” sagte der Projektleiter gestern beim Meeting und grinste. Ich schick’ dem Jüngling in Gedanken ein Lächeln.

Meine künstlerische Arbeit findet derzeit hinter verschlossenen Türen statt. Nicht mal ich selbst kann sie öffnen!
Aber ich horche. An der Klinke rütteln hilft nicht, das hab’ ich probiert, also bleibe ich im Vorraum und warte auf den Klick.

Manchmal erinnere ich mich an die Komplizen von früher. Wie wir gelacht haben : )

Unter meinen Füßen ist Ruh’

Das Gehen.
Fünf Uhr morgens. Ich trete zum Fenster, fasse den Stab, schiebe das schwere gewebte Tuch zur Seite, es gleitet fast von alleine auf seiner Schiene. Noch dunkel.
„Wir werden ins Schweigen gehen“ hatte die Frau mit dem weißen Haar an unserem ersten Tag gesagt. Was wir wissen müssen, steht auf Blättern und Schildern; es gibt keinen Grund zu sprechen. Das lange Tuch, das um ihre Schultern bis zur Mitte ihrer Oberschenkel hängt, gerät den ganzen Tag über nicht in Schwingung. Sie zupft nie etwas zurecht.
Als sie das erste Mal im Raum die Schale anschlug, deren Ton die reglosen Zeiten bestimmt und beendet, liefen mir bis zum Abend Tränen der Erleichterung über das Gesicht, weil endlich still war. Das Schweigen: lang gesuchte Freundin.

Mein Fenster ist schmal und hoch.
Jeden Morgen, wenn ich hinausblicke, sind sie bereits da, und jede Minute werden es mehr. Unten im Hof. Sie laufen in weitem Kreis zügig um den Brunnen, lautlos, niemand stockt, niemand schaut auf, niemand grüßt. Ich kleide mich, gehe langsam die Treppen zu ihnen hinunter, beschleunige den Schritt, der Kreis saugt mich ein.
Ab und an tritt jemand aus dem Gebäude und schlägt das Holz. Wenn das geschieht, bleibt man stehen und verneigt sich. Ich weiß nicht, vor wem oder was ich mich verneige, doch das ist nicht schlimm. Wir beugen die Oberkörper mit aneinandergelegten Handflächen, sehen aus den Augenwinkeln, wie die Gerufenen den Kreis verlassen, um in ihren Raum zu gehen, wir aber nicht. Die Weißhaarige hat gesagt, frühmorgens im Hof gelten die Hölzchen nur für die anderen.
Am ersten Tag hat sie noch viel erklärt. Inzwischen genügt uns ein Neigen ihres Kopfes, eine leichte Bewegung ihrer Fingerspitzen. Wenn sie nach einer halben Stunde schnellen Gehens um den Brunnen anhält, um die Übungen zu beginnen, spüren wir ihr Innehalten schon Sekunden vorher.
Dann grüßen wir, schweigend, mit den fließenden Bewegungen, die sie uns zeigt. Jeden Stein, jedes Blatt, jede Schnecke, jeden Partikel, der auf unsere Haut trifft, die nun langsam in den sich aufhellenden Morgen einsetzenden Geräusche, das Wasser im Brunnen, den Himmel, die Sonne, den Boden, auf dem wir stehen. So viele Sachen habe ich in meinem ganzen Leben noch nie auf einmal begrüßt. […]

Unterschlupf

Ich werde das bleibende Thier mitnehmen. Und einen Talisman gegen das Thier.
Ich werde einen kostbaren Satz mitnehmen und einen, der ihn zunichte machen kann.
Mein Lächeln werde ich mitnehmen, aber Sanssourir wird mich begleiten.
Einen geflochtenen Korb nehme ich mit, in dem alles verschwindet, das man hinein legt und einen leeren Füller.
Man schweigt dort, also werde ich lauschen.

Geschätzte Leser:innen, ich ziehe mich für vier Tage zurück.
Das Atelier bleibt offen; der Schlüssel, wie immer, liegt unter der Matte.
Ich bin jetzt schon glücklich und es ist mir jetzt schon schnuppe, ob das kitschig klingt.

Bis nächste Woche!

Phyllis

Besch(n)eiden

Wie wird aus dem Wünschen ein Wollen und wie formt man dieses zum Werkzeug?
Viele Gespräche mit Künstler:innen in den vergangenen Tagen. Was, wenn der Weg weg ist?
Was, wenn das Revier zu klein geworden ist, unmerklich, um die Lockung zu spüren, die uns in jüngeren Jahren hungrig auf die Bühnen trieb?
Wahrscheinlich ist es nicht die (ewig von Anderen bemängelte) Selbstüberhebung, die unserer Arbeit, unserem freien Denken zur Gefahr wird, sondern die Bescheidenheit.
Das allmähliche Zurückschneiden auf krisenfeste Formen. Überlebenspakete.

Später mehr. (Muss erst einmal die Arbeit tun, die mein Überleben sichert ; )