Dem Narzissmusvorwurf

… kann nur durch vorauseilende Affirmation entgegengewirkt werden!
Erläuterungen folgen nach abgeschlossener Sitzung. Kann aber dauern.

(Photo via kittenwishes)

00:10
Leider muss ich Ihnen, meine Herren, das Grinsen der Kätzin beim Lesen Ihrer Kommentare vorenthalten: Sie verbat sich weitere Ablichtungsmanöver meinerseits.

Hellwach gepredigt erstarkt die Vokabel

Nur diejenigeln, die man sich merkt, sind wichtig. Auf meine Klage, ich sei so vergesslich, könne mir von Büchern, die ich lese, bestenfalls Bruchteile, manchmal nur einzelne Begriffe merken, erwiderte kürzlich jemand, die der Vergessenheit anheim gefallenen seien wohl nicht so wichtig gewesen. Da ist was dran. Weil man, und sei er noch so von Belang, einen Text nur mit den Rezeptoren liest, die gerade zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Und das sind nun wirklich nicht immer alle, die man im Repertoire hat. Ein Text ist nur in den Augen dessen, der ihn verfasst, selbstständig. Alle anderen verleihen ihm Stützrädchen.
Fast schöner noch, als sich über ein gelesenes Wort zu freuen, das im gerade richtigen Moment eintrifft, ist es natürlich, selbst eines in Umlauf zu bringen. Die einzelne Vokabel hat gegenüber einem ganzen Satz, ganz abgesehen vom vollständigen Text, den Vorzug der Prägnanz. Ein Wort zu setzen ist ein künstlerischer Akt. Er erfordert Gespür für die Beweglichkeit des Zeitflusses. Wie verhält sich die Zeit denn gerade, schlängelt sie so herum, fließt sie träge, zuckt sie, und wenn ja in welchem Rhythmus, wo ist der Moment, auf den gerade aus unerfindlichen Gründen das Licht fällt. Diese Dinge lassen sich an Gesichtern ablesen, an Dingen, an Räumen, selten an Texten.
Ein Wort muß behutsam ins Geschehen eingefädelt werden, in einen Zwischenraum, der so großzügig bemessen ist, daß es noch wachsen kann. Gelegenheiten gibt es immer, sie aufzuspüren erfordert Geschicklichkeit und Mut, man wirft die Vokabel aus dem Handgelenk dorthin, wo die Oberfläche des Flusses gerade hell aufleuchtet und im besten Fall schnappen sie danach, die Fische, die dann wieder von anderen gefressen werden, wie man weiß, und so verbreitet es sich, das Wort.
(Heute allerdings ist mir noch kein geeignetes untergekommen)
(*lacht*)

„Ich glaube, auch du, lieber Gorgias, weißt, wie Gespräche normalerweise ablaufen. Wenn die Leute sich über etwas streiten und der eine behauptet, der andere habe nicht recht oder drücke sich nicht deutlich aus, so werden sie unwillig und meinen, man würde aus persönlicher Missgunst gegen sie so reden. Schließlich gehen sie auseinander, indem sie sich gegenseitig beschimpfen und solche Dinge aussprechen, dass sich die Anwesenden ärgern, zugehört zu haben. Weshalb sage ich das? Weil ich fürchte, wenn ich dich widerlege, könntest du annehmen, ich rede nicht aus Eifer für die Sache, sondern gegen dich persönlich. Wenn du jedoch zu den Leuten gehörst, zu denen auch ich zähle, möchte ich das Gespräch gerne fortsetzen.” […]
Sokrates in Platons Dialog „Gorgias”

Walnussmus

Grüss Gott. Bin in München.
Heute Nachmittag Lesung in einem privaten literarischen Salon. Unterbringung vom Feinsten, allerdings mit flächendeckendem Nussbefall; muss am nahe gelegenen Park liegen. Eichkatzln. Die scheinen das Appartement als Winterlager zu verwenden; man tut hier keinen Schritt über’s Parkett, ohne Vorräte zu zerstören. Hatte mir nach Ankunft eine Trasse freigeräumt, um nächtens das WC knackfrei erreichen zu können. Haute gerade so hin, heute Morgen allerdings ist sie nicht mehr zu erkennen – Terrassentür stand über Nacht offen.
Ich seh’ das ja alles als Zeichen, mich mit dem herannahenden Herbst zu befreunden. Der birgt aber so viel überschüssiges Gephyl. Allein der Anblick von Herbstfarben überhauchten Laubes kann mich in tiefste >>> Melancholie stürzen! Mei, wie ich mich kenne, werde ich sogar heimlich Gedichte schreiben. Die versteck’ ich dann, um sie im Frühjahr wieder auszubuddeln. Oder auch nicht.

Intelligenztestschredder: on

Was ich noch sagen wollte. Mein Text mit der Intelligenzität und dem vermeintlich Oberflächlichen. Sie wissen schon. Ich merke an bestimmten Zeichen in der werten Netznachbarschaft, dass da bei einigen von Ihnen die Klappe runterging. Nachvollziehbar. So nach dem Gießkannenprinzip mal allen… inklusive mir selbst, wenn ich erinnern darf … aber trotzdem. So geht’s nicht. Mein Text war zu kurz, erklärte nicht, woher die Überlegungen kamen.
Ich hatte vorher dieses Telefonat mit einem Freund. Dem ich noch nie persönlich begegnet bin. Trotzdem ist er Freund. Ich spreche mit ihm über alles. Sie kennen das bestimmt: dass man manchmal besser über Distanzen hinweg sprechen kann als mit den Vertrauten der unmittelbaren Umgebung. Oder sagen wir: es ergibt sich einfach manchmal so.

Dieser Freund jedenfalls ist mir einerseits nah; ich weiß viel von ihm und er von mir. Andererseits gibt es da diesen Abstand, der für mich sehr spannend ist. Ich denke immer, der Mann ist mir nichts schuldig, muss nicht so sehr auf meine Gefühle Rücksicht nehmen wie jemand aus meinem innersten Kreis das täte. Umgekehrt genauso. Er kann sich darauf verlassen, dass ich kein Blatt vor den Mund nehme.
Manchmal unterhalten wir uns dann auch über TT, und was es für mich bedeutet, dieses Ateliertagebuch zu machen. Vor allem stellt es meine Schnittstelle zur Welt dar. Mit TT bin ich unbefangener als „Draußen“. Impulsiver, provokativer, fragmentarischer und weniger perfektionistisch. Und dieser Kreis, der sich bildet, dieser seltsame Raum von Menschen, die sich gegenseitig auf ihren Sites besuchen und Kommentare hinterlassen, manchmal auch Gespräche führen, bedeutet mir viel. Sie, Leser:innen, bedeuten mir viel. Ohne Sie und die Worte, die Sie schreiben, ob nu’ ernste oder lustige, würde ich den Laden dicht machen.

Jetzt ging’s also darum, bei diesem Telefonat, wie das gehen kann: im Netz Intensität zu erzeugen. Und aufrecht zu erhalten.
Natürlich ist mir klar, dass das utopisch ist! Wer will schon immer intensiv sein? Und wer von jenen, die es wollen, würde dafür nicht lieber im Kreis enger Freunde sitzen als im Netz? Oh Mann. Da hab’ ich mich in was reingeritten. Tatsache ist, ich wollte Sie nicht vor den Kopf stoßen. Entschuldigung bei denjenigen, die meine Überlegungen in den falschen Hals bekamen. Ich bin die letzte, die nicht zugeben würde, wie wahnsinnig toll es ist, sich gegenseitig zu bestärken. Leicht und unverstellt zu sein. Unfug zu machen. Meine Güte, ich schreib’ doch auch nicht jeden Tag Texte, die die Welt erschüttern. (räusper) Noch nicht mal jeden fünften. Oder dreißigsten. Ich sitz’ hier auch auf nicht auf dem Intelligenzpodest und verteile Strafpunkte an vermeintlich Leichtfüßige – so gut sollten Sie mich eigentlich inzwischen kennen. Meine Güte, allein über meine Selbstzweifel könnte ich ein ganzes Buch schreiben! TT ist mein Ort, die auszutricksen: trotz dieser immer wiederkehrenden Koller arbeiten zu können.
Ach ja: Die Buchmesse hat >>> Faust Kultur in Auftrag gegeben, einen Fragenkatalog zu entwickeln, in dem unterschiedliche Künstler:innen zu ihrer Arbeit im Netz befragt werden. Meine eigenen Antworten sind seit heute online und >>> hier zu finden. Doch das nur nebenbei. Wichtiger ist mir dieses Anspruchsding. Dass Sie mich das sagen lassen, ohne es als eine gegen Sie gerichtete Spitze zu verstehen. Ich bin keine Abwerterin, außer mir selbst gegenüber. Eben fällt mir ein, dass es wahrscheinlich das ist, was mich als Trainerin für Jugendliche so geeignet macht: dass ich so gut weiß, wie das Geräusch des Zweifels klingt, wenn er nagt. Dass ich aber ebenso weiß, dass man ihn austricksen muss und inzwischen ein paar Werkzeuge angefertigt habe, die sich andere genauso schnitzen können.

Wäre schön, wenn..

Zwischen uns

Es gibt da eine Sache, die mir nachgeht. Zu der ich gerne noch etwas sagen würde und Sie vielleicht auch. Wer weiß.
Komme aber erst nachmittags dazu, weil, heute Vormittag warten neunundzwanzig Zwölfjährige auf mich. Eine Altersgruppe, mit der ich noch nicht viel Erfahrung habe. Und dann gleich so viele auf einmal. Jaul.

Guten Morgen, allerseits!
Und bis später.

Nieder mit der Supervision!

Zwölfuhrdreizehn. Mal wieder nicht schnell genug, kommentiert mein innerer Supervisor. Andere, sagt er, sind um diese Zeit intellektuell schon volles Rohr am Produzieren, und Du? Immer noch am Gedankenfischen?
Ich konzipiere, grolle ich. Morgen geht’s wieder ran an die kids. Neue Truppe. Ich nehm’ das ernst.
Ich auch, sagt mein Supervisor. Aber wenn Du elende Schleichkatze mal einen Zahn zulegen würdest, könntest Du Dich endlich den achtzig angefangenen Spinnereien widmen, mit denen Du mir hier die Basis blockierst.
Halt’s Maul, schnappe ich. Lass’ mich arbeiten.

Der IQ, schreibt der vorletzte SPIEGEL, steigt nach neuesten Tests an Kindern seit Jahren beständig an; die neuen Generationen werden kontinuierlich schlauer. Dass das so ist (sei??), stünde nicht einfach für besseres Denkvermögen, sondern für einen modernen, wissenschaftlich geprägten Denkstil, im Gegensatz zum praktisch-konkreten früherer Jahre. Beim Lesen überfällt mich nagender Zweifel, ob mein Denken nicht doch der letztgenannten, plastischen Methode frönt, obwohl ich mit vier an einem Institut mit bemerkenswerten Ergebnissen getestet wurde. Scheint alles paletti zu sein mit meinem Gehirn, auch wenn ich die Unterlagen vor einiger Zeit mal in die Finger bekam und keine meiner Antworten verstand, geschweige denn die Auswertung derselben. (Wer warst Du, kleine Phyllis?)
(Kenia holt einen Prozentpunkt pro Jahr auf, übrigens.)
Regentag. Eben brachte ein ziemlich hübscher Kurier ein kleines Päckchen, darinnen ein Miniaturflacon des Parfüms, das ich seit vielen Jahren als den unwiderstehlichsten Männerduft aller Zeiten einstufe. Der Flacon ist Bestandteil einer geheimen Versuchsanordnung, für die mir momentan die Zeit fehlt. Nein, die Verfasstheit, präziser noch, die emotionale Intelligenz. Aber dieser Duft! Irre. Wer braucht da noch IQ.

Ich wünsche einen trotz Regenbefall melancholiefreien Tag, geschätzte Leser:innen!
Und mach’ mich mal an die Kursvorbereitungen für morgen.
Die Pädagogin, mit der ich eben telefonierte, sagte, von ihren dreiundzwanzig Schüler:innen würden sich ihrer Einschätzung nach sechs bis sieben auf das Schreibtraining mit mir einlassen.
Und die anderen?, fragte ich.
Die Gruppe ist sehr heterogen, erwiderte sie.
D a s Wort kenne ich schon von Pädagogen… : )