Donnerstag, 30. Juni 2016
„Killekille…“
LeBlanc neckt meine Rose mit den Fingerspitzen.
Ich seh’ nur ihren ellenlangen, fingerdicken Stiel, unten scharf angeschnitten. Auf den würden glatt zweidrei Köpfe passen: einfach beherzt durch die Ohren durchschieben.
Bin latent zornig. Überhaupt sehr latent seit zweidrei Jahren: Mein Zorn Meine Brisanz treibt unter der Oberfläche, kein Wunder, dass der Kopf so rauscht und fiept, sobald die Alltagsgeräusche verstummen. Die von mir konsultierten Ärzte rieten zur Ablenkung, also habe ich Watte ausgesät: Riesige Baumwollfelder. Die sind durchaus effektiv. Inzwischen fungieren allerdings so große Areale als Lärmschutz, dass sich manchmal mein ganzes Denken wattiert anfühlt, auch tagsüber.
„Bei uns in China sagt man, ein einziger Tropfen Milch genüge, um ein ganzes Glas Wasser einzufärben.“
Immer wieder denke ich an Liyus Satz vom vergangenen Sommer zurück.
(„Willst du nicht so ein Tropfen sein?“)
Stattdessen verstecke ich mich in den Baumwollfeldern.
Kann ich inzwischen einfach zu gut.
Der Morgen regnet vor sich hin. Wie oft haben andere schon in Worte gefasst, wie es sich anfühlt, aus dem Trockenen ins Nasse hinauszusehen, der Klang der Tropfen, durchnässtes Licht, dieses heimliche Vollsaugen mit Melancholie? (Und die ganzen nassen Vögel. Wie schmal die dann sind.)
Bin nicht nur latent, sondern auch voller Ideen, die auseinanderstieben wie ein Schwarm aufgescheuchter Spatzen. Sei laut und nimm Einfluss, tschilpen sie, und nimm gefälligst die Watte aus den Ohren!
Der Morgen ist wach und geil und voller Krisen.
Vielleicht gibt er mir was davon ab.