Berühmte Gemälde nachstellen.
Der Ohrstöpsel da auf dem Boden: raten Sie mal, wann hier morgens zum ersten Mal zum Gebet gerufen wird ; )
Berühmte Gemälde nachstellen.
Der Ohrstöpsel da auf dem Boden: raten Sie mal, wann hier morgens zum ersten Mal zum Gebet gerufen wird ; )
Für F. Sie weiß schon, warum.
Ist das nicht ein wunderbares Wort? Bin etwas aus der Fassong, wie meine Großmutter gesagt hätte, heute morgen. Strubbelhaare, schlafgeschlitzte Augen und ich füchte, ich müffele auch. Es kühlt momentan überhaupt nicht ab nachts.
(Wie das wohl für Sie ist, frage ich mich – die Sie gerade vielleicht in einem Büro sitzen oder an einem der diversen anderen möglichen Arbeitsplätze – von dieser Kiehl zu lesen, die seit drei Wochen Freigang praktiziert? Doch meiner neigt sich dem Ende zu und Ihrer, vermute ich, steht bald bevor.)
L. hat übrigens geschrieben, schauen Sie doch mal. Sie zieht sich gerade an, um einer Abendeinladung ins Institut Folge zu leisten. Hat sich auch ein bißchen in den Mann verguckt, den sie Hausdiener nennt, doch ich glaub’ ehrlich gesagt nicht, dass er einer ist.
Hm.
Das neue Foto stelle ich heute auch ein, im Laufe des Tages; es ist höchst konzeptuell geworden.
Liegestützen. Meine Oberarme haben inzwischen einiges von ihrer Schlabberigkeit verloren. Die meisten Leute denken ja, man müsse am Bizeps arbeiten, ich seh’ das anders, der Trizeps ist die fatale Stelle! Man kann das häufig in der Stadt beobachten, wenn die Damen ärmellos tragen: wenn er schaukelt, sollte was getan werden. Doch das ist wirklich nur meine unmaßgebliche Meinung in der Sache.
Los jetzt, Phyllis. Wer Großes will, muss sich zusammenraffen. (Das wiederum hat mein Vater immer verkündet. Immerhin grinste er dabei)
Ich im übrigen auch.
Schönen Tag, allerseits!
K****, 30. Juni 2010
Verehrter, lieber Doktor Sago,
natürlich werde ich gehen! Es hätte Ihrer Eildepesche nicht bedurft; ich bin bereits dabei, mich dem Anlass entsprechend zu kleiden.
(Ich habe nichts Passendes!!!)
Doch woher wussten Sie…? Ich bringe hiermit mein Missvergnügen zum Ausdruck, in aller Form. Immer sind Sie mir einen Schritt voraus, allen Spielraum des Fabulierens entziehen Sie mir, der Sie sich offensichtlich mit Ihren Kollegen am hiesigen Institut inniger austauschen als mit mir! Stehen mir denn keine Geheimnisse zu? Halten Sie mich für ein vom Naturell her derart passives Geschöpf, dass ich solch lückenlose Überwachung gut heißen würde? Sie sollten mich besser kennen.
Mein Hausdiener, übrigens, sieht besser aus als alle Männer, die ich bisher in K**** getroffen habe. Das überraschendste war … doch ich will nicht vorgreifen.
Als ich vorhin die Tür öffnete, stand mir ein hoch gewachsener Mann gegenüber, in den Händen ein Tablett (nein, nicht silbern, sondern aus irgendeinem dieser Bambushölzer) mit einer Karte. Er verneigte sich leicht, sagte aber nichts. Der Hauch seines Männerdufts wehte zu mir herüber, harzig, mit einer Unternote Sandelholz und Juchten. (Ich tippe auf Guerlain).
Ich besah ihn mir. Stand, zu verdutzt noch von seiner Erscheinung, als dass ich mich hätte artikulieren können, mit nichts weiter als einem Morgenmantel bekleidet da.
(Eben gewittert es.
Was soll ich nur anziehen??
Immerhin, man wird mich abholen.)
Er trug ein Gewand, für das manche Dame von Rang willig ein Monatssalär auszugeben bereit wäre, so elegant umspielte es seinen Körper. Dazu trug er – lachen Sie jetzt nicht! – goldbestickte Pantoffeln. Oh ja. Immerhin war sein Gesicht nicht das eines Mohren, sonst hätte ich mich in einem Traum von tausendundeiner Nacht gewähnt – und Sie wissen, ich hasse blumiges Geschwafel! Nein, seine Haut ist recht weiß, und seine Züge haben einen für orientalische Verhältnisse eher groben Zuschnitt. Markant, würde man in unseren Breitengraden sagen. Dazu durchaus irritierende, helle Augäpfel. Und er trägt sein braunes Haar in einem Zopf. Der ganze Mann hat, nun, da ich darüber nachsinne, etwas von einem … hm… in edle Stoffe gewickelten, sehr gewieften … Wolf.
(Das sei nicht schön, höre ich Sie sagen. Doch, doch, ist es!)
Sein „Madam?“ klang spöttisch. Er ruckte ein wenig mit dem Tablett, um mich zum Zugreifen zu bewegen. Also nahm ich die Karte. Und sah ihn an, durchaus direkt.
„You speak English?“ fragte ich.
„Ich spreche Deutsch“ erwiderte er, ganz ohne Akzent. Seine Mundwinkel zuckten.
„Oh“ sagte ich. Mehr fiel mir nicht ein.
„Ihr Morgenmantel…“ sagte er. Himmel, hilf! Ich griff in den Stoff und raffte ihn zusammen.
„Wünschen Sie Hilfe beim Ankleiden?“
„Wo waren Sie all die Zeit?“ stieß ich hervor. „Seitdem ich mich in diesem Haus aufhalte, bin ich keines einzigen Bediensteten ansichtig geworden! Geschweige denn, dass jemand deutsch gesprochen hätte!“
„Sind Sie nicht ein wenig zu jung, sich einer solchen Sprache zu befleißigen?“ fragte er. Dieser süffisante Tonfall! Erwürgen hätte ich ihn können. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was Sie meinen.“ Sprachs und trat, die Karte in der Hand, einen Schritt zurück ins Zimmer, während er blieb, wo er war.
„Ganz wie Sie wollen, Madam. Brauchen Sie mich noch?“
„Nein, vielen Dank. Ich komme zurecht.“
„Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Abend.“
„Ebenfalls“ erwiderte ich.
„Ich würde übrigens die grünen Pumps mit dem goldfarbenen Absatz nehmen.“
Mitten in diesem Satz drehte er sich um und ging davon, das Tablett in einer Hand schwingend.
Ist das nicht unerhört?? Was erdreistet sich dieser Mensch?
Doch ich muss mich fertig machen, in einer halben Stunde wird der Fahrer hier sein. Fort mit dem Morgenmantel!
Ihre noch nicht gewandete ( und leider gelegentlich zum falschen Kleid neigende)
L.
post scriptum
Warum schrieben Sie kein einziges Wort zu der schwarzen Dame?
Liebe Leser:innen, gestern, nach einem langen, äußerst sprachverspielten Abend hier hatte TT das Vergnügen, noch zwei Gäste zu empfangen, die dem Lauf des Geschehens mit ihren Beiträgen eine – augenzwinkernd zwar – aber doch abstrahierende Erdung verpassten. Ich las die späten Beiträge von Melusine und Hans in einer Transitzone zwischen wach und schon nicht mehr und dachte, schön, das wird etwas nachvollzogen, mit-gespürt und ein bunter Stein dazugelegt, was ist das doch für ein Geschenk, wenn so etwas passiert. (Bei Steinen muss ich natürlich immer sofort an Syra Stein denken)
Kühler ist es geworden. Die Kinder lärmen wieder (ich hab’ Ihnen gar nichts von meinem Besuch in dieser Schule erzählt, doch das will ich mir eigentlich für eine separate Erzählung aufheben) und ich denke, heute könnte ein Zeichentag werden. Das schien bei diesen extremen Temperaturen unmöglich, es wären ständig Schweißtropfen auf dem Papier gelandet, trotz des etwas altersschwachen Ventilators, der mir hier treulich Gesellschaft leistet.
Ein paar Blicke über den Zaun werfen zwischendurch, sehen, was die Nachbarn so treiben, allen voran bin ich auf den von Hans heute Nacht empfohlenen Text im Begleitschreiben gespannt. Leider gibt Hans keine eigene url an – wenn’s so wäre, ich wäre sicherlich täglich dort zu finden. Auch der Lobster und seine vielen personae sind eher im Weltraum (eher unüblich für ein Schalentier) anzutreffen als unter einer url, aber das mag sich noch ändern. (ich hab da so ein Gefühl)
Dann schauen, was Melusine wieder ausheckt auf ihren vielen wunderbaren Denkbaustellen – drüben bei den Gleisbauarbeiten glühen die Schienen. Ganz so oft passiert es ja, dass man Geistesverwandschaften über’s Netz entdeckt, nicht – umso begeisterter bin ich, wenn’s doch geschieht.
Auch spaziere ich immer gerne in Dr. Scheins Praxis vorbei (ich bin ja sehr ärzteaffin), allein schon, weil ich mich immer mit dem Gefühl von dort wieder verabschiede, dass meine Synapsen in Schwung gekommen sind wie Pingpongbälle, (auch wenn mir leider oft nichts wirklich geistreiches einfällt, das ich beisteuern könnte) und sehe bei Frau Rinpotsche rein, die oft für meine Begriffe so verquer denkt und bildert, dass ich auf’s angenehmste irritiert bin. Treu bin ich auch beim Künstlerkollegen Schneck zugange, der fühlt sich eh wie ein Ateliernachbar an. Ich mag seine Art zu schreiben und “Kirschkern” ist ein hervorragender Spitzname für ein Kind, sowieso. (by the way, wo ist eigentlich sowieso?) Auch Audrii besuche ich regelmäßig, allein schon (aber nicht nur! : ) wegen ihrer schönen Augen.
Eugene Faust: die läuft außerhalb der Konkurrenz, aber sie wird eh schon so gepriesen von allen, dass ich… ach, was soll’s, liebend gerne leg’ ich auch meinerseits noch eine Perle auf ihre Krone!! Eine dicke.
Und Die Dschungel. Da lese ich eigentlich täglich und staune ob dieser blendenden Schaffensfreude. Erstaunt zu sein ist einer meiner Lieblingszustände. Es hat eine Weile gebraucht, bis ich anfing, dort auch zu kommentieren, inzwischen tu ich’s manchmal – immer darauf gefasst, dass mir einer der dort ansässigen Schützen eine Ladung in den Allerwertesten, Sie wissen schon. Trotz des umherfliegenden Schrots fühle ich mich dort zuverlässig in anregender Gesellschaft, auch wenn mir manchmal vor lauter Bildungsdickicht das Gesicht glüht.
A propos glühen: Alea Torik hat eine Besprechung der “Sizilianischen Reise” von anh verfasst, die ich äußerst bemerkenswert finde. Was hat diese Frau für einen Schwung. Egal, über was sie schreibt – immer ist es ein Akt der stilistischen Aneignung. Sie schafft es auch dieses Mal, mir ein Buch so schmackhaft zu machen, dass ich hinrennen und es kaufen will. Dabei behält sie das eigene Profil immer schön im Blick, zieht anh mitsamt seiner sizilianischen Reise ganz in ihre eigene Sprachtemperatur, in ihren weiblichen Gestus und dieses latent Kokette hinein. Es macht einen Heidenspaß, das zu lesen.
Über weitere geschätzte Nachbarn schreibe ich ein anderes Mal – die Liste meiner Bookmarks ist einfach zu lang : )
So. An den Zeichentisch.
Ihnen allen einen guten Tag!
12:37
Couscous.
15:57
Siesta. Alle, auch wir armen Westeuropäer, sollten jederzeit eine kleine machen dürfen. Bei uns heißt das powernapping und klingt nach Führungsetage. Brr.
(lustig übrigens, dass mich niemand von Ihnen darauf aufmerksam gemacht hat, dass ich mit meiner Datumsangabe oben einen Tag hintendran hing. Hab’s eben erst korrigiert. Die Leser:innen von TT sehen sowas anscheinend locker, ein Tag mehr oder weniger – was ist das schon?)
00:28
Schluss, ich lege den Stift aus der Hand. Mein Scanner fehlt mir hier, mit dem ich zuhause Zeichnungen einfach sofort in Dateien verwandle.
Verdammt still heute Abend da draußen. Ein großes Insekt kreist um meine Lampe, ansonsten keine Action.
Mir fehlt nichts.
Wäre ich noch Malerin, ich würde heute den Fluss malen, der, wenn er so glitzert wie er’s gestern tat, ein schwieriges, aber lohnendes Motiv wäre. “Geht raus. Malt g e g e n die Natur”, sagte mein Malprofessor früher immer, ich verstand nie so recht, was er meinte, das heißt, mein Kopf verstand es schon, mein Herz aber nicht. “Ihr müsst Guerillas der Kunst werden”, predigte der Mann weiter, und auch diese Aufforderung fand den Weg nicht in mein Inneres: warum Guerillas? Ich wollte nicht kämpfen. Ich wollte g e f a s s t sein, ja, aber Schwert und Harnisch wollte ich nicht tragen dabei. Dieser Mythos, Kunst als Waffe anzusehen, erschien mir schon früh als Kitsch. Ein Männerding. Wie überhaupt während des Studiums weit mehr über die männlichen Künstler gesprochen wurde. Wodurch ich die weiblichen entdeckte, die mir Eindruck machen: Louise Bourgeois, Jenny Holzer, Valie Export. Rebecka Horn. Sophie Calle. Auch Tracey Emin hat ein paar starke Arbeiten. Als jüngste Miranda July, deren Arbeit ich ganz toll finde. Sie schreibt auch, übrigens, hat schon zwei Bände Erzählungen veröffentlicht. “No One belongs here more than you” ist absolut magisch. (- allein der Titel!) Gehen Sie ruhig mal auf ihre website, da werden Sie gleich getestet ; )
Das sind jetzt nur die “großen”, die ich hier aufzähle.
Na gut. Bei anderer Gelegenheit werde ich mal von meiner eigenen Malerei erzählen und warum ich sie aufgab. Und seither nie vermisst habe, obwohl ich nicht ausschließen will, dass ich dieses Medium irgendwann mal wieder an mich heranziehen werde.
Es ist schon wieder so heiß, dass man wet t-shirt Fotos machen könnte.
Gestern hab’ ich ein neues Foto für die “Einmal geübt”-Serie gemacht. Ich will den Ort hier nutzen, solange ich da bin: ich kann sie ja nur in privaten, ungestörten Räumen machen. Morgen oder übermorgen stelle ich es ein, ich will etwas zeitlichen Abstand bei diesen Bildern. L. hat ihren neuen Brief auch endlich geschrieben, bat mich aber, ihn Korrektur zu lesen, bevor er veröffentlicht würde. Tu ich natürlich gern, wozu hat man Alter Egos?
So. Erstmal in die Puschen kommen, wie mein Vater gesagt hätte. Morgen, allerseits!
13:28
Beim Zeus, ist das krass. Der halbe Fluss ist schon verdampft.
15:44
L.’s neuer Brief ist angekommen. Langsam kriege ich ja den Verdacht, sie sei eine etwas oberflächliche Person. Oder sagen wir’s lieber so, bisher scheinen ihr alle Dinge gleich wichtig zu sein. Was treibt sie an, frage ich mich, was motiviert sie über momentane Gefühlsausbrüche hinaus? Der nächste Brief wird Aufschluss bringen. Ich habe Lust, ihrem Innenleben etwas zu Leibe zu rücken. Das Fest im Institut (von dem sie noch gar nichts weiß) wird uns deutlicher vor Augen führen, wohin ihre Reise in Wirklichkeit geht…
21:53
Sowas nennt man (Stil)Blüten treiben. Die heutigen Kommentare meine ich. Wie verschiedene Herren ähnlicher akademischer Konvenienz da so ins konversieren geraten, als ob L.’s Sprache noch an jeder Straßenecke verfügbar wäre. Was sie ja auch ist. Nur, dass wir sie nicht mehr gebrauchen. Weil sie nicht praktisch ist. Weil sie vielleicht sogar manchmal in das verfällt, was man früher “salbadern” genannt hätte.
Gerade deswegen isses schön: weil diese Art zu schreiben (so aus dem Handgelenk auch immer) eine andere Zeit evoziert. Eine Zeit, als Händel etwas war, das man austrug und in der es nicht unstatthaft wäre, das Wort Mohr zu gebrauchen.
Jedenfalls amüsiere ich mich köstlich.
Es ist ein Spiel.
Wir machen uns so viele sprachliche Spielgründe freiwillig dicht. Warum eigentlich?
K****, 28. Juni 2010
Lieber Doktor Sago,
ja, ich lebe noch. Jajajaja. Ganz bestimmt. Da, ich reiche Ihnen die Hand! Schade, dass Sie sie nicht sehen können. Ist das nicht unglaublich? Irgendwann heute Nachmittag (ich schlief, ich schlafe immer noch unentwegt!) hat mir jemand Finger und Zehennägel manikürt, ohne dass ich es bemerkt hätte. Und dazu diese merkwürdigen Zeichnungen auf den Handrücken. Was diese Leute sich nur denken, bin ich ein Osterei, das man einfach bemalt? Im Schlaf! Seien Sie versichert, lieber Doktor: was auch immer als nächstes geschieht, ich werde es wachend erleben. Und wenn ich mir eine dieser Disteln in den Rockbund schieben muss!
(Man verwendet die hier für die Haussträuße. Disteln. Höchst absonderlich.)
Nun denn. Als ich vorhin zu mir kam, lag ich rücklings auf den Diwan gestreckt, die Arme leicht vom Körper abgespreizt, meine Hände auf seidenen Kissen. (Diese Seide! Ich werde einige Ballen ausfliegen lassen, seien Sie dessen gewiss!)
Ich verstand zunächst nicht, wer mich so drapiert hatte, bis ich meine Füße sah: dort hatte man mir, um den Trocknungsprozess des Lackes nicht zu gefährden, kleine Stoffläppchen zwischen die Zehen geschoben.
Ach, sagen Sie doch nicht, das sei unwichtig, Doktor. Sie wissen doch, wie mir die Körperpflege viel, ja so viel bedeutet!
Und dann die Wunde. Sie ist verheilt. Ich spüre das. Von außen natürlich ist nichts zu erkennen, doch sie blutet nicht mehr, die Binde (ich lugte eben hinein) ist schneeweiß.
Es ist übrigens sehr hübsch, das Zeichen; ich habe es immer gerne aufblitzen sehen, wenn ich mich im Spiegel betrachtete, musste dazu nur ein wenig die Beine… Sie wissen schon. Ungefähr so:
Verzeihung, besser will es mir nicht gelingen. Da gibt es natürlich noch den Teil, der nicht in dem Plastikbeutelchen war. Jener, den es brauchte, es in mir zu befestigen. Sonst, nicht wahr, hätte ich es auch selbst entfernen können. Nicht, dass ich jemals daran gedacht hätte.
„Mein Morgenstern“, sagt er immer, wenn er es berührt. Ich höre seine Stimme auch hier. Auch wenn sie (zu meinem nicht gelinden Erstaunen) drei Wochen nach meiner „Flucht“ etwas leiser geworden ist.
Sehen Sie, Doktor, es gibt da etwas, das mich nicht loslässt. Das ich im Institut sah, bevor man mich in Narkose versetzte. Es
Ach Gott, wie spreche ich darüber.
Es lag da eine Dame.
In meinem Zimmer. Was ich von ihr erkennen konnte (das Laken hatte sie fast bis ans Kinn gezogen), war ein stilles, ebenholzdunkles Gesicht mit geschlossenen Lidern. Ich gestehe, ich war zunächst enerviert, dass kein Einzelzimmer für mich vorbereitet war, doch dann erweckte ihr Gesicht meine Neugier. Seit meiner Ankunft hatte ich nicht viele solcher Hautfarbe in der Stadt wahrgenommen.
„Don’t talk to her“ wies mich das Ross gleich beim Betreten des Zimmers an.
„Why, what’s the matter with her?“ flüsterte ich.
„She’s been through hell“ erwiderte das Ross in normaler Lautstärke. „The lady is patient from abroad, from G. She was purified. As little girl. “
Ich fürchtete, ihre Kasernenhofstimme könnte die schwarze Dame erschrecken, doch diese rührte sich nicht. Sie war sehr ruhig unter dem Laken und schmal wie ein Kind.
„Purified?“ fragte ich leise.
„That’s how they call it where she comes from.“
„And who are they?“
„The women with the blades.“
Da dämmerte es mir. Noch jetzt zieht mir die Schamesröte über die Wangen, wenn ich daran zurück denke. (Wie stumpf kann man sein, Doktor?) Ich hatte von diesen Dingen gehört; erst einige Tage vor meiner Abreise war mir ein Buch in die Hände gefallen, Sie wissen schon, eines von der Art, die das wirkliche Leben abbilden, doch ich legte es fort. Es handelte … davon. Muss man solche Dinge wissen, muss man Anteil nehmen? Oder überlässt man diese Frauen ihrem Schicksal?
(eben… die Katze ist wieder im Fenster!)
„The surgeon opened ..“ hub die Krankenschwester an.
„Would you please be discret“ unterbrach ich. Und schämte mich für sie.
Das Bett der dunkelhäutigen Dame stand nicht mehr im Zimmer, als ich aus meiner eigenen Narkose erwachte, nur der scharfe Duft des Desinfektionsmittels stand noch in der Luft. Was tun wir uns gegenseitig an? Und was tun wir, indem wir nichts tun.
Ach, Doktor. Wir Frauen. Oft sind es keine Laken, sondern Mühlsteine, unter denen wir liegen.
Oh, es klopft ! Einer der ewig unsichtbaren Bediensteten etwa?
Ich haste zur Tür (ach, wären doch Sie’s!)
Meine Grüße! Sie fliegen…
Ihre
L.
Meine Zeit hier neigt sich dem Ende zu; ein paar Tage noch. Will noch gar nicht an die Abreise denken, weil mir das Jetzt sonst wegkullert wie Quecksilber aus einem zerbrochenen Fieberthermometer. Was vielleicht ein ganz gutes Bild ist. Solange es im Glas geborgen nur steigende und fallende Temperaturen signalisiert, ist es ungefährlich: zerbricht aber das formende Gehäuse, hat man keine Chance, es wieder zusammenzukriegen.
Mein Ort hier ist ein Fieberthermometer, ist ganz Vergegenwärtigung. Die Vorstellung, mich heimwärts und wieder wieder ins Nacheinander begeben zu sollen stimmt mich melancholisch. Was ein echtes Kunststück ist, melancholisch werden hier, das Gefühl passt überhaupt nicht zu dieser irren Sonne. Die ist tatsächlich von solche Kraft heute, dass man denkt, sie kommt gleich mal runter und nimmt auf einem Platz. Man hätte nur noch Zeit für ein unbedeutend winziges Geräusch vor dem Verpuffen.
Was ich heute tun will? Ich wollte eigentlich, als Fortführung meiner Antwort auf Hans1962 Kommentar, ein paar Worte zu meinen inspirierenden Webnachbarn schreiben. Werde ich mir aber für später aufheben: das führte gerade zu weit weg aus dem Augenblick.
(Mann, mann mann, wie die Vögel heute singen! Doch selbst deren feine Stimmchen klingen bei dieser Hitze, als käme jedes von ihnen unter einer Miniatursonne hervor, verflüssigt, verflachzwitschert, als gäbe es in dieser dichten, heißen Luft hier nicht genug Platz für Töne)
Was sonst? Schreiben. Ein paar Zeichnungen machen. Am Flus sitzen. (auch sein fehlendes s ist der Sonne geschuldet)
Wir sprechen uns, werte Leser:innen. Wenn Sie mögen. Und nicht aus Versehen verpuffen. Ich kann das meinerseits nicht gänzlich ausschließen.
15:29
Jahrmarktstimmung in der Stadt; das bevorstehende Spiel scheint die Gemüter zu erhitzen. Lasse mich anstecken. Überlege ernstlich, einen Live-ticker einzurichten. Live aus K****!!
15:42
Hab’s mir anders überlegt. Nicht wegen der fehlenden Expertise (ich sage nur E.g.s.g.), sondern weilmir die Finger ständg von der Tastutur glitschen. Da sehn Sie’s. Ist unmölich.
18:45
Gut, dass ich das gar nicht erst v e r s u c h t habe!!!! : )
Wenig Engländer hier im Stadtteil. Vielleicht momentan besser so.
Sie ahnen nicht, liebe Leser, womit mein Tag beginnen wird: Mit einem Besuch in dieser nahe gelegenen Schule. Vielleicht erinnern Sie sich, L. (die Kinder wirklich nur sehr bedingt schätzt) hatte über die Bälger geklagt in ihrem ersten Brief an Dr. Sago.
Da ist nun Fest heute, mit Aufführungen, Essen und allem drum und dran, wenn ich das richtig verstehe; ich sah gestern jemanden Plakate am Tor anbringen. Tja, eine gute Idee, L. zu piesacken, oder? Wenn das Ganze denn öffentlich ist, doch das werd’ ich gleich rausfinden.
Solche Gelegenheiten sind mir eh die liebsten: als Touristin bin ich völlig ungeeignet. Die Sachen, nach denen man mich fragen wird, wenn ich zurück komme, werd’ ich, fürchte ich, nicht gesehen haben. Ich suche mir nur immer Orte, an denen ich sitzen und beobachten kann. Oder liegend beobachten, noch besser. Am Fluss bin ich gerne. Das Ablaufen langer Strecken dagegen –
Nach der Schule lasse ich mich treiben.
L. hat ihren neuen Brief nicht ganz fertigstellen können gestern Nacht, da will ich mal nachsehen, wenn ich zurück bin. So gegen Abend.
Bis später! Haben Sie einen angenehmen Tag.
00:59
War klar, heute würde eine schlaflose Nacht werden. Der Mond sieht wie eine Orange aus. Riesig.