Weltkultur mit Ratte

Zugegeben, es gibt Erfreulicheres, als sich samstagmorgens um sieben Uhr aus dem Bett zu rollen, doch meine Schreibgruppe wartet im Weltkulturen Museum auf mich. Die Ratte, übrigens, ist Teil eines Objekts, das in einem Lagerraum neben unserem Seminarraum untergebracht ist. Manchmal gehe ich rüber und schaue, ob die Ratte ihre Gabe endlich abgelegt hat, doch sie muss sie festhalten, Jahr um Jahr.
Während ich meine Gaben loswerden darf.
Also los, Einsatz!

Schönen Tag, allerseits!
Lächelnd:
Phyllis

Leben nehmen

Ich komme darauf, weil drüben in Die Dschungel >>> gestern anlässlich des Freitods von Fritz J. Raddatz die Rede davon war. Und weil in der Diskussion um ein selbst bestimmtes Lebensende immer heftig Zündstoff freigesetzt wird, wie die Kommentare zeigen.

Auseinandersetzungen zu diesem Thema versteh’ ich, kann mich aber auf keine “Seite” schlagen. Muss an mir liegen. An meiner seltsamen Bereitschaft, mir den Tod vorzustellen. Klassischerweise frönt man Todesphantasien als Teenager und legt sie irgendwann im Laufe des Erwachsenwerdens ab. Hat bei mir aber nie stattgefunden, ich hab’ im Laufe der Jahre immer wieder über den Tod gesprochen und wie er sich idealerweise vollziehen sollte: mit meinem Vater schon Jahre, bevor er starb, mit meiner Mutter, obwohl sie hoffentlich noch ewig leben wird und auch mit meiner Schwester gelegentlich. Sprechen über Sterben ist für mich normal, einfach Teil meiner Vorstellungswelt. Wie gesagt, das mag eine familiäre Eigenheit sein.

Ich will in diesem Zusammenhang nichts sagen über in Heimen untergebrachte Menschen, denen die Erben auf der Bettkante sitzen. Und schon gar nicht nichts über den moralischen Druck, dem ein Mensch ausgesetzt sein könnte, wenn der Freitod nicht mehr tabuisiert, sondern zu einer Art verantwortungsbewussten Akts deklariert würde, sobald man “zu nichts mehr nütze” ist.
Hilflose müssen geschützt werden. Immer. Mit allen Mitteln.

Verzeihen Sie mir bitte, liebste Leser:innen, den schlichten Tonfall meiner Überlegungen. Ich kann nur einfach schreiben zu diesem Thema oder gar nicht. Vielleicht sollte ich’s auch lassen.

Aber.
Mir liegt etwas an der Vorstellung frei und bewusst gewählter Lebensabschnitte, wozu dann auch das endgültige Abschneiden des Lebens gehört, wenn der Zeitpunkt nach eigenem Ermessen gekommen ist. Das Bewusstsein dafür kommt nicht über Nacht, zumindest sehe ich es so. Sondern es begleitet einen mehrere, vielleicht viele Jahre. Bis man irgendwann sagt: Bevor mir der Verstand schwindet, verschwinde ich. Oder bevor ich unablässig auf fremde Hilfe angewiesen bin. Oder bevor die Schmerzen…
Es gibt so viele Gründe, wie es Menschen gibt, nehme ich an. Wichtig, für mich, ist das “bevor”. Also, sich für den Tod zu entscheiden, wenn möglich, bevor Fremde ins eigene Sterben mit hineingezogen werden. Das ginge. Vielleicht.
“Sich das Leben nehmen.”
Merkwürdig, oder? Die Doppelbedeutung.

Ich muss weg, bin verabredet. Schade, der Text steckt irgendwie noch in den Kinderschuhen.

Wie gemalt:

Die Drinks im Logenhaus. Das Sofa mit den beschwipsten Freundinnen müssen Sie sich einfach dazu vorstellen, denn: Wir. Machen. Keine. Selfies.

Schönen Tag, allerseits! Madame geht jetzt joggen, mit dem dicksten Kopf der Stadt. Egal.

Bin zu

verflixxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
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xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxt zum schreiben heute.

Ladybirds Zettel

… könnten glatt eine neue Rubrik werden.
Auf dem Schreibtisch meines Zimmers im Elternhaus sammeln sich immer Briefe, Formulare und ebendiese Zettelbotschaften an, die auf meinen nächsten Besuch warten.
Diese fand ich gestern vor. Ladybirds Haus, das muss gesagt werden, ist nur dicht am Kachelofen mollig warm: In den Zimmern heizt sie nur, wenn wer drin nächtigt. Dann geht’s.
Besser allerdings, man hat noch ein Bettfell. Gell. Das über der Wäschemangel. (Und wer jetzt nicht weiß, was eine Wäschemangel ist, hat noch nie in einem ordentlichen Landhaus gewohnt ; )

Plaisierchen

„… Aber du wirst angestarrt werden“, sagt die Freundin. „Wir wundern uns schon lange nicht mehr, C. und ich, aber für dich könnte es gewöhnungsbedürftig sein, wie sich die Leute dort gebärden.“
„Das macht mir nichts“ sage ich.
„Und im Thermalbecken vögeln sie andauernd. Sie lassen sich nicht einmal stören, wenn man Kommentare dazu abgibt.“
„Tust Du das denn?“
„- Ich? Nein.“
Aber K. sei kürzlich mit L. dortgewesen. Direkt neben ihnen habe ein Pärchen ineinandergesteckt. Da habe sie ganz laut gesagt, dass sie nicht wissen wolle, wie viel Sperma sie, also K., jedes Mal mit im Mund hätte, wenn sie aus Versehen in diesem Becken Wasser schluckte. Das Pärchen indes habe sich davon in keiner Weise beeindrucken lassen und einfach weitergemacht.
„Ts, wie Du redest!“
„Na, im Vergleich mit den Brutalitäten, die Kinder und Jugendliche heutzutage im Internet zu sehen kriegen, ist ein bisschen Vögeln im Thermalbad nicht wirklich schlimm. Sperma ist lang’ nicht so gefährlich.“
„Vor allem nicht in homöopathischer Verdünnung -“

Montag, Regentag, die Arbeit setzt wieder ein. Später Sauna. Scheint ja eine der ausschweifenderen zu sein. Mir selbst sind rotgeschwitzte Körper keine große Inspiration, aber jedem Tierchen sein Plaisierchen, wie meine Großmutter gesagt hätte. Wasser schluck’ ich trotzdem keins.

Guten Montag, allerseits!
Lächelnd:
Phyllis

Schmirgeln

Im Hafen wurde manövriert: Langsam legten sich die Frachter Seite an Seite. Gewaltige Schubkräfte versetzten das Wasser in Schwingung. Ich stand mit meinem Steuermann an Deck meines Schiffes. Auf dem Frachter zu unserer Rechten sah ich nur einen einzigen Menschen: Ein junger Mann, kaum zwanzig, saß auf dem Kapitänssessel. Durch das Glas der Führerkabine konnte ich ihn deutlich erkennen. Der Junge traktierte den Steuerknüppel mit großer Heftigkeit. Kurz dachte ich, das halten die Schweißnähte nicht aus, was der da macht. So brutal. Das ist ein Frachter, kein Traktor, mein Junge, du hast da zig Tonnen unter dir.
Bald lagen wir Seite an Seite. Ich ging zur Reling. Wollte unbedingt rüber zu dem Jungen. Als ich den rechten Fuß auf sein Oberdeck setzte, merkte ich, wie plötzlich mein Schiff unter mir wegzog. Mit dem linken Bein in der Luft hängend, malte ich mir den weiteren Fortgang aus: In ein-, zwei Sekunden würde ich ins Wasser stürzen und zwischen die Seitenwände geraten. Im Dröhnen der Motoren wäre mein Tod nicht lauter als das Geräusch, mit dem eine Frucht aufplatzt.

(Die Liebe, dachte ich beim Aufwachen, stirbt nicht im Sturm. Sondern beim Rangieren im Hafen, mon amour.)

Doch weiter.

Ich tändele in seinem Blick.
„Wenn ich mich freue, macht mein Körper irgendwelche Kleinigkeiten.“
„Ich weiß“, sagt Tusker.

(Mit was wir gespielt haben?
Mit schwachen und starken Verben. Adjektive mieden wir die ganze Woche über: Es war zu heiß, sie wären zerlaufen.)

Nebenan auf dem roten Tisch die Gewürze in ihren beschrifteten Beutelchen. Zimt, Koriander, Kreuzkümmel, Chillies, Curry. Safran und Pfeffer. Das letzte enthält ein fast weißes Pulver: „German machine“. Wozu es dient, darf ich nicht aussprechen.
Dazu eine kleine Flasche zähflüssigen Arganöls, von Hand gepresst, sehr teuer.
(Arganöl)
(Allein des Namens wegen gekauft)
Der Laden, zu dem uns der alte Mann geführt hatte, bestand nur aus einer hölzernen Theke. Drinnen war zwischen den Säcken gerade so viel Platz, dass sich zwei beleibte Menschen um die eigene Achse hätten drehen können.
Ich trug an diesem Tag das Gewand, das alle Frauen hier tragen. Es machte mich schmal.

„Es ist sehr schade, dass es keine Mini-Elephanten gibt. Ich wäre der erste, der sich eine Herde davon zulegen würde.“ (Tusker. Kurz nach der Siesta.)

Wie zart ein Blick werden kann, wenn man ihn lässt! Meiner, in den vergangenen Monaten, war so gezackt, dass er sich nicht mehr stillen ließ. Wer wäre da nicht aufgebrochen?
Wüste und Wasser.
Ich kenne kein feineres Schmirgeln.