Ungeklärt

Madame TT ist etwas verwirrt. Sei es ihre Lesung im Zuge der Vorstellung der Anthologie >>> „Irgendwas zu Afrika“ im Weltkulturen Museum gestern, sei es der Workshop mit der neuen Schreibgruppe, die Treffen mit Freunden und Kollegen: Alle Auftritte, Meetings und Begegnungen fühlen sich ein bisschen wie unter Wasser an, wie ein Tagtraum mit gedämpften Geräuschen und halb wahrgenommenen Gesten, aus dem sie irgendwann aufwachen wird, um wieder die Zügel in die Hand zu nehmen. (Will sie das überhaupt?)
Ein solch ausgeprägt undifferenziertes Grundgefühl hatte sie lang’ nicht mehr und sie weiß es nicht zu deuten. Ist es vielleicht gefährlich? Oder eines dieser diffusen Vorzeichen, die auf ihre nichtgreifbare Art dennoch anzeigen, dass bald etwas geschehen wird? Oder sollte?
Angenehm, jedenfalls, ist es nicht. Deswegen fliegt Madame, einer besonderen Einladung folgend, morgen für ein paar Tage ans Meer. An einen für sie sehr unwahrscheinlichen und unter anderen Umständen definitiv unerreichbaren Ort.
Falls ihr das alles nicht noch mehr die Sprache verschlägt, wird sie gelegentlich ein Lebenszeichen von sich geben, bis sie am Mittwoch wieder am heimischen Schreibtisch anlandet.
À bientot, mes amis.

Farah Days Tagebuch, 37

Dienstag, 22. September 2015

Trommelhaut

Und heute zweimal das Klopfen des Regens,
auf die Fassade meines Hauses,
#toktok
auf die
Wölbungen meiner Wörter,
gebäumt wie krispe, bräunliche Pferdchen, die sich den Zügeln entreißen in der Hoffnung auf – was?
Sie wittern den Herbst; mag sein, sie wehren sich. Niemand weiß ja, wie lang sie fallen,
ich meine, wie viel Zeit vergeht bis runter zum Rinnstein,
wenn’s regnet:
Meine kleinen Soldaten, seid Ihr endlich
im
Fluss (?)

– Bist nicht weniger begabt als ich.
– Ich schweig’ aber länger. Als säße auf jedem Satz eine Krähe, die ihn festhielte. Das Schlimmste wäre, sie nicht wiederzuerkennen –
– Die Krähen?
– Die Sätze!

Und eben erst wird mir klar, mich liebst du nicht einzeln, mich liebst du als
Spezies!
Ich war nie bedroht, stimmt’s? Nur unsere Wörter sterben aus.
Manche siechen ja lange, doch dann
sind sie down.

Jedes lässt noch einmal sein Leben Revue passieren und vielleicht fällt ihm ein weiteres zu, bevor es Grund erreicht, wer weiß das schon? Wir sind ja nicht mehr dabei.
Später im Park trete ich auf ein paar und merk’ jedenfalls nichts.
Tags darauf, endlich, male ich.
D a s ist Zeugung, Alter!!!
Es wird leicht, dich zu füllen, bist ja ergebener als ich jetzt, nur minus Triumph. Doch welche Frau wollte den Hohepriester ohne den Hengst? Da bisse man mal zu und zöge von hinnen.
#hit&run

(„More romance, please!“)
(„Okay -“)

Stunde um Stunde lauschte sie den Tropfen, die um ihr Haus tanzten. Als endlich der Morgen anbrach, griff sie nach ihrem Tuch und ging zum Fenster, das die Nacht über offen gestanden hatte. Sie ließ den Blick über die Dächer schweifen.
Auch du und ich sind nur Trommelhaut, dachte sie. Für den Regen, mon coeur. Und die Wörter. Doch wenn wir nicht gespannt bleiben, können sie nicht auf uns spielen.