Dieses Mädchen ist, Himmel sei Dank, nicht mehr mager. Doch sie war’s. Sie war, deutete sie schreibend an und erzählte auch später, mit fünfzehn so ausgezehrt, dass nichts mehr ging. Ich sehe dem Mädchen in die Augen. Einen Wahnsinnsblick hat sie, hell, klug, eine Sprache sprechend, von der andere Siebzehnjährige nicht mal was ahnen. Wer den Dämon der Magersucht überlebt – und das hat sie, sonst säße sie nicht an meinem Tisch – hat meine volle Bewunderung. Mir egal, wie aufgeladen ich klinge – es erschüttert mich einfach immer wieder, wie früh dieser Kampf, “richtig” auszusehen, schon losgeht. Und bis man in der Lage ist, diesem Druck mittels eigener Intelligenz, Vorstellungskraft und Lebenserfahrung ein “Ich bin!” entgegenzusetzen, kann die Selbstwahrnehmung schon schwer beschädigt sein. Aus eigener Erfahrung weiß ich, diese Marker kriegt man nicht mehr los, die einzige Möglichkeit, scheint mir, ist, mit ihnen zu arbeiten.
Jedenfalls ging mir dieses Mädchen nicht aus dem Kopf gestern Abend, während die Diskussion der Ausgewachsenen (Sie wissen schon, wo) um offensiv Weibliches kreiste. Ich spürte, was für ein Riesenbrocken das ist. Und dass ich ein Gespräch dazu gerne noch weiter führen würde.
So. Pause zuende. Weiter geht’s.
19:13
Eben muss ich an Stieg Larssons “Verdammnis” denken, ich sah die Verfilmung kürzlich im Fernsehen. Diese Frau, die Hackerin. Klein, tätowiert, misstrauisch, geschunden und wehrhaft bis zum Äußersten, eine Phoenixin, aus der Asche ihrer Jugend gestiegen, bei gleichzeitigem Verlust all dessen, was man heutzutage soziale Kompetenz nennt.
Die Trilogie von Larson ist, vermute ich, nur wegen dieser unkonventionellen Frauenfigur so erfolgreich geworden.
(Die Bücher sind übrigens schlecht geschrieben, finde ich; ich versuchte mich letztes Jahr mal daran und legte den Band nach dreißig Seiten weg)