Das Schaf zum Sonntag

Schaf ist besorgt. Es gibt so viel
Geflucht dahier und auf der Ziel-
gerade dieser Meute
dünkt es sich leichte Beute.
Wer schirmt es, wenn die Welle
erreicht der Koppel Schwelle?

Schaf ist verwirrt. Es äugt umher,
wägt Aufstand, Streik und Gegenwehr
es ruft nach Schäfer, Recht und Zucht
vielleicht nach Gott gar – ? Doch dann sucht
ein Fremdschaf heischend seinen Blick –
Und davon gibt es kein Zurück.

Selbstbeschwörung

VerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlust
VerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlust
VerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlust
VerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlust
VerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlust
VerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlust
VerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlustVerlust

(Und jetzt legt sich Madame mit ihrem Laptop zurück ins Bett und probiert mal, ob’s vielleicht auch mal wieder zu einem zusammenhängenden Text langt.
Ohne Zugzwang.
*lächelt*)

Namen sagen

Ich glaube an Vielfalt und Nächstenliebe. Ist kompliziert. Stimmt. Muss man aber irgendwie hinkriegen, sonst haben wir schlichtweg keine Werte Grundlage, die es wert wäre, verteidigt zu werden. Das Hinkriegen finge vielleicht damit an, dass man überall seinen Namen sagte und drunterschriebe. Die Flüchtigen müssen das auch ständig bei uns, nur erfahren wir deren Namen nicht – jedenfalls nicht vom Schreibtisch aus. Dazu müsste man aufstehen und Begegnungen suchen. Auch nicht einfach, doch im Vergleich zu dem, was die Flüchtigen gerade durchmachen und noch vor sich haben, im Grunde ein Kinderspiel.
Die erste Entscheidung wäre also sich zu fragen, ob man sich in dieser wechselseitigen Anonymität “richtig” fühlt oder nicht. Falls nicht, wäre es in den kommenden Wochen und Monaten vielleicht an der Zeit, vom Schreibtisch aufzustehen und Berührungspunkte zu finden. Ein paar Namen und Geschichten zu erfahren. Den eigenen zu sagen. Damit ist noch niemand satt oder geborgen, aber es wäre dennoch eine Handlung. Ich weiß nur eins: Solange wir unsere Namen nicht mit ins Geschehen werfen, schreiben immer andere in unserem. Dann stimmt die Zeichnung. Und das wäre schlimm.
Und wahrscheinlich trage ich damit Eulen nach Athen bei Ihnen, geneigte Leser:innen.

Farah Days Tagebuch, 38

18.10.2015

Fremdkörper

Und endlich Stille und die Wohnung ganz samtig für mich ohne zu überlegen, wie sich hier vielleicht doch ein Flüchtiger hineineinladen ließe dem ein Dach über dem Kopf fehlt, eine Frau vielleicht die endlich dringend den Lärm der anderen hinter sich lassen müsste nur gibt’s hier bei mir keinen Rückzug nicht einmal Türen nur fürs Klo alles ist offen und wir würden keine Ruhe finden weder sie noch ich die ich das Alleinsein so sehr brauche dass ich losweine wenn’s zu lange nicht passiert

Ein Weggefährte, dem ich kürzlich sagte ich bin privilegiert lachte leise auf,
– D u privilegiert? fragte er, ließ den Blick durch mein Arbeitszimmer schweifen als säh’ er’s zum ersten Mal.

Ja sage ich ich hab’ ein Zuhause und Zeit und Haut und nichts davon ist irgendwie bedroht und ich hatte immer welche um mich die wir trauen dir alles zu sagten bist klug und begabt und schön noch dazu und alle die JAHRE konnte ich in mir ausbilden, was mir entsprach meine Fähigkeiten und Feinheiten.
Manche haben nur ein paar Minuten dieser Tage bis ein Fremder ihnen sagt, was ihnen offen steht und was für immer verschlossen bleiben muss sowas ist mir noch nie passiert ich hatte so viele dieser Minuten und wenn ich’s verbockt habe machte an einem anderen Tag zu einer anderen Gelegenheit jemand einen neuen Zeitsack für mich auf.

Was brauchen wir, um über unsere Privilegien hinaus zu wachsen?
Ich immer nur Zeit und Stille vielleicht ein Flugzeug das über mich fliegt und da nicht drinsitzen zu müssen ich war schon immer am liebsten am Rand der Ereignisse. Reden ist nicht so mein Ding nicht um seiner selbst willen. Wenn ich rede will ich immer etwas aber das Nichtwollenmüssen ist der schönere Zustand weil da passieren Dinge die ich nicht geplant habe.
Heute Morgen wachte ich auf und dachte mein nächster Text wird vom freien Nichtwillen handeln er wird auch von der Gleichzeitigkeit handeln und wie man das aushält dass zwar außen scheinbar alles aufeinander folgt dass wir in Abfolgen leben und denken dass aber innendrin alles gleichzeitig ist. Die Seele kennt keine Kausalketten. Kennt weder Abschied noch Ankunft kennt kein Abwägen kein Archiv keine gordischen Knoten.
Die Seele ist die einzige Idee, die man nicht lernen kann. Sie bleibt immer Idee, wird nie Wissen, erfordert keine Handlung.

Farah weiß das anfangs noch nicht sie sucht nach einer inneren Logik. Sie macht das sehr gut sie hat Leute die ihr sagen wie gut sie es macht nur stellt sich heraus dass es gar nicht darum geht etwas gut zu machen sondern darum dass keine Handlung je abgeschlossen ist nicht wirklich. Im Inneren wächst alles weiter und nur weil wir nicht mehr hinsehen hinspüren weil wir längst etwas neues handeln wächst es dennoch die GANZE ZEIT WEITER und verschränkt sich mit allem anderen es gibt keine abgeschlossenen Handlungen weil es keinen Stillstand gibt das wird Farah irgendwann bewusst. Alles was sie irgendwann gefühlt und getan hat fühlt und tut sie noch immer.

Ich möchte dass sie alles auslebt was in ihr ist Gleichzeitigkeit UND Widersprüche. Sie ist viel radikaler als ich ich bin so oft blockiert von gleich starken Impulsen dass ich Amok gegen mich selbst laufen könnte vor Wut.
Farah brennt auch wie Hölle nur wissen das alle um sie herum von mir weiß fast niemand wie wütend ich bin ich spür’s ja kaum selbst nur wenn ich alleine bin richtig samtig alleine. Ich bin eine Beschützerin Beschützerinnen haben sich im Griff. Farah nicht sie lässt den Griff los
FARAH LÄSST DEN GRIFF LOS.
So. Das hätten wir schon mal.

Was mich wirklich fertig macht ist dieses Verstelltsein das immer auch ein Körperliches ist ich komm einfach nicht näher ran an meine Ideen an meine Kraft. Für eine Frau die weiß dass alles gleichzeitig ist ist das verdammt schwer zu ertragen vor allem, wenn sie die einzige ist die es merkt oder fast die einzige weil von außen meistens alles glänzt.
Weil ich ein Schlüssel bin und Schlüssel werden eingesetzt man selbst schließt andere auf man wird benutzt um andere aufzuschließen. Niemand fragt den Schlüssel ob der auch selbst ein Schlüsselloch hat und vielleicht unbedingt geöffnet werden will wäre ja eine abstruse Vorstellung und ABSTRUSE VORSTELLUNGEN werden von der Crowd nicht supported in diesem Land in dieser Zeit.
Tatsache ist, manche Schlüssel haben ein Schlüsselloch.

Wie geht es dir heute Morgen, Farah?
Ich hab grad’ gut gekackt, alles gut soweit.

Sie ist manchmal derb. Meiner Erfahrung nach sprechen ja nur Männer gern über ihre Verdauung aber sie macht das eben auch seilt ihre Stange ab jeden Morgen und erwähnt das auch sie ist Künstlerin ich hab’ ihr alles übereignet meine ganze Diskontinuität die ganzen Zweifel und Schmerzkram das ganze scheiß Höllenkonzert in meinem Kopf den Raben die Selbstvernichtung SIE muss es jetzt richten. Farah nur damit das klar ist hasst das Wort „kreativ“ noch nie hat sie’s in den Mund genommen gut für sie scheiß auf kreativ ich bin mit bravseinbringterfolg aufgewachsen das krieg ich nie mehr richtig aus’m System aber Farah lässt das Ursachewirkungsding völlig kalt sie braucht keine präzisen Wörter sondern einfach nur Wörter.
Meine sind eher Pinguine immer schön im Frack Schnabel nach vorne gemeinsam sind wir stärker. So d i e Nummer. Die wollen immer ganz viel und ich kann’s dann nicht einlösen.
Farah kann’s aber.