flirt du jour (comme les garçons)

Fünf Minuten vor Verstreichen der Frist tippt sie ein paar Sätze in den Touchscreen.
Schon einige Sekunden später leuchtet das Display auf.
»Ich bin erschöpft…«
»Das spielt keine Rolle.«
»Kennen Sie das, wenn man den Körper vergisst, weil man ein paar Tage nur nachgedacht hat?«
»Das ist mein Normalzustand.«
»Meiner nicht. Doch heute habe ich keinen Glanz. So kann ich Ihnen nicht gegenüber treten.«
»Wie Sie meinen. Was möchten Sie nun tun?«
»Mich baden, lesen. Ein Glas Cremant trinken.«
»Nein. Kein Buch. Lassen Sie nur die kleine, orangefarbene Lampe brennen. Dann rufen Sie mich wieder an.«
Sie erinnert sich an das Licht in der Herrentoilette, gelblich und sehr schwach. Wie er voraus gegangen war, um sich zu vergewissern, dass niemand an den Urinalen stand.

Sex grells

Bevor ich den neuen “flirt du jour” einstelle, der heute Nacht schon stand, den ich dann aber erst einmal ganz heraus nahm wieder am Morgen, weil von nächtlichen Kommentaren besudelt: ein paar Anmerkungen.
Wer wie ich künstlerisch – und vor allem in diesem durchlässigen Medium weblog – mit erotischen und sexuellen An-spielungen arbeitet, kann sich darauf gefasst machen, dass immer ein paar Spammer auftauchen, die das Angebot der Worte und Bilder benutzen, um sich auszutoben, sprich, um endlich auch mal öffentlich “ficken” schreiben zu dürfen. Sex grells, verblendet, legt Schlussfolgerungen n a h, auch die Autorin, die Künstlerin betreffend, die dieses Bezugssystem einsetzt.
Tauchte ein flirt du jour im Kontext eines Romanmanuskripts, eine erotische Zeichnung in einer Galerie auf, die Schlussfolgerungen wären andere: da ich meine Arbeit aber (auch) in Form eines weblogs in die Welt bringe, bleibt alles, was ich anbiete, privat, löst sich nicht von meiner Person.
Ist in Ordnung; ich hab’ mir das Medium schließlich selbst gewählt. Weil es schnell ist und an Unmittelbarkeit, in gewisser Weise, kaum zu übertreffen. Was glauben Sie, wie langweilig Ausstellungen sein können, als Künstlerin.
Man stellt sich neben sein Werk und erzählt immer wieder dasselbe, ertappt sich dabei, bereits ganze Textbausteine parat zu haben, die dann nur noch in Einschätzung des fragenden Gegenübers in Richtung zivilisiert oder radikal aufgespritzt werden. Ich hab’ das oft beobachtet, an mir, an anderen. Kaum ein Rezipient aber käme auf die Idee, die Künstlerin, die da in der Galerie neben erotischen Arbeiten steht, 1:1 mit den Figuren gleichzusetzen, die sie zeichnet.
Das ist hier anders. Weil, ein Weblog zu führen wie Tainted Talents, ein Akt aus dem privaten heraus ist und insofern immer den Anschein des exhibitionistischen in sich trägt, nein, es i s t auch einer. Nur: würde ich mir bei jedem Text, jeder Zeichnung überlegen, ob ich mir eben wegen jenes Aspekts “leisten” kann, sie öffentlich zu machen hier, ich könnte nicht mehr frei arbeiten.
Ich arbeite mit dem Körper als Mittel, mit Szenarios, Mehrdeutigkeiten. Mit Verstecken und Enthüllen. Auch mit vermeintlich pornographischem, das ist wahrlich als künstlerisches Terrain nicht ungewöhnlich. Was ungewöhnlich sein könnte, ist, dies hier, auf Tainted Talents zu tun.
Weil ich meine Beiträge hier, im Gegensatz zu klassischen Kontexten, immer wieder neu als das aufstellen kann, was sie sind: künstlerische Position.