Langer Atem

Nur Nachrichten gesehen die vergangenen Tage, gelesen, mit Vertrauten gesprochen. Einige Paris-Bilder heruntergeladen, die ich in späteren Schreibseminaren verwenden möchte: dieser Anschlag wird die Jugendlichen, mit denen ich arbeite, in den kommenden Zeiten sicher ebenso beschäftigen wie mich. Was mir immer wieder durch den Kopf geht dieser Tage, sind Ehre und Respekt. Wie viele meiner Kursteilnehmer:innen ihr Selbstbild und ihr Verhältnis zum Außen über diese Begriffe definieren.
Wie bekomme ich als junger Mensch Respekt von anderen, von der Gesellschaft, in der ich lebe, aus welcher Quelle entwicket sich mein Ehrgefühl? Ist die Gestalt der Demokratie eine vertraute für mich, gibt sie mir Kontur, macht es mich stolz, ihr anzugehören?
Ich halte mir die Gesichter der jungen Leute vor Augen, mit denen ich seit Jahren arbeite, ihre immer wiederkehrenden Themen und Fragen. Viele kommen aus Familien, in denen Religiosität selbstverständlich ist. Sie beziehen eine Grundkonstante an Stolz aus ihrer Religion.
Manche relativieren diese Prägung, wenn sie die Erfahrung machen, dass individuelle Leistungen und Einsichten die Lebensperspektive und den Blick der Anderen beeinflussen, andere verlassen sich lieber auf den Schutzmantel, die Werte ihrer Religion, viele versuchen, beides irgendwie unter einen Hut zu bringen. Was die komplizierteste Variante ist. Für die man Verbündete braucht, die nicht alle das Gleiche sagen, damit sich der eigene Meinungsbildungsprozess nicht immer aus den gleichen Wertetöpfen nährt. Es ist nicht selbstverständlich, ein individueller Geist sein zu wollen und für freies Denken einzustehen, man muss den Sog darin spüren. Die Angst annehmen, die immer mitschwingt. An was halte ich fest, was lasse ich los, was will ich neu schaffen?

Guten Morgen.

8 Gedanken zu „Langer Atem

  1. Auch guten Morgen! Würde bei Gelegenheit mal gerne sehr viel mehr über Ihre Seminare erfahren! Zumal die angesprochenen Fragen sich ideal für eine Seminarform eigneten, die ich selbst (mit Dr.Schmitt, versteht sich) …

    Hatte schon geschrieben: “Mit respektvollen Grüßen”, aber das klingt mir [a] unangebracht lustig im Kontext des Aktuellen und [b] so kurios als Wert (obwohl es sicher wert wäre, darüber nachzudenken, und ob’s einem nicht, versteckterweise irgendwie, eben doch wichtig ist und damit das Verständnis für jemanden verbesserte, dem’s in seiner Sprachkultur auch an der Sprachoberfläche wichtig ist).

    Schönes Wochenende!
    S.

    • Diese Gelegenheit werden wir dieses Jahr beim Schopfe packen, vorzugsweise im Frühling!

      (Das Bedürfnis nach Respekt, sowohl in der self-, als auch in der from others – Variante ist, glaube ich, ein kulturübergreifendes. An die Sache mit der Ehre komme ich schwieriger ran.)

    • Ich glaube, daß sich Respekt und Ehre gegenseitig ergänzen, wenn man Ehre nicht als Propagandabegriff in eigener Sache mißbraucht (um andere zu manipulieren), sondern eigentlich Ehrerbietung meint. Im Ganzen geht es also um gegenseitige Wertschätzung in einer Lebenspraxis, in der immer jemand mehr weiß oder weniger, älter oder jünger ist, eine andere Stellung in der Gesellschaft innehat und so weiter. Insofern ist das Einfordern von Respekt durch den Stärkeren gegenüber dem Schwachen schon respektlos, weil mißbräuchlich.

    • Na ja, ein Respekt, der “eingefordert” werden muss, ist in meinen Augen eh leere Hülle: Die Menschen, die ich respektiere, müssten niemals welchen fordern – und jene, die es nötig hätten, mir gegenüber darauf zu bestehen, nähme ich sowieso nicht ernst.
      Ich spreche von ausgewachsenen Leuten. Für Kinder und Heranwachsende gelten andere Bedingungen.

    • @Phyllis Ich hatte das eher auf Jugendliche und Heranwachsende bezogen, Erwachsene haben diese Phase ja hinter sich, auch wenn ja leider nicht jeder Ausgewachsene erwachsen ist – aber das ist dann ja wieder ein anderes Thema.
      Einen schönen Sonntag wünsche ich!

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