Lockstoff : Gleisbauarbeiten

Wir alle hier haben diesen nucleus. Bei manchen sieht er aus wie eine Feuerstelle. Eine Praxis oder ein See. Ein Urwald. Andere haben Netze. Es gibt Paläste und Nester, Ashrams und private kleine Vorführräume; er kann jede denkbare Gestalt annehmen.
Es ist eine Kunst, solch einen nucleus zu bauen und zu füllen – man trifft harte Entscheidungen. Es darf nur einen geben und er muss eher kompakt sein als groß. Damit sich möglichst nur Essenzen dort verbinden. Selbst wenn diese erst dabei sind, welche zu werden. Wenn der nucleus zu stark anschwillt, wird er beliebig, füttert man ihn zu oft mit geliehenen Stoffen, wird er beliebig, überlässt man ihn allzu lang fremden Blicken, wird er ebenfalls beliebig: er braucht wirklich größte Aufmerksamkeit, um eigen zu sein.
Verdammt selten kommt es vor, dass sich diese Dinger einander nähern – so vieles muss stimmen oder auf die richtige Weise falsch sein. Wenn es aber geschieht, entsteht eine Konstellation. Da rückt etwas in die Nähe, das auf eine Weise vertraut genug ist, die Befangenheit zu nehmen und gleichzeitig fremd genug, eine Unruhe zu wecken. Sie, die Unruhe, ist das Gebot, nicht auf den eigenen Kissen einzupennen.
Das Geniale an solchen Konstellationen: sie vergewissern, ohne schlaff zu machen. Es ist mit ihnen wie mit dem Duft von frischem Brot, der durch ein offen stehendes Fenster herein zieht: er macht die Lust, er sagt, da draußen wird gebacken, ersetzt aber nicht den eigenen Ofen.
Manchmal braucht man ja einfache Bilder)

Soweit das, was sicherlich für uns alle gilt.

Lassen Sie mich einen dieser nuclei benennen, die für mich eine unwiderstehliche Anziehungskraft haben: Die Gleisbauarbeiten. Sie kennen Gleise und See: diese Orte sind keine geheimen mehr, könnte man denken. Für mich aber schon. Immer, wenn ich dort bin, habe ich diesen Eindruck einer nicht vergleichbaren Nähe.
Selbstverständlich ist das Projektion. Na und? Was anderes könnte es denn sein? Konstellationen entstehen durch Projektion; die ist erst einmal egozentrisch. Dann verwandelt sie sich. Manchmal.
Ich weise auf das Offensichtliche hin: das, was dort passiert, ist von hoher literarischer Qualität. In meinem Fall geht das oft so weit, dass es mich entwortet. Was schade ist, denn Melusine will ja andere nicht zum Verstummen bringen, nur weil sie eine feine Sprache am Leibe hat.
Das weniger offensichtliche, das, wofür man Zeit braucht drüben auf den Gleisen: wie dort alles Stoff wird. Wie sich Erlesenes und Erlebtes transformiert, wie Areale entstehen und all die unterschiedlichen Stimmen und Laute eine Gestalt bekommen. Fleisch werden. Das ist überzeugend, braucht aber seine Zeit; man muss da eine gewisse Hartnäckigkeit entwickeln. All die Spuren laden ein, ihnen zu folgen, verführen aber auch massiv dazu, eigene zu setzen. Denken Sie an das Brot.)
Wie sehr mich das anregt: Diese Struktur. Die Manifestationen. Ebenso wie das Verfahren: die Übersetzung von Innen nach Außen. Dort an den Gleisen unterwegs zu sein, schafft den seltsamsten Gegensatz zwischen intim und unpersönlich, der mir bisher im Netz begegnet ist. Danke dafür.

Go to: Melusine B. auf >>> Gleisbauarbeiten

62 Gedanken zu „Lockstoff : Gleisbauarbeiten

  1. so weit wie ihres liebeserklärung geht es bei mir bei keinem blog, aber in der tat, gibt es sehr viele, die anregen und manche, die einem sehr schnell ans herz wachsen.

    • @Weberin Ich hoffe nur, mein Text ist frei von Fallen – manchmal schlägt Anerkennung in etwas um, auf das man keinen Bezug nehmen kann, weil es irreal wirkt. Ich kenne das von mir selbst.

    • Gut, dass Sie nachfragen, vielleicht hab’ ich mich missverständlich ausgedrückt. Ich meine folgendes: es ist so eine Sache mit dem Loben und gelobt werden; es kommt auf’s richtige Maß an. Enthusiasmus wirkt schnell mal zuviel, und wenn, dann muss es ein fröhlicher sein: einer mit einem Augenzwinkern. Begeisterung ohne dieses Hintertürchen des Humors zu äußern sein ist hierzulande, find’ ich, gar nicht so einfach. Mir jedenfalls fällt das schwer. Ich befürchte immer, mich in einem Überschwang zu sehr aus dem Fenster zu lehnen, den anderen in Verlegenheit zu bringen.
      Das meinte ich mit “Fallen” im Text.
      Verstehen Sie jetzt?

    • danke für ihre erläuterung ah, das verstehe ich gut. es wird dann leicht pathetisch. aber ich finde das verkehrt. man sollte diese konvention durchbrechen. wir loben viel zu wenig in diesem land, einfach weil es anerkennenswerter scheint, zu kritisieren.
      allerdings sollte das lob, ebenso wie die kritik, einen klar benannten gegenstand haben, um ernst genommen zu werden.

    • ich will es mal für mich noch schärfer fassen: Ich finde es immer wieder merkwürdig, wie sehr in meiner Wahrnehmung das Loben mit dem Verdacht der Manipulationsabsicht verknüpft ist. Wenn ich jemanden lobe, hab’ ich oft die Befürchtung, man wird mir unterstellen, damit etwas bezwecken zu wollen. Das gilt insbesondere für Personen, die ich nicht wirklich kenne.
      (Also die meisten ; )
      Ich befürchte, jemanden mit meinem Lob zum Kind zu machen: ihn oder sie in dieses Muster zu versetzen, das Eltern anwenden, wenn sie ermutigen wollen. Das wäre dann – unter Erwachsenen – leicht als Überheblichkeit anzusehen. Die mir fern liegt.

    • die manipulationsabsicht kenne ich, das wird mir des öfteren unterstellt, wenn ich lobe, aber das ist ein unsinn. ich möchte nur ermutigen und erfreuen. ehrlich gesagt, kümmert es mich dabei eventuell zu wenig, dass viele menschen nicht umzugehen gelernt haben mit komplimenten. darüber sollte ich vielleicht einmal nachdenken.
      aber ihre befürchtung, phyllis, jemanden zu infantilisieren mit einem lob, kann ich ganz und gar nicht nachvollziehen. was vielleicht daran liegt, dass ich selbst kinder habe, und mir einbilde, ich würde sie, wenn ich sie lobe, ganz im gegenteil sehr ernst nehmen, und auf diesselbe stufe stellen wie mich, also wie meinesgleichen behandeln. nicht aus der erhöhung eines erwachsenen zu einem kind heraus.
      überhaupt halte ich kinder häufig für überlegen, gerade was kreativität angeht.

    • Na sicher sind Kinder überlegen, was Kreativität angeht. Ich glaub’ sogar, fast alle. Bin selbst reichlich gelobt worden für die meinige früher, doch sie haben sicher recht: als Erwachsene fehlt mir da, ohne eigene Kinder, ein Stück Selbstverständlichkeit.

    • Natürlich sind Kinder nicht per se überlegen, was Kreativität angeht! Das ist doch eine Mär, die sich Erwachsene zusammengebastelt haben, um den störenden Quatsch, den man früher selber genau so gemacht hat, überhaupt aushalten zu können. Wenn dem Kindesalter entwachsene Menschen das selbe tun wie Kinder, gelten sie ja, wenn sie es nicht zum Künstler gebracht haben, gemeinhin als grenzdebil, während Kindern immer und zurecht eine zukünftige Entwicklung zugebilligt wird, die viele vielleicht nur begrenzt haben werden.

    • Na, wenn wir zwei jetzt anfangen, über Kinder zu diskutieren, das kann ja was werden. Eines trotzdem: ich glaube wirklich, dass Kreativität sehr viel damit zu tun hat, wie unverstellt der Zugang zu den eigenen Ressourcen ist. Vieles ist ja einfach schon vorhanden, man kommt nur nicht dran, weil sich eine oder gar mehrere wertende Instanzen dazwischenschalten. Kreativsein ist ja kein künstlerischer Akt, es ist nur ein Zustand des Durchlässigseins. Und den, scheint mir, erreichen Kinder doch impulsiver als Erwachsene, wenn sie genug Futter bekommen dafür.

    • Störender Quatsch, Frau Werterin, ist all das, was Kinder tun, wenn es auf irgendeine Art und Weise andere stört. Sonst ist es nur Quatsch, ganz wertneutral. Auch Erwachsene können störenden Quatsch produzieren, wenn sie zum Beispiel unangemessen laut feiern, ohne sich an Regeln zu halten, deren Mißachtung man Kindern meist bis zu gewissen Grenzen nachsieht, weil sie noch Kinder sind.
      Was die Frage betrifft, was Kreativität ist, so ist das “nur ein Zustand des Durchlässigseins”, wie Frau Phyllis ganz richtig schreibt, ein je in sich funktionierender, selbstreflexiver Zustand, der wohl keinesfalls zu Vergleichen mit den Kreativ-“Leistungen” anderer herausfordert, auch wenn Eltern offensichtlich jeweils ihre eigenen Kindern für die allerkreativsten und überhaupt schlausten halten, weil sie in Elternliebe verblendet sind. Auch das ist Quatsch, sinnvollerweise von der Natur vorgegeben und nur selten störend.

    • um kreativ sein zu können brauche ich zumindest eine gewisse freiheit.
      beispiel klavier.
      ein kind kann überall draufpatschen und freude daran haben ( ich allerdings auch ) – das wäre eine form von freiheit, die aber eben noch nicht bedeutet “alles ist möglich”.
      alles ist nämlich viel mehr als patscherei am klavier, alles ist nämlich etwas, was man nie erreicht.
      man erreicht allenfalls einen grad an durchblick und handwerklichem können, der eben handlungsfreiheit darstellt und welcher allerdings die möglichkeiten von ausschliesslichen patschereien deutlich übersteigt.
      kinder haben doch allenfalls sone art unschuldige, unwissende spielfreude
      oje – muss ich das konkretisieren ?

      die eigenen ressourcen – das ist doch das eigene können.
      mit diesem können will man etwas kreieren.
      was soll da das wort durchlässig heissen – wo durchlässig ?
      im sensorischen – sprich : realität in’s gehirn reinlassen ?
      klar, das wäre für mich der erste moment von kreativität.
      der zweite moment wäre die künstlerische aufbearbeitung von sensorisch wie auch immer wahrgenommenem.
      das hat aer für mich nichts mehr mit durchlässigkeit zu tun sondern mit dem schaffen von künstlerischer realität ( kunst )
      und dazu braucht es meiner meinung nach handwerk oder ich verzichte auf freiheiten.
      ( s.o. )

      soweit mein senf dazu – wohl eher nws zusprechend

    • durchlässig heißt für mich, (noch) nicht verseucht von all den erwartungshaltungen und hemmungen, die die handlungsfreiheit und die freiheit zu denken, zu phantasieren, immer weiter einschränken, im laufe des lebens, durch erfahrungen usw. eine art unverstellter zugriff auf das unbewusste und die fähigkeit das so auszudrücken, ohne es vorheriger kritik zu unterziehen.

    • gut – kunst basiert allerdings auch auf klaren entscheidungen – wobei ich mich sicherlich auch dafür entscheiden könnte, ausschliesslich am klavier zu improvisieren und dieses improvisieren können stets handwerklich zu verfeinern.
      allerdings gehen verfeinerungsprozesse eher mit kompositorischer arbeit einher – mit dem ausarbeiten von variationen ( alternativen möglichkeiten in ähnlichkeitsbereichen von grundthemen, grundgefühlen oder so )
      aus erwartungshaltungen oder hemmungen kann man sich durchaus herausarbeiten wollen.
      eine hemmung ist doch eher mangelndes handwerkliches können, oder nicht ?
      ( eingeschränktheit durch ein defizit an fähigkeiten )
      das unbewusste in der musik ist für mich das : man drückt z.b. am klavier irgendwelche tasten und weiss noch nicht, welche töne jeweils kommen.
      hm – wahrscheinlich reden wir hier unbeabsichtigt ein wenig aneinander vorbei.

    • @Weberin Da entwerfen Sie aber ein sehr negatives Bild, in dem die notwendige und möglichst bald zu erreichende Beherrschung der sehr schnell auftauchenden Erwartungshaltungen und Hemmungen nicht berücksichtigt ist. Sich selbst und seine Handlungsabsichten einer vorherigen Prüfung zu unterziehen und dann adäquat zum eigenen Nutzen und Frommen zu handeln, heißt eben nicht, eingeschränkt zu sein, ganz im Gegenteil, erreicht man doch nur so eine möglichst große Autonomie, respektive Handlungsfreiheit. In Ihrem Bild erscheint die Welt der Erwachsenen wie ein Gefängnis, das immer fürchterlicher wird, was natürlich sein kann, aber nicht sein muß.

    • Ganz allgemein steige ich hier aus der Diskussion aus. Mir ist das alles zu theoretisch, zu intelektuell, um folgen zu können und zu wollen. Vermutlich bin ich zu kindisch für derart erwachsene Diskussionen.
      Gehaben Sie sich wohl.

    • @Weberin: Eigentlich wollte ich Ihnen ja schreiben, Sie sollten Ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, aber da Sie meine völlig sachbezogene (und wie immer ein klein wenig gewürzte) Antwort, die einfach nur ein weiterer Beitrag zur Diskussion ist, mit einer Beleidigung beantworten, die eher Ihr mögliches Gekränktsein oder auch den möglichen Zustand Ihres Selbstbewußtseins aufzeigen mag, will ich nun auch aus der Diskussion aussteigen, allerdings auf der anderen Seite.

    • naja – so langsam verstehe ich relativ selbständig hier den durchlässigkeitsbegriff.
      durchlässig sein heisst dementsprechend wohl sowohl durchlässig sein für informationen aus dem ausserhalb als auch durchlässig sein für die informationsausgabe aus dem innen ( dem gedanklichen und emotionalen innenleben des ich )

      das unbewusste verstehe ich fern meiner auffassung irgendwie nicht.
      das unbewusste ist doch etwas was mir nicht bewusst ist oder ?
      hm.
      ich selber hab ja oft schon schwierigkeiten, mit all dem klar zu kommen was mir mittlerweile – meist politisch – schon bewusst ist : wozu sollte ich mich mit etwas beschäftigen wollen, was mir nicht bewusst ist ?
      und wie sollte ich einen unverstellten zugriff auf mir unbewusstes erreichen können ausser es ist mir dergestalt unbewusst, dass ich vielleicht etwas nicht weiss und ich eine art lernbedarf habe ?

    • Die andere Seite ja, irgendwie haben sie da sogar recht. ich fühle mich dieser diskussion schlicht und einfach nicht gewachsen, was allerdings kein grund war, unhöflich zu werden. (damit meine ich mich und mein verhalten)

    • ich verstehe ihre sichtweise und argumentation überhaupt nicht, lobster und ich spüre, dass ich das auch gar nicht versuchen möchte, das ist vermutlich auch bequem und denkfaul und konfliktscheu, aber während diese vokabeln mit bewusst sind, und einer reflexion entspringen, ist dieses gefühl, was ich ihren ausführungen gegenüber habe, unbewusst, was nicht heißt, dass ich es nicht bemerke, nur, dass ich es nicht erklären kann, nicht ohne weiteres (und vielleicht auch nicht immer erklären will)

    • das innen ist doch etwas, was sich im laufe des lebens mit erfahrung füllt, mal von den gefühlen abgesehen.
      klar kann ich sagen – hey, ich bin dermassen angefüllt mit erfahrung, dass ich ja bloss noch möglichst ungehinderten zugang zu meinem innen brauche und schon sprudelt kunst raus, lass ich dieses innenleben frei.
      kunst ist aber eben auch das formulieren können, das gestalten können und das kann eben auch harte arbeit bedeuten.
      fantasieren muss ja nicht nur meinen, sich in fantastische welten zu versetzen sondern kann eben auch ein fantasievolles spielen mit formulierungsalternativen bedeuten, die man entwickeln will ( die kommen ja nicht einfach so, sag ich mal )

      naja, wollte gar nicht so viel quasseln heut.

      lieben tag

  2. Erst dachte ich: Das macht mich sprachlos. Aber mir wurde klar, als ich Ihren Dialog mit der Weberin las, dass schlichter und richtiger ist zu sagen: Es freut mich – und: Danke!

    • @all Spannende Überlegungen haben hier Platz genommen in meiner Abwesenheit. Immer wieder parallel auch die Frage des Umgangs miteinander; darf man provokativ sein, abgedreht, “gefärbt” oder soll sich eine Diskussion immer im Mittelfeld der Verfasstheiten bewegen.
      Bin gerade etwas matt vom Training und hänge eher in den Seilen, als Geisteskraft ins Feld zu führen.

    • @MelusineB Musste einfach mal gesagt werden. Ja, ich fand den Austausch mit der Weberin direkt darunter auch wichtig, und die Ermutigung, die ich aus ihren Worten las.

    • @Phyllis: Ich frage mich, wie ich Dinge sprachlich auf den Punkt bringen könnte, ohne andere Teilnehmer rauszukicken, was ja natürlich nicht meine Absicht ist. Nähme ich zum Beispiel einen nicht ganz genau passenden umgangssprachlichen Begriff statt des präzisen, so käme mir das vor wie Bogenschießen mit Fliegenklatschen statt mit Pfeilen. Außerdem könnte ich auf eine schwammige Aussage ja keine präzise Antwort erwarten, so daß sich das Schwammige fortsetzte, bis alle in Streit liegen oder ganz glücklich sind, weil alles so kuschelig ist. Was soll man machen? (Vielleicht handschriftlich schreiben?)

    • @Norbert W. Schlinkert Im Laufe der Zeit kennt man doch die Tonalität derer, die regelmäßig schreibend mitmischen und fühlt sich nicht mehr von jeder ihrer Spitzen persönlich angegriffen. Ich selbst gehöre ja zu den eingefleischt diplomatischen Temperamenten, fände es aber schade, wenn jemand wie Sie anfinge, sich zurückzunehmen. Wir alle wünschen uns, glaube ich, Vielgestaltigkeit auf TT. Ihre Anmerkungen zu Kindern und deren Eltern haben ja schon häufiger mal heftige Reaktionen hervorgerufen. Ich glaube dennoch nicht, dass hier so ein harscher Wind weht, dass in seinem Zuge Gäste “rausgekickt” werden.

    • Naja, die Weberin fühlte sich heute schon rausgekickt und hat völlig unpersönlich Gemeintes irgendwie persönlich genommen, zunächst jedenfalls. An heftige Reaktionen auf meine Beschreibungen von Kindern und Eltern kann ich mich übrigens nicht erinnern, ich habe ja auch niemanden verunglimpft, sondern nur die Wirklichkeit beschrieben, in der die armen Kinder leben müssen. Ich war als Kind jedenfalls viel freier und weiter weg von den Erwachsenen, und aus mir ist ja schließlich auch nichts geworden 😉

    • @Schlinkert Es ist exakt dieser, sagen wir mal: militärische (oder meinethalben auch: jägerische) Gestus, der sich mit dem Ausdruck “Bogenschießen” verbindet und sich unangenehm über Ihre jüngsten Einlassungen legt. Sie riskieren damit wortkriegerische Auseinandersetzungen, die aber nicht von jederfrau(mann) gewollt sind, ja sogar gemieden werden. “Rauskicken” geht als Ordnungsmerkmal für die beobachtbaren Vorgänge fehl, weil es nämlich das sportliche “w.o.” insinuierte. Dem ist so nicht. Außer anonymen Trollen werden Sie hier niemanden finden, der Ihnen “eins auf den Pelz brennen” wollte. Das halte ich übrigens für eines der vielen herausragenden Qualitätsmerkmale dieses Blogs.
      Auf den Punkt lässt sich’s auch mit einem spitzen Bleistift, 9B, kommen.

    • Die Weberin fühlte sich nicht “rausgekickt”, sie fühlte sich schlicht unwohl, vielleicht auch überfordert, mit dieser für sie ungewohnten art und weise des diskutierens.

    • @Kienspann / Richtigstellung Ich dachte selbstredend an sportliches Bogenschießen, auf Scheiben!!! Ich ess ja nicht mal Fleisch, da werde ich doch nicht auf Tiere schießen, auch nicht virtuell. Sie meinten’s wahrscheinlich leicht polemisch oder so, doch präzisiert und richtiggestellt werden muß es trotzdem.
      Ansonsten frage ich mich, was “w.o.” wohl heißen möge und warum Sie den Ausdruck “eins auf den Pelz brennen” benutzen, wenn Sie zugleich den des Rauskickens als unpassend empfinden, obgleich ich eben dieses ja verhindern will. (Die Weberin fühlte sich übrigens nicht rausgekickt, das war nur mein Eindruck.) Außerdem fühle ich mich nicht angegangen, und wenn doch, würde ich’s kundtun, auch wenn ich auf anderen Blogs es eher nicht sagen, sondern mich einfach still zurückziehen würde.
      Desweiteren gebe ich Ihnen recht, was die herausragenden Qualitätsmerkmale dieses Blogs angeht, und auch mit dem 9B-Bleistift haben Sie nicht ganz unrecht, obgleich man diesen doch sehr oft anspitzen muß, was die Konzentration stören mag.

    • es lag mir fern, sie beruhigen zu wollen, ich kann es nur nicht leiden, wenn man in der dritten person von mir spricht und vorgibt, besser als ich selbst zu wissen, wie ich mich fühle.

    • @Weberin Unabhängig von Ihrer Absicht bin ich trotzdem auf eigene Kosten beruhigt, nachdem ich meinem Eindruck Worte verliehen hatte, die mir angemessen schienen, obgleich sie es nicht waren. Es wäre wohl übertrieben, deswegen in Sack und Asche zu gehen, denke ich.

    • frau weberin, jetzt muss ich sie mal was fragen – sie veröffentlichen doch in ihrem blog für meine begriffe texte, die viel poetischer klingen als ihre kommentare, oder sehen sie das möglicherweise anders ?
      die frage hier wäre, wie es zu solchen poetischen texten kommt ?
      sind das “erste takes” aus ganz bestimmten stimmungen, in welchen sie zugang zu ihrem unbewussten haben oder sind das überarbeitete resultate, ausgefeilte ergebnisse ?
      also können sie tatsächlich solche texte ohne nachzukorrigieren in dieser oftmals moussierenden gediegenheit ausgiessen ?
      fände ich erstaunlich.
      ( ich muss eigentlich an allem was ich mache meistens schwer basteln )

    • Ich finde es nicht indiskret, mich zwingt ja niemand zu antworten ich muss sie ihrem erstaunen überlassen. es ist tatsächlich so, dass die texte in meinem blog, so gut wie gar nicht überarbeitet werden. hier ein komma, da ein wort, aber sie reifen nicht. sie sind im moment des einstellens noch sehr frisch.
      und meine kommentare sind selbstverständlich nicht so poetisch, weil ich sie ja versuche bewusst zu schreiben. und nachdenke. manchmal nicht lange genug, das ist ein fehler, mit dem ich schon lebenlang konfrontiert bin.

    • Würde mich auch interessieren, auch weil es ja mit der Frage nach dem Schreibwerkzeug verbunden ist, die in dem SZ-Artikel gestellt wird. Vielleicht erst 9B-Bleistift, dann Füllfederhalter und dann Tastatur? Indiskret ist die Frage aber schon ein wenig, auch wenn, wie ich im Moment sehe, die Weberin das nicht so sieht! Ich scheine dauernd mit meinen Einschätzungen daneben zu liegen – das hat was, finde ich!
      http://www.sueddeutsche.de/leben/deutscher-alltag-tastaturen-die-slips-der-poesie-1.1112141

    • Diese Präzisierung, lieber Schlinkert, ist zu respektieren, selbstverständlich. “Selbstredend” ist’s freilich keineswegs, dass Sie das “sportliche Bogenschießen auf Scheiben” meinten, zumal wir uns nicht persönlich kennen und es überdies am Kern der Sache wenig änderte: Wir halten uns immer noch in der Metapher des (Wett)”Kampfes” auf. (“walk over” bedeutet die Abkürzung “w.o.” übrigens, das ich mit dem Ausdruck “rauskicken” verband)

    • naja – ich würde sagen, da sind sie zu einem ziemlich homogenen stil wahrscheinlich qua gefühl gekommen, welches so gut wie nicht nachkorrigieren muss, echt erstaunlich.

      also ich selber muss ja ständig anders schreiben ( und dabei oft umstellen und so ), gut ich schreibe ja nicht viel – bei der musik kenne ich das allerdings auch und meistens gefallen den leuten meine spontanen ( lyrisch-weichen ) improvisationen besser als meine ausgedachten basteleien, naja.

  3. “Tastaturen sind die Unterhosen der Poesie.” Wenn das stimmt, stimmen dann die Lobeshymnen auf egal welche Blogs & Sites? In bezug auf die Gleisbauarbeiten ist die Hymne sicher berechtigt, auch wenn mir das Foto mit den Gleisen nicht gefällt, es ist mir “zu schnell”; ich hätte lieber eines aus dem Wilden Westen, vielleicht so ein kitschiges Aquarell mit Gleisbauarbeiten im Vordergrund und einem Indianerangriff, auf den der erste Arbeiter vorne rechts zuerst aufmerksam wird. Aber das ist Geschmackssache, und alles andere gefällt mir ja.
    Doch die Frage steht im Raum: kann man auf der Tastatur bestimmte Dinge nicht, die man dafür handschriftlich kann oder (können) könnte. Ich selbst habe ja ganze Leerbücher auch großen oder sehr großen Formats mit dem Füllfederhalter vollgeschrieben (Geschichten und Entwürfe, dazu oft Zeichnungen), wohl wissend, daß das nie einer drucken wird und die Originale “nur” als solche bestehen. Sicher, man könnte das meiste einscannen und ins Netz stellen (wenn man einen Scanner und viel Zeit hätte), dennoch aber fehlte das haptische Moment, es läge nicht schwer in der Hand und röche nicht nach Papier.
    Verhindert die Tastatur also bestimmte Schreibweisen, bestimmte Ideen, die vielleicht nicht fehlen, weil sie niemand mehr überhaupt erwartet? Kann man heutzutage Gedichte mit der Tastatur schreiben, Romane mit der Hand? Tut das jemand!? Fragen über Fragen!
    http://www.sueddeutsche.de/leben/deutscher-alltag-tastaturen-die-slips-der-poesie-1.1112141

    • Das hat sogar viel mit dieser Diskussion zu tun, denke ich, denn immerhin wird ja fast alles hier im Netz, auch die oben zu recht belobigten Gleisbauarbeiten, mit der Tastatur hergestellt, und da die Art des Werkzeuges für die Qualität eines Produkts ebenso wichtig ist wie das Material, finde ich die Frage spannend und passend. Es geht ja auch um die Dinge, die eben nicht im Netz stehen können, obwohl die Idee da ist, das richtige Werkzeug aber fehlt.

    • @Norbert W. Schlinkert In dem von Ihnen verlinkten Artikel wird ja das Handschriftliche und das Notizbuch gleichgesetzt mit der Sehnsucht nach etwas auratischem, soweit ich das in Erinnerung habe. Der Sehnsucht nach den Möglichkeiten, die man hätte, wenn man denn nur etwas … [hier bitte beliebig ein Wort einfügen] … wäre.
      Dass Lyrik und Poesie oder Genialisches im Handschriftlichen besser aufgehoben ist, halte ich für eine sentimentale, dazu absichtlich provokative Behauptung des Blattes. Mehr noch stört mich dieses Bild der Unterhosen im Vergleich mit Dessous, auf das Schreiben im Netz angewendet: da tritt für mein Empfinden wieder diese Überheblichkeit zutage, die alle Netzschreiber als prosaisch verunglimpfen will. Ich sehe das anders. Und hoffe, das Netz wird irgendwann ein ebenso normales und geachtetes Veröffentlichungsmedium sein wie das Buch.

    • @Phyllis: Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, in allen Punkten! Ich habe den Artikel auch nicht verlinkt, weil ich ihn stimmig finde, sondern weil das Thema der Produktionsweisen und auch der Veröffentlichungsmöglichkeiten diskussionswürdig ist. Ich denke, die Zeit, in der ein Medium das andere ablösen konnte, ist vorbei. Alle Medien werden parallel ihre Berechtigung haben, nur der Stummfilm scheint wirklich tot zu sein, was schade wäre. Wahrscheinlich aber werden bald schon wieder handschriftliche Briefe “in Mode” kommen, so wie ja auch noch und wieder Schallplatten gehört werden. Und was das Netz als Veröffentlichungsmedium angeht, so denke ich, daß das ein gangbarer Weg sein wird, so wie auch books on demand, wahrscheinlich schon in naher Zukunft. Veröffentlicht nicht Frau Jelinek einen “Privatroman” im Netz, obwohl sie doch sicher alles auf dem Buchmarkt unterbrächte?

    • wenn ich von einem instrument und dessen eigenschaften ( dem eigenleben eines instrumentes ) ausgehe und das mit improvisation verbinde so könnte ein teil der fragen berechtigt sein.
      man kann die eigenschaften eines instruments durchaus bewusst fühlen wollen und dem instrument ( der seele des instrumentes ) sozusagen selbst teile der improvisation überlassen.
      ( man drückt sozusagen dem instrument dann nicht seine ideen auf sondern nimmt das instrument wahr und lässt es für sich sprechen – soweit das geht )
      ich bildete mir mal analog dazu ein, ein kugelschreiber kann das schreiben anders als ein füllfederhalter beeinflussen oder sowieso anders als eine schreibmaschine ( und dann auch wieder von schreibmaschine zu schreimaschine verschieden ).
      das werkzeug schreibt mit sozusagen, sei es optisch, sei es haptisch.
      augenfällig beim schreiben am computer ( auch beim schreiben von musik ) sind die endlosen nachkorrekturmöglichkeiten, ohne dass dabei auch nur ein durchstrichenes zeichen entstehen muss.
      meiner meinung nach hat sich vor allem filmmusik seit gebrauch des computers irgendwie & so im allgemeinen verfeinert.
      man muss nicht mehr der ( studierte ) crack sein um qualitativ hochwertige musik zu machen am pc, es reicht wenn man sich einigermassen auskennt und / aber vor allem fleissig ist, zeit aufbringt.
      naja, ein paar gedankensplitterchen noch soweit.

    • @Lobster Vor ein paar Jahren, bei afrikanischem Dauerregen, brach mal mein Laptop zusammen. Un-erweckbar. Also ging ich in einen Laden, kaufte mir ein großes Buch mit leeren Seiten und fing an, nach Jahren mal wieder mit der Hand zu schreiben. Nach einer überraschend kurzen Eingewöhnungsphase ging das großartig, ich schrieb wie in Trance, nein, schrieb in Trance, sah meiner Hand zu, die da vor mir herschrieb, liebte meine Handschrift, meine Gedankengänge. Ich trug dieses Buch ständig mit mir herum wie ein Heiligtum. Auch, nachdem ich wieder zuhause war, füllte ich noch einige Seiten; dann hörte das wieder auf. Und nichts, keine einzige Zeile dessen, was ich da geschrieben hatte über mehrere Wochen, habe ich seitdem wieder gelesen, oder gar abgetippt. Weil ich mich von diesen handgeschriebenen Zeilen in meinem “normalen” Leben nicht mehr repräsentiert fühlte: Mein Denken – jenes, das ich ernst nehme – ist ganz verwoben mit den Möglichkeiten des Computers.

    • Tastatur und Stift Nur als Informationssplitter (zu dessen Deutung ich selbst jetzt nicht beitragen kann – ich beschäftige mich mehr mit Schreibtisch-Schreibern vs. Sessel-Dichtern): Ich schreibe viel mit der Hand (habe einen häßlichen Hornhauthubbel am rechten Mittelfinger davon, der nie ganz verschwindet). Überall. In alle möglichen Kladden. Alles was ich so höre. Ich schreibe mit. Mit der Hand. Mit der Tastatur schreibe ich es weg. (Jetzt habe ich doch angefangen den Vorgang zu deuten…Verdammt!)

      (@Lobster – die Stifte sind mir egal, glaube ich, ich nehme, was ich greifen kann)

    • versteh ich gut.

      ich schätze strukturale arbeit weitaus mehr, als eine verinnerlichende beschäftigung mit meinem instrument ( okay, ich hab ja nur meine honkytonksugarqueen hier – mein altes, träges aber dennoch liebes flügelchen ).
      und die möglichkeiten, die der computer beim schreiben bietet, eben!
      man kann damit so wunderbar herumspielen!
      ja genau, das denken und die selbstrepräsentation scheint sich dabei auch zu verändern.
      mich hat der computer eigentlich vor allem ordentlicher gemacht ( na gut das gelegentliche saufen oder drugs nehmen hat er mir nicht abgewöhnt :))

    • @MelusineB So weit, dass Sie ein Blöckchen in der Hosentasche mit sich führen und heimlich Kneipengespräche mitschreiben sind Sie aber noch nicht, oder?
      Soll ja Joyce so gemacht haben. Doch der hatte woh auch pludrigere Beinkeider mit geräumigeren Taschen ; )

    • naja, melusine, ich spreche heute halt meinem instrument ( oder meinen werkzeugen ) nicht mehr soviel einsprachemöglichkeit zu wie früher mal – aber deshalb fühle ich mich nicht unbedingt unsensibler, halt irgendwie anders sensibilisiert, naja.

      und ebenfalls p.s. – mit drugs meine ich ja nur kiff und nix hartes.

    • Doch… ich hab´ Moleskins in allen Größen. Und ich schreib mit, was die Leute reden. Auch in Kneipen. In der Bahn. In Meetings. Im Fußballstadion. Bei Trauerfeiern. Ich bin da wirklich skrupellos. Splitter. Und was mir im Kopf rum geht dabei. Und Blicke. Outfits. Möbel…. (Meine Hosen, meistens trag ich aber Röcke, sind zu eng. Ich gehöre zu den schrecklichen Frauen, die immer eine Handtasche dabei haben.)

  4. @loben: darf man, soll man, und fällt auch mir trotzdem oft schwer. weil ich mich gerade im privaten bereich dann auch durchaus oft so fühle, als wäre ich sozusagen die “beurteilende”, und dem anderen keinesfalls das gefühl geben möchte, mich damit über ihn zu erheben. ich wundere mich gerade, wieso mir das als vorgesetzte (da darf ich, soll ich, muss ich) oder als rezensentin (da darf ich, soll ich, muss ich aber nicht) so viel leichter fällt …
    ihr lob an melusineb ist jedenfalls ein ausschließlich wertschätzendes und genau so wird das von mir als reichlich stille und zugegebenermaßen sporadische leserin geteilt.

    • @La-Mamma Sehen Sie, das schrieb ich weiter oben auch schon einmal: diese Unsicherheit, ob man mit einem Lob nicht unabsichtlich ein Gefälle schafft. So ein Unfug! Nur, wenn es als “Format” von Verhalten erwünscht und abgesichert ist, geht man bedenkenlos damit um. Dennoch, ich habe heute den Eindruck gewonnen, dass die Lust der TT-Kommentator:innen am Loben und Gelobtwerden keine verschämte ist, auch wenn’s ein paar Unstimmigkeiten gab zwischendurch.

  5. “Der Duft von frischem Brot, der durch ein offen stehendes Fenster herein zieht…” Die Idee von Freundschaft verbinde ich mit der Imagination dieses wehenden Brotduftes, mit dem wir einander erfreuen. Mit dem Bild der Kerne ist auch das Alleinsein schön gefasst, finde ich. Verbindungen gibt es nicht, bloß Nähe.

    • Lieber Kienspan, schön, dass Sie meine Bilder noch einmal aufgreifen. Und ich stimme zu: Verbindungen sind, als Tatbestand, immer heikel, weil sie diesen Anspruch auf Beständigkeit in sich tragen, der sich dann oft nicht einlöst. Nähe hingegen will immer wieder neu initiiert werden, ertastet und gekostet, das braucht ein immer neues Zu-neigen und fühlt sich für mich realer an.

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