Himmeltrommel

Als ich gestern meine Runden zog, hörte ich etwas klingen, so weich, so rettungslos lieblich, als machte jemand mit Bommeln aus Angorawolle Musik. Ich war in der dritten Runde, stieg eben mit heißer Haut den Hügel hoch, ich war mir eines jeden meiner Schritte gewahr, wie die Zehen in den geräumigen Schuhen sich spreizten, hephep riefen, ihrer Wuseligkeit im Schuh, rechter Fußballen, linker, schön abrollen dann, den Zug spüren vom Miteinander der Muskeln, die den Fuß tragen, hinauf, über die Wade, nach vorne kippen ein wenig jetzt,
komm’ schon,
in den Berg neigen, die Kraft spüren bis hoch in den Glutaeus Maximus, diesen mächtigen Muskel, der die Arschbacken formt, rechts, links, Rücken (Atmen nicht vergessen), das Päckchen der Bauchmuskeln nach innenchchchch ziehen, der Wirbelsäule entgegen, ich war auf dem Weg zum

Turbulenzen
zulassen

Gipfel,
als da die Bommeln in der Luft hingen auf halber Höhe, und da saß einer.

Von so etwas nehme ich Notiz.
Wenn etwas anders ist.

Ein Instrument wie seines hatte ich nie gesehen, sah aus wie ein umgekehrter Topf, wie der Bräter, nur in rund, in dem bei mir zuhaus’ immer die Gans gebacken wird, zu Weihnachten; ich warf einen kurzen Blick darauf, einen zweiten auf des Mannes leises, konzentriertes Gesicht, seine Gestalt, wie er dort unter dem Baum saß, seine Hände, seinen Rhythmus und

rannte weiter

hoch zum Pavillon, denn es war etwas in der Art, wie er die Bommeln auf dem Bräter tanzen ließ, das ich nicht unterbrechen wollte mit unangemessener Neugier, nicht, wenn eine achtsam wäre, nicht, wenn

da ein Kind kommt an der Hand seiner Mutter. Die haben nicht

Schnitt.

Ich mache kehrt, nun, da der Zauber ohne mein Zutun gebrochen ist, der Fremde dem Kind bereits die Bommeln in die Finger gelegt hat, auf dass es seine Kunststückchen mache, die Mutter, lächelnd, nahbei, ich seh’ das alles von oben, springe in siebenundfünfzig Schritten nach unten, stell’ mich dazu, betrachte den Mann, mache mich schmal, warte, bis der Junge endlich die Patschehändchen hochnimmt.
Verzeihung, aber, hat Ihr Instrument einen Namen, frage ich.

Diese hier, sagt der Mann, heißt Skydrum. Ich habe sie erfunden. Er hebt sie hoch, damit ich ihren Bauch sehen kann.
Erkennen Sie es?
Ich nicke. Ich weiß nicht, warum ich nicke.
Das Kind hebt wieder an.
Ich sehe, dass ungefähr neun Schlitze oben in der Skydrum sind, diagonal, manche nur ein paar Zentimeter lang, andere

Jetzt bin ich mir bewusst, dass …
Vielleicht irritieren mich Kinder deswegen so oft. Weil sie sich nicht vornehmen müssen, im Moment zu sein.

(Was „muss“ ich tun? Was „muss ich tun“?
Nichts.
Nur gewahr sein.)

Es gibt nichts, das ich tun könnte außer Laufen, alles andere ist verbaut, ich hab’ keinen Fuß im Jetzt, ich bin verlegen. Ich laufe.

Heute morgen, gleiche Stelle, der Mann war nicht da. Er hat eine Website, ich hab’ sie ganz einfach gefunden, er heißt Jean-Francois und baut Instrumente, auf denen er mit Lichtstrahlen spielt. Im Ernst.
Ich wollte zurückgehen und sagen: Das erste, was ich dachte, war, dass
(Vorhang)
Er hätte genickt. Und mir, vielleicht, noch einmal den Bauch der Skydrum gezeigt.

(Du schälst einen Apfel. Jetzt stell’ Dir vor, der Apfel schält Dich.
Lass das Bild wieder los.
Nimm wahr, was anders ist.)

Draußen geht die Post ab. Übermorgen ist der 14. Juli, die feiern sich schon mal ein.

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