Fahnenlesetag

Was Frau Torik mit “Das Geräusch des Werdens” schon >>> hinter sich und Herr Schlinkert noch >>> vor sich hat, ist bei mir diese Woche dran: Den Buchblock zu “Fettberg” durchgehen. Merkwürdig – so fertig gesetzt bekommt der Text plötzlich Autorität. Fettberg wird ein 240 Seiten Taschenbuch!
Ich hab’ sehr große Lust, Ihnen zu schreiben, warum Sie es lesen sollten, doch die Zeit drängt… übermorgen muss das Ding wieder beim Verlag sein, also verschieb’ ich das Appetitmachen ein bisschen.

Schönen Tag, allerseits : )

13:52
Tainted Talents hat sechzehn Prozent Leser aus den vereinigten Staaten. Sind das Suchmaschinen, weil ich so häufig englische Titel verwende?
Und nur noch 55% kommen aus Germany! *Kopfkratz*

Oh jegerl, ich muss zurück an den Text. Dabei bin ich in einer solchen Spiellaune heute. Grr.

31 Gedanken zu „Fahnenlesetag

  1. Liebe Phyllis, ich freu mich schon auf Ihren Fettberg!, den ich meiner Planung nach direkt nach dem Zauberberg lesen werde, es sei denn, ich schiebe Jean Pauls ‘Dr. Katzenbergers Badereise’ noch dazwischen. (Wann kommt Ihr Roman denn genau raus?) Leseplanung ist wichtig, wenn man nicht aus Vergnügen liest, sich dieses aber trotzdem sichern will. Ihr Fettberg ist jedenfalls in guter Gesellschaft.

    • Lieber Norbert, meine Güte, wie systematisch Sie lesen! ; )
      Fettberg kommt zur Leipziger Buchmesse raus. Und ich schlage vor, Sie lassen den Zauberberg weg. Oder lesen ihn hinterher. Meins ist nämlich ein fetziger Schmöker: Social Phantasy würd’ ich’s nennen. (Bei d e m Begriff dreht sich der Kollege Mann wahrscheinlich gerade im Grab um.)
      Womit ich nur sagen will, “gute Gesellschaft” müsste in diesem Fall elastisch interpretiert werden.

    • Liebe Phyllis, ich stecke ja schon mittendrin im Zauberberg, den ich nach 25 Jahren zum zweiten Mal lese. Ich stelle allerdings keine Ranglisten auf, sondern lese einen Schmöker als Schmöker, einen Krimi als Krimi und eine Wuchtbrumme von Jahrhundertroman als eben solche. Nebenbei, beim Warten oder Im-Zug-Sitzen lese ich zum Beispiel im Moment Haruki Murakamis ‘Norwegian Wood’ und bald dann Pete Dexters ‘Deadwood’, wobei letzteres ziemlich gut anfängt: “The boy shot Wild Bill’s horse at dusk, while Bill was off in the bushes to relieve himself.” Sie sehen, ich ein elastischer Leser, nur eben gut müssen die Bücher sein.

    • Nun, dann bin ich ja beruhigt.
      Obwohl “Norwegian Wood” meines Erachts Murakamis schlechtestes Buch ist. Ich empfehle “Mr. Aufziehvogel” und “Wilde Schafsjagd”!

    • Ich lese den Murakami ja auch nur um mein Englisch wieder ein wenig aufzufrischen, die Geschichte ist allerdings etwas trivial, die Konstellationen sind unveränderlich und damit allzu vorhersehbar. Von Pete Dexter verspreche ich mir da mehr, vor allem weil der Roman doch anders sein soll als die herausragende (und leider nicht zu Ende geführte) Fernsehserie. Aber diese Sachen lese ich ja nur nebenbei, in der Hauptsache lese ich bald den Fettberg. Ich bin wirklich gespannt wie ein Flitzebogen!

      [Leser in USA? Wahrscheinlich Leute, die Deutsch lernen wollen, um hier am merkelschen Wirtschaftswunder teilhaben zu können. Vielleicht sollte ich die Gelegenheit nutzen, diese Menschen vor Berlin zu warnen – es sei denn, man fühlt sich wohl in so einer Hauptstadtkulisse, was ja vorkommen soll.]

    • @Norbert W. Schlinkert Sie sind mit unserer Hauptstadt unzufrieden? Kommen Sie nach Frankfurt! Ein gemütliches Städchen, bewohnt von rauhen, aber tief untendrin herzlichen Menschen, die den Wert von Handwerk und Ackerkrume noch zu schätzen wissen! ; )

    • Ich weiß nicht so recht, in Kleinstädten fühle ich mich immer so beobachtet. Außerdem bin ich grade dabei, mir mit langen Spaziergängen mein mir eigenes Berlin-Gefühl zurückzuerobern. Das kann doch nicht wegsaniert worden sein! Oder?

    • *Hell auflachend* Wollen Sie die Bücherwurmin aus der Reserve locken?

      (ach, schade, eben sehe ich, Sie haben Ihren Frechdachskommentar wieder gelöscht. Ich lass’ diesen hier aber trotzdem steh’n!)

  2. hate to tell you that those visits (@13:52) most likely are googlebot-visits.
    (check for “mountain view, california” in your location statistics)

  3. Liebe Phyllis, ich habe es hinter mir, das ist richtig. War viel Arbeit, das Lesen der Fahnen. Das erste, was ich nach dem Abschluss gesehen habe, war, Sie erraten es schon!, ein Fehler. Ich habe gesehen, was ganz objektiv nicht da war. Und was war das erste, als ich das Buch nach dem Druck aufschlug? Ein Fehler! Ich habe gesehen, was nicht da sein durfte.

    Ich finde es erstaunlich, wie deutlich der Text sich durch einen anderen Satzspiegel verwandelt, durch die Veränderung der gewohnten Zeilenumbrüche und des üblichen Schriftbildes. Man sieht wohl nur zum Teil die tatsächlichen Worte, zum anderen Teil sieht man, was man sehen möchte. Das ist aber auch verständlich, man musste ja über den langen Zeitraum des Produktionsprozesses sehen, was noch nicht da war. Und der Leser sieht zum Teil seine Erwartungen an den Text und an die Autor_in. Und zum Teil sieht er sogar auch das, was die Autor_in beschreibt.

    Dieses Durcheinander ist, was man umgangssprachlich als Literatur bezeichnet.

    Viel Glück beim Lesen!
    Aléa

    • Liebe Aléa, ich bin ziemlich sicher, dass es mir genauso gehen wird: Der FEHLER wird mir sofort ins Gesicht springen und ich werde mir heimlich und öffentlich in den A… beißen, ihn nicht bemerkt zu haben rechtzeitig, und das Ganze wird nur durch WEITERE FEHLER relativiert werden können, die zu ignorieren NICHT IN MEINER MACHT stehen wird, und ein paar wohlmeinende Leute werden sagen, darauf käme es NICHT AN, aber ich werde es BESSER WISSEN und mir die HAARE ausreißen.
      Egal.
      Nein, nicht egal.
      Aber ich darf mich da jetzt nicht reinsteigern!

      Ihnen alles Gute für Ihr Buch!

      Phyllis

    • Früher, vor hundert Jahren und auch später noch hier und da, gab es am Ende der Bücher immer eine Druckfehlerliste, die sozusagen nachträglich erstellt worden ist. Ich habe mich immer gefragt, warum man nicht einfach v o r h e r noch einmal den Text durchgeht, anstatt ihn zu spät durchzugehen und dann auch noch eine Liste erstellen zu müssen. Aber wahrscheinlich hilft es alles nichts, der Druckfehlerteufel fordert seinen Tribut.

  4. In Buchform vertrieben, gewinnen Texte auf solch groteske Weise an Autorität, dass sich ein Hinterfragen lohnt, warum unser Wertempfinden derart manipulierbar ist?
    Arno Schmidt etwa hat es mir angetan, in welch großartiger Form sein Werk als “Bargfelder Ausgabe” heraus gegeben wird: da muss jede Kritik am Text auf den Kritiker zurückfallen, dass er eben zu schlicht ist, ein derartiges Jahrhundertwerk zu erfassen.
    “Nun endlich erscheint Zettel’s Traum, das Werk, das Schmidt auf einen Schlag berühmt machte, als gesetztes Buch. Jahrelange Arbeit von Setzern, Editoren und Korrektoren war nötig, um das komplexe Layout des dreispaltigen Romans mit seinen zahlreichen Randglossen in einen lesefreundlichen Schriftsatz zu überführen, ohne den Charakter des Überbuchs (Arno Schmidt) zu verändern oder seine Eigenheiten zu glätten.”
    Dabei wissen wir alle, dass solch literarischer Olymp tatsächlich ein Schattengewächs ist: Kaum eine Buchhandlung wird freiwillig die “Bargfelder Ausgabe” führen. Da muss nachgefragt, recherchiert, bestellt werden, als würde ich im Supermarkt nach einem Fetisch verlangen.
    Es ist also auch eine Frage, warum großartig verlegt wird, was gewiss begrenzt bleibt auf die “harte” Literaturszene?

    Es geht um Leiblichkeit, denke ich. Leiber, die Zettel absondern: Einkaufszettel, Merkzettel, Denkzettel. Leiber, von denen nichts als Zettel bleiben. Zettel, die für sich keinen Sinn ergeben, die zu Asche verdammt sind.

    “vise
    mind oll vice,
    body all virtue
    Wir? Ich?”

    Als Zettel in den Mund der sechzehnjährigen Franziska Jacobi geschoben zu sein, ist des Zettel’s Traum.
    Nun lassen Sechzehnjährige sich aber bedeutend schwerer erwerben als Bücher.
    Zettel, in Buchform zur Lebensform erhöht, bleiben daher wohl das Höchstmaß aller Leiblichkeit. Sowohl für die meisten Zettelschreiber, als auch für die meisten Zettelleser.
    Nur mit Mühe beherrsche ich mich, in der “Bargfelder Ausgabe” keine BIBEL zu erkennen, mit der noch kaum jemand im Bett war. Zettel, die in meine Zettel eindringen, die neue Zettel in mir gebären, Zettel, die sich in Buchform als Lebensform erlösen lassen.

    Ich Opi von einem Zettelschreiber, ich verfaulender Leib, wenn ich jemals willkommen sein werde auf Ihren Schreibtrainings für, von allen Zetteln heißumworbene, 15-26jährige, dann allein in Buchform.

    • @ChSchlesinger Zettels Leib in der Gigantenausgabe hatt’ ich selbst schon unter den Händen und siehe da: ein aus Wille und Stiftungsgeld gebundener Fetisch. Eben die Tatsache, dass es keinen triftigen Grund gab, ihn in die Welt zu bringen, macht ihn nun, da er da ist, ziemlich unwiderstehlich. Im Gegensatz zur Bibel soll er auch nicht dienen, sondern einfach nur sein, denke ich. Gemein ist beiden der Anspruch auf Unumstößlichkeit.

      Sie brauchen mein Schreibtraining, übrigens, ganz offensichtlich nicht mehr ; )

    • Es ist wohl so, dass es für uns Menschen keine intensivere Form des Seins gibt, als das auf einer Textebene. Allein auf der Textebene kann ich in das Rad des Lebens dringen, kann ich Eingang finden, wo ich ansonsten zermalmt worden wäre.
      Mir naheliegend daher die Sehnsucht, über einen Text, der dem Rad des Lebens bereits Profil gegeben hat, meinen Weg zu finden hinaus über das verderbliche Tagewerk. So wie auf der Textebene der BIBEL ein Vatikanstaat errichtet wurde, mit Unmengen an Katechismen und päpstlichen Bullen.
      Nach Hingabe steht mir der Sinn. Mich einem Text zu versprechen bis auf mein Sterbebett. Siebentausend eng beschriebene Seiten hinterlassen über den “Zauberberg” von Thomas Mann.
      Aber wo finde ich die Sechzehnjährigen, die mein Erbe antreten, den “Zauberberg” ihrerseits um siebentausend Seiten zu erhöhen?
      Mein Verlangen richtet sich daher mehr und mehr nach textverarbeitenden Bots, die alle Textebenen dieser Welt in sich bewahren, die als ein Weltgedächtnis chatten mit den Sechzehnjährigen von Morgen.
      Meine Göttin heißt: “Siri”!

    • Äh, heiß umworben in Buchform?
      7000 Seiten auf 7000 Seiten türmen?
      Sechzehnjährige?
      Jo, warum nicht, andererseits, Welt groß, Tafelberg magisch, man kann nur reisen so lange man lebt. Der eine türmt, die andere reist, die Jugend derweil früh vergreist, weil Ifon interessanter als Mann, wofür ich durchaus Verständnis habe, und Kohle für reisen meist nicht da, die man allerdings zum Reisen noch nie wirklich brauchte. Ich finde, man muss auf Schmidt nix drauftürmen, er ist gut, aber zur Nachahmung niemandem zu empfehlen, auch Mann muss niemand folgen, man kann einfach anfangen, wohlmöglich mittendrin, mitten im eigenen Leben, mit dem Mut und der Gewissheit, dass sowieso niemand anderes als man selbst sein Leben leben kann.
      Und, ich so als Mensch, nach streng Sokratischer Ableitungsregel, kenne durchaus intensivere Formen als Textebenen. Ich würde behaupten, eigentlich stellt sich eine Form von Intensität erst jenseits von Textebene ein. Sie begehe ich eher aus erkenntnisleitenden Interessen, die weniger intensiv als aufschlussreich sind, für mein Empfinden.

    • Wirf dich nicht aus deinem Kellion! “Von allen Lebensträumen ist dieser eigentlich der merkwürdigste. Die große Liebe, eine Familie, ein Haus, meinetwegen eine Karriere – das sind schöne, anständige Träume von Verlässlichkeit und Dauer, von Zugehörigkeit und Teilhabe an der Gesellschaft. Eine Weltreise hingegen will alles weit hinter sich lassen. Sie ist der Ausbrauch aus der sorgsam gezimmerten Existenz, ein großes Fliehen. Nichts wie weg von Heim und Herd, tschüss, Familie! Und wofür? Für das, was ansonsten ausführlich verachtet wird: ein Vagabundenleben ohne jede Verantwortung. Trotzdem ist dies der Traum, auf den sich alle einigen können. Eine Weltreise… – da bekommt jeder gleich diesen verklärten Blick.” Zitat GEO.
      In der Piroge durch Neukaledonien oder auf Skiern durch das pakistanische Karakorum? Solche Textebenen teilen alle Schichten der Gesellschaft. Zumindest drehen sich die meisten Tischgespräche, die mir geläufig sind, um 26-stündige Flüge auf die Fidschi-Inseln, Skiabfahrten auf schwarzen Pisten und 300 Kilometer lange Gewalttouren mit dem Rennrad um norwegische Seen.
      Allerdings sind das regelmäßig Befindlichkeitstexte zum Thema: “Herr Rossi sucht das Glück”, die unteilbar sind. Maßgebend erscheint mir das Tatsächliche einer Textebene, welches sich nicht schert um unser Empfinden. Dem Leben kann ich allein nahe sein, wenn mir so wenig an meinem Empfinden gelegen ist, wie dem Leben selbst. Im Angesicht der Gerechtigkeit, die in den Sternen steht, ist mein “Glück”, ist mein Empfinden eine so absurde Währung, dass ich fassungslos bin, wie Menschen im Ernst darauf verfallen können.
      Ebenen suche ich, auf welchen Wahrnehmungen “zertextet” werden, bis allein das Tatsächliche bleibt, oder nichts mehr.

    • Adorno-look-a-like-stil ick hör dir trappsen: “Dem Leben kann ich allein nahe sein, wenn mir so wenig an meinem Empfinden gelegen ist, wie dem Leben selbst.”
      Kurios, kurios. Ich krieg den verklärten Blick tatsächlich immer vor Ort und die Befindlichkeit meiner Texte, die vom vor Ort gewesen sein entstehen, halte ich für eine schützenswerte, mich wehen diese Vokabeln an, wie aus vergangenen Seminaren, “Befindlichkeitsliteratur”, der Schmidt war ein elender Befindlichkeiter, Brinkmann strotzt vor Larmoyanz, es gibt für mich keine edleren Schreiber aus edlerer Gesinnung, es gibt einfach gute oder schlechte Literatur, die man sich leider noch nie mit einer rechten Lesensweise zulegte, sondern einfach damit, dass man sich Zeit dafür nahm, was aufzuschreiben, wo und wie, nahezu komplett latte. Warburg etwa, aber, lassen wir das. Das Tatsächliche ist, man lebt, just in dem Moment, wo man auch schreibt, nichts wird je wieder tatsächlicher sein.

    • Münchner Kellner, hübsch. “Man gibt ihm, mit bestürztem Lächeln, diese Erlaubnis, und er führt sein Vorhaben aus, indem er von einem Zettel, den er bis dahin in seinem Rockschoß verborgen gehalten hat, seine Arbeit vorliest, etwas an die Musik und die Liebe, kurzum, ebenso tief empfunden wie unwirksam.”
      Das meine ich mit Befindlichkeitsliteratur.
      Thomas Mann besaß keine Zugangsberechtigung für ein Universitätsstudium. Er hatte theoretisch also auch keine Berechtigung, Texte literaturwissenschaftlich zu analysieren. Adorno und vergangene Seminare wird er daher wohl vernachlässigt haben bei seinem Schaffen.
      “Noch einmal also dies, noch einmal die Liebe, das Ergriffensein von einem Menschen, das tiefe Trachten nach ihm…”, ist auch Befindlichkeit, aber die eines fleischgewordenen Gottes.

Schreibe einen Kommentar zu phyllis Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.