Das Handwerk der Freiheit. Sonntag, 31. Juli 2011

Bin nicht richtig da und nicht richtig fort. Es hat auch keine (was gelegentlich passiert) Verpuppung stattgefunden, die mich dann für Tage oder Wochen aus dem Rennen nimmt, bis ich mich aus dem Cocon säble, um mit neuer Kraft … Sie wissen schon.
Auch der Impostor gibt Ruhe. Kein Neugeborenes, kein Welpe, keine Freundin mit Liebeskummer zieht an meiner Aufmerksamkeit und ich hab’ auch kein neues äh… Hobby. (Ich hab’ keine Hobbys)

Ich bin einfach beschäftigt. Erinnen Sie sich an diese alten Fieberthermometer? Haben Sie mal eins fallen gelassen? Ich schon. Als Kind. Da versuchte ich natürlich, die ganzen auseinanderwitschenden Quecksilberkugeln zu einer großen zu verbinden. Man musste sie nur ein bißchen anstubsen. Meine Großmutter bekam fast einen hysterischen Anfall, als sie mich das tun sah. Ich glaube, so manisch bin ich in meinem ganzen Kinderleben nie wieder gewaschen worden.
Warum erzähle ich das?
Weil man für das Handwerk der Freiheit nicht in die Lehre geht, sondern in – sich. Und mir scheint im Moment, es sind keine Glasperlen, mit denen eine da spielt.
Ich bitte Sie um etwas Nachsicht, geschätzte Leser:innen, falls sich nicht immer alles gleich erschließt, was ich in diesen Tagen schreibe. Kommt alles mit der Zeit! Versprochen!
Vor allem mir selbst versprochen.

39 Gedanken zu „Das Handwerk der Freiheit. Sonntag, 31. Juli 2011

  1. Ja, die Entdeckung & Kultivierung des eigenen Willens und die Wissenschaft von den inneren Widerständen und seine Realisierung im eigenen Gestrüpp, der Anbau auf eigenem Boden (um auf dem Metaphernfeld der Früchte & Erden zu bleiben) – manchmal härteste, gar todernste Arbeit, nur außen kaum sichtbar. Erst einmal. Bon travail wünscht, verschwiegen am Abhang gärtnernd
    B.

    • @Books Sie signieren sonst nie! Ich mag das. Passt zu Ihrer Reaktion, die eh zeigt, Sie wissen, wovon ich schreibe. Und womöglich auch, wovon ich nicht schreibe. Selbst wenn individuelle Inhalte nur punktuell vergleichbar sind: es gibt da eine Wucht. Und die kennen alle, die versuchen, dem Flow eine Form abzugewinnen. Die Suche nach Identität ist von der Suche nach Freiheit nicht unterscheidbar. Denke ich. Vielleicht sogar das gleiche.
      Merci et bon travail à vous aussi, Monsieur Books!
      P.

    • Ich seh hingegen nur noch Bieri – da hat mich Alea Toriks blinder Hund zu ihm geleitet und dann hörte ich gerade:
      http://www.berlinpicturecompany.com/ctv/history/bieri.html
      als Ihre Willensfreiheit hier aufpoppte.

      (PS. Zwei Vogellieder aus der Tube wollte ich noch in Richtung Kienspan beisteuern – wenn auch naja – mit ersterem versuche ich gerade meinen Impostor in Schach zu halten, der schon Handgranaten wirft: http://www.youtube.com/watch?v=BrnOM9NIDrw – das andere: http://www.youtube.com/watch?v=35EeM5DHgRU )

    • @Phorkyas Ich las vor einiger Zeit Bieris Romane, die er unter dem namen Pascal Mercier veröffentlichte, wusste zu dem Zeitpunkt auch noch nicht viel über den Autor. Erst nach der Romanlektüre – besonders “Nachtzug nach Lissabon” kann ich sehr empfehlen, hab’ auch >>> hier darüber geschrieben – kam mir der Mann als Philosoph ins Bewusstsein. Er hat einiges über Lehren und Lernen geschrieben, das mich in ZUsammenhang mit meinen eigenen Lehrtätigkeiten interessiert. “Das Handwerk der Freiheit” hab’ ich erst heute morgen bestellt, kurz, bevor ich meinen Tagestext online stellte, deswegen kann ich noch nichts dazu sagen. Die Diskussion zum “freien Willen” finde ich hochspannend, las dazu kürzlich einiges von Prof. Wolf Singer. Mal sehen, wie sich das Thema in Zukunft weiterentwickelt bei mir.

      Viel Glück mit Ihrem Impostor & vergessen Sie nicht, seine Handgranaten sind nur Knallerbsen. Wenn Sie es so wollen. Aber das ist leichter gesagt als gefühlt, ich weiß.

    • Mein Impostor könnte mir ganz nützlich sein, so dass ich eher wünscht es wären keine Knallerbsen, sondern er würde mich einmal tatsächlich in die Arbeit reißen.. und das Netzkabel ziehen…

      Schade, dass wir jetzt immer noch nicht wissen, welcher Roth das ist.

      (Bieri kommt bei mir bestimmt noch dran, vielleicht auch der Nachtzug… Die Künstlerdiskussion unten bringt mich auch ins Grübeln, aber da kommt jetzt leider auch erstmal noch nichts. – Und die Willensfreiheit bzw. Naturalismus-/ Bewusstseinsproblematik [Grenze der Naturwissenschaft] ist bei mir auch so ein Dauerbrennerthema – Manchmal schon frustrierender Stellungskampf..)

      Exit.
      P.

    • Soeben zurückgekehrt von meinem Ausflug an die östliche Grenze habe ich meine Nachlässigkeit bemerkt. Ich meinte den Gerhard, welcher der Freiheit des Willens eher zurückhaltend gegenüber steht bzw. stand.

      Ein vierter Roth sprang mir in diesem Zusammenhang durch das Gedankenvisier – der eine Eugen nämlich:

      Ein Mensch erkennt,
      ‘s ist auch den Guten
      mehr zuzutrau’n,
      als zuzumuten.

      (freie Willensentscheidungen zum Beispiel ; )

    • Mit dieser Ergänzung, liebe Phyllis, möchte ich gewiss keine Diskussion anheizen.
      Doch will ich meine Überzeugung darlegen, dass die freie Willensentscheidung sehr schwierig wird, wenn man folgenden Zusammenhang berücksichtigt: “Jede Entscheidung zieht unausweichlich Konsequenzen nach sich.”
      Sofern die Konsequenzen der Entscheidung überschaubar sind, rühren sie mehr oder weniger stark an unseren Ängsten. Freie Willensentscheidung hat wesentlich mehr mit “Aushalten” zu tun, als mit dem Akt der “Findung” selbst. Normalsterbliche sind im Sinne Roths (Gerhard) nicht frei in ihrem Willen, sondern von (Angst)Motiven geleitet.

    • @Phorkyas Haben Sie vielen Dank für Ihren Link zu Bieri. Den Inhalt lasse ich gerade in meine Denkhaut einziehen. Es wird mich freuen, wenn sich dazu gelegentlich weiteres Gespräch ergibt – ganz ohne Konjunktiv..

    • @Kienspan: Wenn man angstvoll auf die Konsequenzen starrt, dann ist man vielleicht wirklich wie das Kaninchen vor der Schlange und rührt die Pfote dann doch nicht zur “freien” Flucht.

      Gerade in Hinblick auf die Künstler und angedeuteten monetären Einflüsse, wollte ich schon postulieren, es käme nicht so sehr auf die äußeren Zwänge an, sondern um deren Internalisierung. Idealerweise sollte der Künstler wohl innerlich frei sein, aber unter Umständen hält er sich gar für frei, während er doch nur folgsam das produziert, was auch die Quote macht. (Noch sehr theoretisch – Sie hatten doch auch schon so eine Gelddiskussion, muss ich noch einmal suchen, glaub’ da konnt ich nicht mehr so ganz folgen..)

    • @BonanzaMargot (…) “die fremden Menschen rücken in mein Gefühl als wären sie Kunstwerke einer liebevoll arrangierten Ausstellung” (…) schreiben Sie bei sich, und ich denke, ja, vor den Authentizitätsattrappen sollten wir uns hüten… die führen nicht ins Freisein.

    • @BonanzaMargot, ff Die Assoziation kam mir bei Ihrem Bild, Menschen als Kunstwerke einer Ausstellung zu betrachten. Das ja in Ihrem Gedicht durchaus liebevoll gemeint war. Was mich aber an Zustände erinnerte, in denen ich mich selbst oft befinde, die sich anders anfühlen. Nicht zärtlich. Eher wie eine Barriere vor der Wirklichkeit.
      Es ist ein Zustand des Observierens, der mich daran hindert, im Jetzt zu sein. Alles sieht echt aus, aber die Menschen um mich herum wirken wie Attrappen. Inszeniert. Es ist mein eigener Filter, der sie zu Attrappen werden lässt, sie zu Ausstellungsstücken macht. Ich mag das nicht an mir. Ich will nicht von außen hineinspähen, sondern d r i n sein.
      Hm.
      Mache ich mich verständlich?

      p.s. Sorry, so ist das manchmal mit fremden Gedichten: man reagiert aus der Geste der inneren Befindlichkeit heraus. Die hat manchmal gar nichts mit jener zu tun, aus der das Gedicht entstanden ist. Dem ich seinen Reiz damit keineswegs absprechen wollte! : )

    • das subjekt kommt meiner meinung nach nie aus der interpretationsebene heraus, phyllis. und in den schönen künsten beschäftigen wir uns insbesondere mit “schönen” und bemerkenswerten interpretationen eines gedankens, einer emotion, eines geschehens, eines bildes. in der wirklichkeit befinden wir uns sowieso – jedenfalls, solange wir existieren.
      kultur beschäftigt sich mit den metaebenen menschlichen geistes. dort leben wir unsere kreativität aus – womit wir zurück bei der freiheit wären.
      ausstellungsstücke sind wir je nach sichtweise. man muss eine solche sicht natürlich nicht mögen. in dem gedicht geht es mir um eine stimmung, die ich in einer basler kneipe an einem winterabend auffing.

    • Manchmal kommt es eben doch: Heraus. Wenn der Körper (und der Instinkt) die Führung übernimmt. Sport, Sex, Tanzen etc. Aber Sie haben natürlich Recht – als Künstler:in … ach was, wir alle, die wir rezeptionsfähig sind und dafür Form zu finden versuchen, arbeiten mit Interpretationen.
      Anschaulich wird das am Bild des Fotografen: immer die Kamera vor dem Gesicht. Selbst, wenn er sie nicht dabei hat, fotografiert er.
      Ein kreativ geschulter Geist wird immer nach Konkretisierung suchen. Und noch während des unmittelbaren Erlebens werden ihm “Übersetzungen” dieser Wirklichkeit durch den Kopf gehen.
      Ich wollte auch nur sagen, dass mich diese – in meinem Fall unsichtbare, ich bin keine Fotografin – Kamera vor dem Gesicht manchmal nervt. Da sie mich entfernt. Ich will nicht immer alles Erleben als Material betrachten, noch während ich mittendrin bin. Einen solchen Zustand würde ich für mich als “Authentizitätsattrappe” bezeichnen.
      Andererseits ist das nun mal meine Profession, sind das nun mal die Prozesse, die ich liebe.

    • sicher sollte man als mensch immer mal runterkommen von seinen antrainierten geistigen sichtweisen. z.b. beim tanzen, beim sex oder anderen körperertüchtigungen.
      ich beschäftige mich mit gedanken und gefühlen. d.h., ich reflektiere und interpretiere sie über die sprache – was mir ganz gut spaß macht.
      was ist ihre profession, wenn es nicht die fotografie ist?
      konkretisierung würde ich es nicht nennen – die kreativität bedeutet die qual der wahl, – sowie die lustvolle entscheidung, die man (wenn man unbedingt will) auf den freien willen zurückführen könnte.

    • betr. authentizitätsattrappe: im falle meines gedichts fühlte ich mich mit meiner umgebung seltsam verschmolzen – und schrieb relativ authentisch meine gefühle und gedanken dazu auf.
      nach drei, vier bier hat`s eine authentizitätsattrappe schwer.

    • @BonanzaMargot Meine Profession ist das Zeichnen und Schreiben, letzteres auch in der Lehre. Ich fotografiere zwar auch – Sie kennen sicher meine Rubrik “Einmal geübt, schon gekonnt” – aber dort geht es nicht um Fotografie als solche, sondern um Frauenbilder.
      Zur Authentizitätsattrappe: ich schrieb ja schon, es war kein Bild in Ihrem Gedicht, das mir wie eine Attrappe vorkam, sondern eine Assoziation, die mein eigenes Erleben betraf. Man missversteht sich schnell…

      p.s.. Sex als “Körperertüchtigung” zu bezeichnen ist schon hart, so ganz ohne Smiley! : )

    • nun, ich bin in jeder beziehung amateur. gerade in der kunst halte ich das übertriebene pochen auf profession für affektiert. in diesem zusammenhang könnte man durchaus von authentizitätsattrappen sprechen – nämlich bedingt durch eine umgreifende affektiertheit, die man z.b. sieht, wenn besonders kunstbeflissene menschen “fachsimpeln”.

      auf ihren blog stieß ich heute rein zufällig – darum konnte ich mich noch nicht eingehend umschauen. aber meine neugier ist geweckt.

      sex ist selbstverständlich in meinen augen keine reine körperertüchtigung, – genausowenig wie sex als reiner fortpflanzungsakt zu sehen ist. im besten falle ist sex ein äußerst lusvoller ausdruck von liebe.

      wie meinen sie “schreiben in der lehre”?

      mißverständnisse können schnell entstehen. aber ebenso schnell kann man sie wieder abbiegen.

    • @BonanzaMargot Ich halte das Ausweichen auf einen Amateurstatus für mindestens genauso affektiert, im Einzelfall. Wir haben es hier auf TT schon gelegentlich mal mit diesem Thema zu tun gehabt. Ach was, – oft! Dass Leute schnell als überheblich gelten, wenn sie zu sehr auf ihren Künstler:innenstatus pochen. Auf ihrer Professionalität beharren. Wenn es zu solchen Themen kommt, gibt’s öfter mal Krawall. Zumindest gibt’s zwei Positionen, die sich nicht annähern wollen: die der Bescheidenheit gegenüber der des vermeintlichen Größenwahns. Wobei die Bescheidenheit vielleicht auch manchmal nur vermeintlich ist. Wenn Sie mich fragen.

      Ich kann nur für mich sagen, ich bin Künstlerin. Da ich auch davon lebe, bezeichne ich das als Profession, nicht als Hobby. Wüsste nicht, was daran affektiert sein sollte. Und ich führe einen manchmal ziemlich anstrengenden Kampf gegen die eigene Bescheidenheit, weil die mich nämlich lähmt und es mir verwehrt, meine Ideen ernst zu nehmen. Geschweige denn zu verwirklichen. Da hilft mir eine gesunde Portion Selbstüberschätzung sehr viel weiter. In die eigenen Behauptungen reinwachsen, bis sie stimmen: dieser Prozess ist fruchtbar. Für mich.

      Sie sehen schon, ein wichtiges Thema…
      Schön, dass Sie hierher gefunden haben, übrigens. Willkommen!

      p.s. Zu Ihrer Frage: Mit “Schreiben in der Lehre” meinte ich, dass ich auch Schreiben lehre. Ich gebe seit vielen Jahren Schreibwerkstätten für Jugendliche mit Migrationshintergrund.

    • ich wollte meine beobachtung affektierten künstlergehabes nicht als spezielle kritik an sie mißverstanden wissen. bitte dieses mißverständnis gleich wieder “abbiegen”.
      auf das terrain, mit meiner kunst geld zu verdienen, wagte ich mich noch nicht. auch darum bezeichne ich mich als amateur.
      kunst zu verkaufen halte ich für einigermaßen widersinnig. aber ich weiß schon, dass es für viele autoren gar nicht anders geht, gerade wenn ihr schreiben sehr viel zeit beansprucht.
      meine freiheit als künstler empfinde ich darin, dass ich schreiben will, wonach mir der sinn steht, ohne dabei an einen verkaufswert denken zu müssen. ich sehe bei der kunst eine ähnliche problematik wie bei der prostitution. (nein, ich habe nichts gegen die “professionelle liebe”. ich sehe allerdings eine problematik …)
      sie haben recht, dass es diese zwei extremen sichten gibt: die einen, die absolute bescheidenheit einfordern – und die anderen, die größenwahnsinnig ihre kunst zur genialität erklären. mit beiden sichten habe ich nichts am hut. ich mache einfach gern, was ich mache. bescheiden bin ich nur insofern, als dass ich allgemein charakterlich nichts von maulhelden halte.

    • Verstanden. Schon passiert. Das Missverständnis abgebogen, meine ich. Sie machen zwei Aussagen, die mir ein Lachen entlocken: Erstens, dass Kunst zu verkaufen einigermaßen widersinnig sei. Ich weiß zwar, oder glaube zu wissen, was Sie meinen, aber der Satz haut mich schon irgendwie vom Sockel. Wenn ich mehr Zeit habe als heute, schreib ich nochmal etwas dazu.
      Das andere.
      Sie mögen keine Maulhelden. Ich schon! Aber ich verwende das Wort auch in meiner eigenen Definition. In der klingt es nach Überschwang, nach Mutwillen, nach frech-nach-dem-Leben-greifen. Insofern, an meinen besten Tagen, bin ich auch eine. Maulheldin.

    • im positiven sinne will ich auch gern maulheld sein. vielleicht hätte ich besser großmaul oder aufschneider sagen sollen. ich mag in allen bereichen menschen nicht, die mit der klappe vorneraus sind. der volksmunnd sagt auch: große klappe – nichts dahinter.
      da sind mir die etwas zurückhaltenden und schüchternen charaktere lieber – vielleicht weil ich eher selbst zu dieser sorte gehöre.
      gegen temperament und mut in der kommunikation (und in der kunst) habe ich absolut nichts einzuwenden!
      für mich gehen kunst und vermarktung darum nicht zusammen, weil kunst für mich eine herzensangelegenheit ist. und geld ist im großen und ganzen eine sauerei (die man leider erdulden muss).

  2. Ich frage mich, ohne mich einmischen zu wollen, wie oft eben d i e s e Diskussion um das Wesen des Künstlers und die Art seiner Verlautbarungen hier noch geführt werden soll! Auf der einen Seite finden sich immer diejenigen, die mit ihrem einfachen, unauffälligen, harmlos-angepaßten In-der-Welt-Sein kokettieren, mit ihrer “Normalität”, während auf der anderen Seite von diesen Normalen jene Menschen ausgemacht werden, die sich beruflich mit dem beschäftigen, was die bescheidene Mehrheit in ihrer wohlverdienten Freizeit konsumiert, als Literatur, Malerei, Film, Musik, Theater, Hörspiel und so weiter. Anstatt nun aber den Künstlern Wertschätzung entgegenzubringen und die immense, von diesen erbrachte Leistung wenigstens als solche zu akzeptieren, wird aus der erwähnten Haltung heraus angegriffen, was das Zeug hält, gerne auch zwischen den Zeilen und besonders gerne in bezug auf die angebliche Überheblichkeit und das angebliche Geltungsbedürfnis der Künstler, die sich ja aus der Warte der Normalen ganz offensichtlich für etwas Besseres halten. Mit ein wenig Überlegung käme man zwar ganz sicher zu der Erkenntnis, daß die wenigsten Künstler gleich welcher Sparte so denken und fühlen, doch dann käme ja ein Feindbild abhanden, auf das man sich schnell einigen kann und welches so lustvoll zu bedienen ist. Als Ausnahmen werden nur die Künstler betrachtet, die es “geschafft” haben, die mittels der Massenmedien ins Blickfeld gerückt werden, die mehr oder weniger anstrengungslos konsumiert werden können und die dann auch, egal wie sie sich geben, keine große Klappe haben, weil sie ja quasi offiziell befragt werden, von Fernseh-, Radio- und Zeitungsjournalisten. Daß nun die anderen, weniger “erfolgreichen” Künstler kaum etwas anderes über ihre Kunst sagen, fällt natürlich entweder nicht oder, wie oft in Blogs, nur negativ auf, denn diese sind ja nicht legitimiert durch die Medien, sie sprechen von sich aus, ohne “auserwählt” worden zu sein durch die kleine Gruppe von Journalisten, Kritikern, Jurymitgliedern und so weiter, die im Auftrag der Öffentlichkeit zu handeln meinen. Würden sich die “Normalen” nicht mit dem massenmedial Aufbereiteten begnügen, sondern sich mutig ein wenig weiter vorwagen, sich also wirklich nach eigenem Gusto mit Kunst beschäftigen, käme wohl niemand auf den Gedanken, daß ein Künstler großmäulig sei, weil er unter Umständen ungefragt und notwendigerweise über seine Kunst spricht. Nur Unkenntnis kann zu einer solchen Einschätzung und zu der auch hier auf TT oft anzutreffenden Aggressivität führen, vor allem bei den letztlich ja selbst großmäulig auftretenden vorgeblich Bescheidenen, die sich in ihrer Einfältigkeit sauwohl fühlen, weil sie sich eins wissen mit so vielen anderen Menschen, die sich ihrer Feindbilder gewiß sind.

    • Lieber Norbert & @BonanzaMargot

      Völlig richtig, wir sprechen hier oft über dieses Thema. Und streiten. Nur dass ein Gast wie BonanzaMargot, der heute zum ersten Mal auf TT liest und schreibt, bei Ihrer Replik vielleicht gerade zusammenzuckt und denkt: “aber ich sprach doch gar nicht von einem Feindbild?!”

      Es wäre hilfreich, zu den vorherigen Diskussionen (und Disputen) hier auf TT zu verlinken, damit jemand wie BonanzaMargot weiß, aus welchen Zusammenhängen Ihr heutiger Beitrag kommt. Ich bin weiterhin interessiert an diesem Thema – so etwas lässt sich nicht, wie man früher sagte, “ausdiskutieren”, weil ja auch immer wieder neue Gäste hier erscheinen. Die lesen sich erst einmal ein. Oder schreiben. Die wissen noch nicht, wo die thematischen Wespennester sind.

      Ich habe selbst auch schon oft auf diese seltsame Dynamik hingewiesen, die so gerne darin münden will, Künstler, die sich ihrer Sache sicher sind, als überheblich zu bezeichnen. Auch ANH hat dazu recht deutlich Stellung bezogen. (Wobei wir schon wieder beim kriegerischen Vokabular wären…grrr)
      Wie auch immer, mir liegt daran, hier auf TT den Kreis der Diskutanten nicht zu verengen, indem nur noch diejenigen übrig bleiben, die sich sowieso einig sind. Insofern begrüße ich neue Gäste. Vor allem, wenn sie schreiben. Dann ganz besonders.
      Ihre heutigen Überlegungen sind ziemlich auf dem Punkt – so nehme ich das auch oft wahr. Zumindest in den schriftlichen Diskussionen. Im Alltag eher weniger.

      Leider habe ich momentan keine Zeit,

      @BonanzaMargot,
      die entsprechenden Gespräche herauszusuchen, aber in der Rubrik “Gespräche über Kunst” findet sich eine Auswahl an Texten und Kommentaren, die Norbert W. Schlinkerts heutigen Beitrag zu diesem Thema in Bezug setzen.

    • Liebe Phyllis, ich hatte mit Absicht kein @ gesetzt und den Text zudem auch an den Ursprungstext gehängt, weil ich “nur” über die Sache schreiben wollte. BonanzaMargot habe ich nicht angesprochen, weil er oder sie “unschuldig” ist und in der Tat nicht wissen kann, welch überflüssige Schlachten hier bereits geschlagen wurden. Ganz schweigen wollte ich dennoch nicht, obwohl es auch mir im Moment an Zeit fehlt, mich ins Getümmel zu stürzen. Ich denke, ich habe meinen Standpunkt in dem Text klar gemacht, ohne jemanden persönlich anzugreifen, das wird wohl auch BonanzaMargot so sehen.

    • So geht’s manchmal, wenn man nicht genau hinschaut: ja, jetzt fällt’s mir auf, dass Sie kein @ verwendet haben. Sorry.
      Dass diese Diskussionen überflüssig sind, finde ich übrigens nicht. Sie tragen dazu bei, die Rolle künstlerischen Denkens in gesellschaftlichen Zusammenhängen zu klären. Überflüssig ist nicht einmal die Aggression: die kommt ja irgendwo her. Ihr liegt eine Angst zugrunde. Und die kann man meines Erachtens nicht einfach als überflüssig deklarieren.
      Häme gegenüber Einzelnen, in diesem Punkt stimme ich zu, ist allerdings nicht nur überflüssig, sondern unwillkommen hier. Ich hoffe, wir können das Atelier mal wieder für eine gesunde Weile vor solchen Angriffen schützen. Doch es wird immer mal wieder passieren – allein schon, weil ich nicht immer da bin, um einzugreifen.

    • Liebe Phyllis, die Diskussionen sind sicher nicht überflüssig, die “Schlachten”, die ja eben nicht zuletzt wegen der Häme solche sind, aber schon. Wahrscheinlich aber wird es weiterhin welche geben, schließlich ist die Blogzone eine der letzten Bereiche, wo keine Überwachungskameras hängen, mal ganz abgesehen davon, daß sich hier jeder vermummen und verkleiden und verstellen kann, wie er will. Sogar das Rauchen ist erlaubt! Früher nannte man so was Anarchie!

    • ganz sicher wollte ich mit meinen aussagen niemanden persönlich angreifen – weder phyllis noch einen anderen künstler.
      ich wollte lediglich meine sichtweise der problematik des kunstgeschäfts aufzeigen. wenn man von freiheit spricht, sehe ich eben meine freiheit als künstler durch eine vermarktung beschnitten. schließlich kam ich durch phyllis` beitrag “das handwerk der freiheit” auf dieses thema: wie sieht es mit der freiheit des künstlers im kapitalismus aus?
      künstler als charaktere sind so unterschiedlich wie alle menschen. da gibt es großkotze und andere, die sich lieber verstecken; da gibt es leute, die mit falscher bescheidenheit prahlen, und welche, die für etwas anerkennung anderen in den arsch kriechen …
      nicht jede “gute kunst” ist auf eine sympathische person zurück zu führen.
      außerdem: nicht jede kreative arbeit ist für mich kunst. es kommt also auch darauf an, wie man für sich kunst definiert.

    • Um sich vom Markt beschnitten zu fühlen muss man doch erst einmal dort hinkommen und ihren Namen habe ich auf dem Büchermarkt noch nicht gelesen, ehrlich gesagt.
      Wie kann man also etwas fühlen dass man gar nicht fühlen kann, oder wollen Sie dort hinkommen und man läßt sie nicht und sie fühlen sich ungerecht behandelt.

    • @BonanzaMargot Weiß ich doch. Sie schreiben da etwas für mich sehr richtiges: “Gute” Kunst – völlig unabhängig davon, ob sie sich am Markt oder beim Publikum durchsetzt – wird nicht nur von “netten” Leuten gemacht. Von den Beurteilungskriterien für “gut” mal ganz abgesehen, was ein anderes Thema ist. Was überhaupt als Kunst anzusehen ist, und was sich im allgemeineren Bereich von “Kreativität” abspielt: da muss jede(r) selbst eine Antwort finden. Wenn mir jemand sagt, er sei Künstler, ist das für mich erst einmal ein Fakt. Die meisten Leute können das ganz gut unterscheiden. Jemand, der abends Seidentücher bemalt oder Kerzen beklebt, wird sich im Normalfall eh nicht als Künstler bezeichnen, sondern als Kreativer.
      Ich will einmal über die Dynamiken schreiben, die diese Berufsbezeichnung im Laufe der Zeit für mich angenommen hat. Später… muss erst einmal etwas Lohnarbeit machen…

    • @Mexiko Ich denke, da täuschen Sie sich. Es gibt tatsächlich nicht wenige, die gar nicht erst einsteigen wollen in den “Markt”, weil sie schon von weitem sehen, dass ihnen die Mechanismen dort nicht gefallen werden. Die alle als Füchse anzusehen, denen die Trauben zu hoch hängen, wäre sicherlich zu einfach gedacht. Interessant wäre da vielleicht, zum Weiterdenken, die Unterscheidung zwischen Künstler und Lebenskünstler.

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